Scarlett Johansson: „Habe jetzt weniger Angst als früher“
Als Superheldin in ihrem neuen Film „Black Widow“ begegnet Scarlett Johansson Gegnern am liebsten mit Handkante voraus – im Interview mit der Kurier freizeit erzählt sie davon.
Das Leben imitiert öfter die Kunst als die Kunst das Leben. Wenn wir derart bildungsbürgerlich mit einem locker eingestreuten Zitat von Oscar Wilde diesen Text beginnen, hat das natürlich seinen Grund: Scarlett Johansson, 36, und Hollywoods derzeit vielleicht beste, womöglich am härtesten arbeitende, mit Sicherheit aber erfolgreichste Schauspielerin, weiß diese Einsicht jetzt nämlich ebenfalls zu teilen. Und nicht nur das, sie ging ihr in Fleisch und Blut über, wie sie im Gespräch mit der freizeit erklärt.
„Ich habe jetzt sicherlich weniger Angst als noch vor zehn Jahren“, erzählt sie lächelnd, mit dieser einzigartig angerauten Stimme, die Haare zurückfrisiert, mintfarbener Pullover, tiefroter Lippenstift, an ihren Ohren baumeln lange Ohrringe. Und eben das, dieses neue, bislang beinahe unbekannte Selbstbewusstsein, das sei eine gute Sache. „Ich habe das Gefühl, das ist eine positive Entwicklung in meinem Leben.“
Mutiger werden. Zu verdanken hat die New Yorkerin, sagt sie, diese Entwicklung einer ganz speziellen Rolle: die der „Black Widow“. „Ich habe einen großen Teil meines Erwachsenendaseins damit verbracht, diesen Charakter zu spielen“, so Johansson. Das habe abgefärbt. In der Tat hat der in hautenges, schwarzes Leder gewandete Comic-Charakter einiges auf dem Kasten: eine Superheldin mit Schlagkraft, immer gratwandernd zwischen brandgefährlich und schier unwiderstehlich.
Und eine Kultfrau im Marvel-Universum, das nur so bevölkert ist von Typen, die gemeinhin als Draufgänger einzuordnen sind: Iron Man, Thor, Captain America, Black Panther, Spider-Man und ein Dutzend anderer kämpfen, leiden, siegen, verzweifeln … und treten, richtig, nicht nur in den Avenger-Filmen auf, sondern haben alle ihre – höchst erfolgreichen – Solo-Streifen inne.
Der Erfolg liegt auf ihren Schultern
Nach Auftritten in den bisherigen Marvel-Filmen (mit Milliarden Einspielergebnis die erfolgreichste Filmreihe aller Zeiten) soll „Black Widow“ das nun fortsetzen: alles kracht und explodiert, dass es nur so seine Freude ist, und wenn gerade nicht gebalgt wird, erheitern uns augenzwinkernd-witzige Dialoge. Auch Superhelden haben ihre Macken. Und wenn sie für diese manchmal aufgezogen werden, ist das nur recht und gut.
Davon abgesehen muss sich Black Widow in ihrem ersten Solo-Abenteuer mit längst zerbrochenen Beziehungen auseinandersetzen und einer Verschwörung, die mit ihrer Vergangenheit als Spionin zu tun hat. Alles da also, was das moderne Blockbuster-Kino zu bieten hat. Und vor allem sie: Scarlett Johansson, die diese sündteure, aufwendige, umsatzabhängige Superproduktion trägt und anführt und zum Erfolg führen muss. Eine Verantwortung. Für andere. Für die eigene Karriere. Auch das, nichts für schwache Nerven.
Buntes Schaffen und bestbezahlt
„Ich fühle mich heute definitiv wohler dabei, Risiken einzugehen und mich in Dinge zu stürzen, die ich nicht kenne“, verrät Johansson. „In unbekannte Gewässer zu springen und zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln.“ Risiken einzugehen, das hat sich gelohnt für die Tochter eines dänischen Architekten und einer Amerikanerin. Zumal Johansson sich stets bewährt hat. Mit ihrem Talent überzeugt hat in unterschiedlichsten Filmen. In Komödien wie „Don Jon“ von Joseph Gordon-Levitt, in mysteriösen Science-Fiction-Experimentalfilmen wie „Under the Skin“ ebenso wie in Actionern wie „Lucy“ oder einfach nur als Stimme im Animationsfilm „Sing“ – eine ziemlich schräge Mischung.
Zweimal war sie laut „Forbes“-Magazin bereits die bestbezahlte Schauspielerin der Welt, 2018 und 2019. Geadelt haben sie aber vor allem zwei ihrer jüngsten Filme: die Nazi-Satire „Jojo Rabbit“ und das Scheidungsdrama „Marriage Story“. Für beide Werke wurde Johansson 2020 für den Oscar nominiert. Und selbst wenn sie den Goldbuben letztlich nicht bekam: Vor allem in der Tragikomödie über eine Ehe am Ende bewies sie, wie viel Wahrhaftigkeit ihr Spiel besitzt. Und wie wenig sie tun muss, um große Emotion dar- und bei uns herzustellen.
Macht, Sex und Humor
Damit gelingt Scarlett Johansson ein bemerkenswerter Spagat: Das Publikum anspruchsvollen, unabhängigen Kinos liebt sie genauso wie die Fans der Popcorn-Blockbuster. Das verleiht Macht. Und so konnte sie es durchsetzen, dass eine Frau im Regie-Sessel von „Black Widow“ Platz nahm, suchte die finale Kandidatin in Form von Cate Shortland sogar selbst aus.
Einleuchtend, dass sie auch mit ihrer öffentlichen Meinung nicht hinterm Berg hält, Stichwort: neues Selbstbewusstsein. Johanssons Kritik an der „Hyper-Sexualisierung“ ihrer Heldin in „Iron Man 2“ machte Schlagzeilen. „Es wird darin über sie gesprochen, als wäre sie ein Stück von etwas, wie ein Besitz oder ein Ding oder was auch immer – wie ein piece of ass“, kritisierte sie.
Stillstand ist von der Schauspielerin jedenfalls keiner zu erwarten. Davon hat sie dank Corona-Zwangspause genug. Obwohl sie ihr Filmdebüt bereits im zarten Alter von neun gab, kann der Workaholic vor allem eines nicht – die Füße still halten. Mit ihrer Produktionsfirma entwickelt sie beständig neue Stoffe. Ruhe scheint hingegen privat eingekehrt zu sein.
In dritter Ehe (die erste mit Ryan Reynolds, aus der zweiten entstand Tochter Rose, 7) scheint sie endlich angekommen zu sein: Colin Jost ist Sketchschreiber bei „Saturday Night Live.“ Selbst Superheldinnen lachen gerne. Und Scarlett sowieso. Als sie erzählt, wie sie am ersten Drehtag von Co-Star Florence Pugh bei einer Kampfszene deren Kopf gegen ein Waschbecken schlagen musste, muss sie heftig kichern. „Das hat echt das Eis gebrochen.“
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