Es gibt so etwas: Menschen, mit denen es einfach unmöglich ist, keine kluge Unterhaltung zu führen. Maria Schrader gehört dazu. Dass sie hinter dem Film „Ich bin dein Mensch“ steht (Regie, Drehbuch) ist kein Zufall: Eine herrliche Komödie ist ihr damit gelungen, die leichtfüßig tiefgehende Themen verhandelt.
Eine Frau testet darin einen humanoiden Roboter, der ganz auf ihren Charakter und ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Der perfekte Lebenspartner, dafür erschaffen, sie glücklich zu machen. Doch geht das, sich in ihn dann tatsächlich zu verlieben? Zumal er äußerst charmant ist ... Sensibel und mit Tiefgang verhandelt der Film Fragen über die Liebe, unsere Sehnsüchte und das Menschsein.
Als Schauspielerin wurde Schrader 1999 mit dem lesbischen Liebesdrama „Aimée & Jaguar“ bekannt. Als Filmemacherin war sie etwa verantwortlich für Österreichs Oscar-Einreichung „Vor der Morgenröte“ mit Josef Hader. Mit der Netflix-Produktion „Unorthodox“ gelang ihr ein Welterfolg, für den sie als Regisseurin am 2. Juli mit der KURIER ROMY ausgezeichnet wird, zudem mit dem Preis für die Beste Serie. Im Interview spricht sie mit Bedacht – aber ihre Worte wirken nach.
freizeit: „Deine Augen sind wie zwei Bergseen, in denen ich versinken möchte“ – so klingt es, wenn der Roboter in Ihrem Film einer Frau schöntun möchte. Wann haben Sie denn zuletzt ein schlechtes Kompliment bekommen?
Maria Schrader:(lacht) Ich habe Glück, die Menschen in meiner Umgebung machen eigentlich gute Komplimente! Manchmal höre ich aber von Männern tatsächlich noch: Du kannst ja richtig gut Autofahren. Mit anerkennendem Staunen in der Stimme ...
Was macht denn ein gutes Kompliment aus?
Wenn es nicht standardisiert ist und einem das Gefühl gibt, es ist tatsächlich persönlich gemeint. Da sieht man auch schneller über eine komische Formulierung hinweg. Aber Augen und Bergseen, das klingt wie aus einem Handbuch für Blind Dates. Ungefähr genauso wie: (betont gefühlvoll, mit weicher Stimme) Hast du vielleicht auch das Gefühl, dass wir uns schon seeehr lange kennen?
Frau trifft Roboter. Denken Sie, hält die Zukunft solche Begegnungen für uns bereit?
Ja, auch wenn es noch eine Weile dauern wird, bis die Roboter so perfekt sind wie Tom im Film. Darüber bin ich erleichtert. Die Vorstellung, dass solche Maschinen Teil unserer Gesellschaft werden, empfinde ich als beunruhigend.
Ein Partner, ganz auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten, das ähnelt der Geschäftsgrundlage von Partnervermittlungen. Sehen Sie da auch eine Parallele?
Ja, auf eine radikalere Art. Der Roboter Tom im Film wird ja hergestellt für Alma. Sie glücklich zu machen ist die Aufgabe seiner Existenz. Die Grundfrage, die der Film stellt, lautet: Wie würde sich unser Glücksbegriff verändern, wenn man einen Partner nach den eigenen Wünschen bestellen und kaufen könnte? Wenn die Liebe nicht mehr die Möglichkeit des Scheiterns beinhalten würde? Ich habe auch keine Antwort darauf. Es ist eine Versuchsanordnung. Die Verbindung zu einem anderen Menschen ist unsere größte Sehnsucht. Sie vereint uns, jenseits von Status, Reichtum, Generation, Land, Kultur.
Liebe lässt sich im Leben nicht einplanen. Das ist für uns, die wir nichts gern dem Zufall überlassen, schwer zu begreifen.
Die Liebe ist etwas, das uns begegnet. Natürlich versuchen wir, nach ihr zu suchen, unsere Chancen zu erhöhen, am Ende bleibt sie aber unberechenbar und eine Frage von Schicksal oder Zufall. Wenn wir diese Variable ausschalten könnten, würden wir uns dennoch ähnlich stark nach Liebe sehnen? Und hat unser Glück deshalb seinen Zauber, weil es eben nicht ganz in unserer Hand liegt? Oft wünschen wir uns, glücklich zu sein, aber schaffen es nicht.
Ist uns die Liebe zu kompliziert geworden, zu schwierig zu finden, dass wir sie teilweise an Apps auslagern?
Einsamkeit ist ein Riesenthema in unserer Gesellschaft. Die Single-Haushalte nehmen zu. Gleichzeitig installieren wir Apps, um alles zu vereinfachen und vermeiden damit auch zufällige soziale Kontakte – niemand steht heute mehr an einem Bankschalter an. Oder für Flugtickets. Die Chancen für eine unerwartete Begegnung werden kleiner. Umso verständlicher, dass Menschen sich aktiv bemühen, ihr Glück zu finden.
Dating-Apps wie Tinder sind okay für Sie?
Ich war noch nie auf Tinder und habe so eine Art Blind Date nie erlebt. Ich glaube, es ist nichts weiter als ein Tool zur Kontaktaufnahme. Danach begegnen sich zwei Menschen. Und von da an kann es sich entwickeln oder eben nicht. Gleichzeitig erstaunt es mich, wie schnell die Leute manche Personen ablehnend wegwischen und andere nicht. Wissen sie so genau, wer zu ihnen passt? Schon das Angebot wird ja durch Algorithmen ausgerechnet.
Algorithmus macht Liebe.
Ich kenne einige sehr glückliche Paare, die sich im Internet getroffen haben. Manchmal spüre ich Scham in der Erzählung, wenn man sie fragt, wie habt ihr euch kennengelernt, das sollte sich ändern.
Hat diese Scham nicht auch damit zu tun, dass sich jeder verpflichtet fühlt, die perfekte Love Story vorweisen zu können – eine, die auch eine gute Erzählung ist?
Ja, das betrifft ja auch die große Diskrepanz zwischen Selbstdarstellung im Internet und dem echten Leben. Der Selbstdarstellungszwang greift ganz schön um sich. Ich selbst bin weder auf Facebook noch Instagram. Ich gehe da höchstens mal spazieren und sehe mir andere an.
Ihr Film behandelt auch die Frage, was es heißt, mit dem „perfekten Partner“ zu leben. Und das es vielleicht gar nicht so gut ist, weil die emotionale Reibung fehlt.
Die Erkenntnis, dass es sich bei mir selbst und jedem anderen, dem ich begegne, um etwas Unperfektes handelt, ist wichtig. Es gehört zu den Wesenszügen andauernder Liebe, dass man dabei immer mit der Lücke zwischen Realität und Wunschvorstellung konfrontiert ist. Ein Roboter hingegen ist jedem anderen Partner weit voraus. Tom kann alles besser als Alma, und seine ganze Aufmerksamkeit gilt ihr. Tom will ja nichts anderes, als der perfekte Partner für sie sein, das ist seine Bestimmung. Doch zum Menschsein gehört auch der Konflikt.
Sich den Traummann selbst zu basteln, wäre das für Sie auf irgendeiner Ebene, in irgendeiner Form reizvoll?
(überlegt lange) Es ist ein Gedankengespinst, aber vielleicht, ja. Eventuell ist das in unserer Gesellschaft irgendwann auch nichts Anstößiges mehr: zu sagen, ich hab ihn mir gebastelt. Weil man eine bestimmte Art von Sex möchte, eine bestimmte Art von Frühstück – oder endlich einen Partner, der einen mit all seinen Macken aushält. Und ganz ohne Streit.
Für die Serie „Unorthodox“ haben Sie den Emmy, den wichtigsten TV-Preis der USA, gewonnen. Wie haben Sie diesen Erfolg wahrgenommen?
Es ist eine Netflix-Serie, dadurch habe ich das erste Mal eine globale Verbreitung erlebt. Ich war überwältigt davon, dass die Serie Brücken geschlagen hat: zu anderen Kulturkreisen, zu Menschen mit anderen Religionen, die sich sonst kaum eine Kinokarte gekauft hätten, um eine Geschichte über ultraorthodoxe Juden in Williamsburg zu sehen. Wir haben versucht, uns den Charakteren mit Zärtlichkeit zu nähern und ich glaube, die Serie hat ihre Zuschauer eher miteinander verbunden als sie zu trennen. Das empfinde ich als Erfolg.
Ihre Schauspielausbildung haben Sie in Wien gemacht. Gute Erinnerungen?
Als ich an meinem 18. Geburtstag die Aufnahmeprüfung am Max-Reinhardt-Seminar bestanden habe, begann ein selbstbestimmtes Leben. Ich komme aus dem plattgebombten Hannover, die Schönheit Wiens war beinahe exotisch für mich. Ich fühlte mich, als wäre ich in der großen, weiten Welt angekommen. Nach drei Jahren ging ich nach Berlin. Aber so ein romantisches Sehnsuchtsgefühl, das habe ich nur Wien gegenüber und das ist bis heute so.
ZUR PERSON:
Maria Schrader wurde am 27. September 1965 in Hannover geboren. Sie besuchte das Max-Reinhardt-Seminar in Wien und spielte u. a. am Deutschen Schauspielhaus. Sie spielte in mehreren Filmen von Dani Levy und Doris Dörrie und verfilmte u. a. die Stefan-Zweig-Bio „ Vor der Morgenröte“ und „Liebesleben“ von Zeruya Shalev. „Ich bin dein Mensch" startet am 25.6. im Kino.
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