Wandern im Postkartenmotiv der Cinque Terre
Ein Urlaub inmitten der atemberaubenden Kulisse der Cinque Terre mit den malerischen Ortschaften Monterosso, Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore, den Weinterrassen, die sich die steilen Hügel bis hinunter zum Meer erstrecken, den kleinen bunten vom Wellengang geschaukelten Booten: Das ist genau richtig, um wieder aus dem Schneckenhaus zu kommen, in das uns die Pandemie gezwungen hat. Alle Welt kennt die Cinque Terre, die sich nördlich der Hafenstadt La Spezia erstrecken. Obwohl, wirklich berühmt und zum sommerlichen Touristenmagnet wurden sie erst 1997, als die UNESCO sie zum Weltkulturerbe ernannte und zwei Jahre später der Nationalpark entstand.
Bis in die 1990er-Jahre war dieser Fleck Erde mehr Geheimtipp. Wanderfreudige kamen am Wochenende, kraxelten die einst von den Weinbauern mit Mauleseln begangenen Pfade hinauf und hinunter, verschnauften kurz in einem der fünf Orte und zogen dann weiter.
Wege an der Küste
Auch heute ist es noch möglich, sich abseits des Touristenandrangs auf Wandertour zu begeben; sich dieser Landschaft und den Menschen, die sie hüten und beackern, zu nähern. Anstatt die Küstenpfade entlangzuwandern, die sowieso zum Teil infolge von Erdrutschen geschlossen sind (darunter die beliebte Via dell’Amore von Riomaggiore nach Manarola), schlägt man einen der unzähligen, vom italienischen Alpenclub CAI gut ausgeschilderten Pfade ein, die den Nationalpark durchkreuzen.
Bei den Wanderungen durch die „Macchia mediterranea“, die mediterrane Buschlandschaft, und die terrassierten Weingärten geht es in der Tat über Stock und Stein. Denn ohne die Trockenmauern, hierzulande „Muretti a secco“ genannt, und die aus Steinen gemeißelten Pfade gäbe es diese von der Natur erschaffene und von Menschenhand gestaltete Landschaft nicht. „Die Trockenmauern sind der Speicher der Biodiversität, die man hier antrifft“, sagt Guido Galletti, einer der fünfundzwanzig Landwirte, die die Cinque noch zählen. Der bärtige 53-Jährige hat sich zur Mission gemacht, dieses Kleinod samt ihrer Traditionen zu pflegen und zu hüten.
Hüter der Trockenmauer
Die wichtige Rolle der Trockenmauern erklärt auch, warum man entlang der Pfade ab und zu auf große weiße Säcke mit Steinblöcken stößt. Sie werden per Hubschrauber abgelagert und dienen den Wärtern des Nationalparks, um die Mauern und Pfade zu flicken. Eine wichtige Arbeit, denn die Steinmauern bewahren die Hügellandschaft und die Orte vor dramatischen Erdrutschen wie jenem von 2011. Wer hier Bauer ist, muss auch die Kunst der Trockenmauern beherrschen.
Gallettis Großeltern waren Bauern, er führt die Tradition weiter und seine drei Söhne scheinen sich auch diesem Fleck Erde verschrieben zu haben. Von seinem Gut aus, das in Saggia auf einem Hügel über Corniglia liegt und dem Besucher eine magische Aussicht aufs Meer und die Küste schenkt, ist es noch faszinierender, ihm zuzuhören: „Man kann es heutzutage kaum glauben, aber früher galt es in den Cinque Terre als Zeitvergeudung, auf See zu gehen“, erzählt er. „Die einzige Ausnahme war Monterosso, dort verdiente man sich den Unterhalt mit in Salz gelegten Sardellen.“ Und tut es zum Teil heute noch. Vor der Pandemie fand Ende September auch jedes Jahr ein Sardellenkirmes statt.
Galletti will Fischfang und Weinanbau vereinen, er selber verbringt die Hälfte des Tages beim Fischen und die andere auf seinem Gut, auf dem neben Weinreben auch ein Gemüsegarten und Zitronenbäume sind. Chemikalien setzt er nicht ein, das schmeckt man dann auch aus den Ackerbohnen, die er für den Gast extra aus dem Garten holt. Zusammen mit einem Stück Caciotta-Käse und Brot schmeckt es wie ein Festessen. Galletti erzählt von dem Ziel, das er sich gesetzt hat: „Unser Glück ist dieser Fleck Erde“, sagt er, während sein Blick über die Weinterrassen und das Meer schweift. „Und ich meine, es muss doch möglich sein, Tourismus und Landwirtschaft in Einklang zubringen.“
Küche und Geschichte vom Meer
Anders gesagt, weg vom Bilderbuch-Tourismus hin zu einem bewussteren und sicher auch faszinierenderen. Auf seinem Gut arbeitet er gerade an einer Gaststätte. Der Name steht auf einem Balken der zukünftigen Veranda: „Küche und Geschichten vom Meer“.
Die Außenausstattung besteht, so weit wie möglich, aus recycelten beziehungsweise solchen Gegenständen, die einst dem Weinanbau oder Fischfang dienten. Zur Beleuchtung hängen ehemalige Schiffslaternen, Weinfässer wurden in Tische und Bänke umgestaltet. Galletti hofft, die Besucher nicht nur dank der wunderbaren Aussicht bei sich zu haben, sondern sie auch für die Geschichte seiner „Terra“ – seiner Erde – und der Menschen, die hier leben und arbeiten, zu interessieren. Denn, wenngleich die Cinque Terre einem wie ein Geschenk des Himmels erscheinen, ohne die fachkundige Arbeit der Menschen gäbe es statt den anmutig in die Landschaft gewebten Terrassen und Weinreben nur den mediterranen Busch.
Dieser hat sich in den vergangenen Jahrzehnten, als viele von hier nach Genua oder anderswo wegzogen, um sich ihren Lebensunterhalt leichter zu verdienen, weit ausgebreitet. Spuren dieser Landflucht und was sie für die Cinque Terre bedeutet, sind leicht zu erkennen. Die „Macchia mediterranea“ hat viele ehemalige Weingärten regelrecht eingekesselt. „Wissen Sie“, fährt Galletti fort, „die Landwirtschaft hier zu schützen, bedeutet auch, sich der Geschichte der Cinque Terre, die bis zu den alten Griechen und Römern reicht, bewusst zu werden. Und sie an die jüngere Generation zu vermachen.“
Es waren diese antiken Griechen, die hier die ersten Weinreben pflanzten. Und erblickt man bei der Wanderung hie und da Bauern, die sich an den Weinstöcken zu schaffen machen, kommt man angesichts der Bodenbeschaffenheit nicht umhin, an alte Schwarz-Weiß-Bilder zu denken, auf die man in Manarola entlang der Treppe, die zum Belvedere Platz Eugenio Montale führt, stößt. Man ist geneigt zu sagen, nichts hat sich hier für die Weinanbauer geändert, und zwar seit Jahrhunderten.
Wobei, eine kleine Modernisierung hat es schon gegeben: Früher erfolgte die Weinlese auf den unteren Terrassen per Boot, das war leichter, als zu Fuß mit den vollbepackten Mauleseln den Hügel hinaufzusteigen. Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde eine aus der Schweiz importierte Einschienenbahn eingerichtet, die man beim Wandern immer wieder kreuzt. Mit dieser werden jetzt die vollen Körbe hinaufbefördert und nicht selten auch die Bauern.
Noch ein letzter Tipp: Wenn man nach der Wanderung wieder in einer der Cinque Terre-Ortschaften ist, sollte man den langen Tag auf jeden Fall mit einem Glas hiesigen Sciacchetrà ausklingen lassen. „Ein süßer, sehr hochwertiger Prädikatswein, aus dessen Bouquet man diese Erde und dieses Meer heraus schmeckt“, wie ein über seine Reben gebückter Bauer den Wanderern noch blumig mit auf den Weg gibt.
Info
Klimafreundliche Anreise
Von Wien aus kommt man mit einem Umstieg (Nachtzug bis Mailand) in 16 Stunden nach La Spezia, oebb.at. Direktflüge nach Genua gibt es derzeit aus Österreich nicht, außerdem sollte man das (Miet-)Auto schon in Levanto oder La Spezia abstellen und den Zug nehmen – direkt zu den Cinque Terre kommt man nicht mit Auto
Parco Nazionale Cinque Terre
Tageskarten bekommt man vor Ort oder bequemer über die Website card. parconazionale5terre.it. Man braucht sie, wenn man den zwölf Kilometer langen Küstenpfad „Sentiero Azzurro“, der alle fünf Ortschaften verbindet, entlang wandert. Derzeit ist nicht die ganze Strecke begehbar, auf bestofcinqueterre.com/de/ fuss-und-wanderwege-in-cinque-terre findet man aktuelle Infos. Alle anderen Pfade sind frei zugänglich
– Trekking Card Cinque Terre: Besucher ab 4 Jahre 4,50 €, ab 12 Jahre 7,50 €;
die Familiencard (2 Erw. und 2 Kinder) 19,60 €; für über 70-Jährige 6 €
– Treno Card Cinque Terre: Damit kann man auch die Züge der Strecke Levanto – La Spezia benutzen und in allen fünf Ortschaften der Cinque Terre halten. Die Einzelkarte kostet für Erwachsene 16 €, für Kinder 10 €; Familienkarte 42 €;
für über 70-Jährige 13 €
Beide Cards bieten dem Besucher zahlreiche Dienstleistungen, u. a. Eintritt in Museen, freie Busfahrten, geführte Touren (wo vorgesehen)
Essen, Trinken, Übernachten
Auf der Website des Parks (auf Italienisch und Englisch) findet man einige Gaststätten und Beherbergungsbetriebe, die vor allem auf lokale Produkte setzen. www.parconazionale5terre.it
Kommentare