Geheimtipp Danzig: Vielseitig, günstig, bequem zu erreichen

Langer Markt in der Rechtstadt.
Viel Geschichte, eine lebendige junge Szene und eine Direktverbindung ab Wien locken in die alte Hansestadt an der Ostsee.

Wie ein Mantra betet Guide Andreas Kasperski vor, dass Danzig ein bisschen wie Wien ist. Anders nämlich. Geht es um die aktuelle Regierung in Polen, verdreht Andreas die Augen und ist damit nicht alleine. Für Diversität, Gleichberechtigung und Miteinander gehen er, seine Freunde und viele andere Danziger regelmäßig auf die Straße. Sie sind zuversichtlich, dass sich nach den nächsten Wahlen wieder alles ändern wird.

Geheimtipp Danzig: Vielseitig, günstig, bequem zu erreichen

Denkmal für gefallene Werftmitarbeiter von 1970 vor dem Solidarność-Zentrum.

Dass die Stadt im Norden Polens politisch ein bisschen anders tickt als der Süden, ist kein neues Phänomen. Schon 1980 brachte hier ein Elektriker namens Lech Wałęsa die polnische Regierung zu Fall, als er während eines Streiks über die Mauer der Lenin-Werft kletterte und als Anführer der Solidarność-Gewerkschaft zum Streikführer des ganzen Landes wurde.

Denkmal für Solidarität

1983 wurde er mit dem Friedensnobelpreis geehrt, 1990 zum polnischen Staatspräsidenten gewählt. An ihn und die Gründung der berühmten Gewerkschaft erinnert ausgerechnet an der ehemaligen Lenin-Werft ein spannendes Museum, das erst Ende Jänner einen Konflikt auslöste: Der aktuelle Minister für Kultur forderte das Management des Museums auf, Elemente in die Ausstellung einzufügen, die der historischen Politik der nationalkonservativen PiS entsprechen. Die Verweigerung führte zu einer Kürzung der Subvention von 7 auf 4 Millionen Zlotys (von 1,6 Mio. auf 0,9 Mio. Euro), ein Betrag, der durch eine öffentlichen Sammlung ausgeglichen wurde.

Auch in einem dunklen Teil der Geschichte spielt Danzig eine große Rolle. Hier begann bekanntlich der Zweite Weltkrieg. Es ist also nur logisch, dass sich ein eigenes Museum nur diesem Thema widmet. Das architektonisch aufsehenerregende Gebäude zwischen den Armen des Radaune-Kanals hat schon kurz nach seiner Eröffnung 2017 auch inhaltlich für Wirbel gesorgt, wie Andreas empört erzählt: War das Projekt mit achtjähriger Planungs- und Bauzeit anfangs hochgelobt, weil es sachlich und anschaulich über die Zustände berichtete, die weltweit zum Zweiten Weltkrieg führten, stellte die Nachfolgeregierung PiS die Museumskonzeption kurz nach der Eröffnung in Frage und ersetzte den Museumsdirektor und Teile der Ausstellung.

Lebensader Mottlau

Erst als wir das Gelände passiert haben und am Ufer des Mottlau-Arms stehen, hört Andreas auf, sich zu echauffieren. Hier auf der Promenade und auch auf dem Wasser beginnt das Treiben. Einige Minuten schauen wir den Piratenschiffen, Tretbooten und Kajaks zu, die um die Speicherinsel fahren. „Mit den Kajaks über den Umfluter und die Steinschleusen in die Niederstadt zu fahren, ist eine tolle Sache“, erklärt der Guide. Vor allem junge Besucher würden diese Art des Sightseeings vermehrt nützen. Und Danzig bietet tatsächlich etwas für alle Alters- und Interessensgruppen.

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Kajak fahren auf dem Radaune-Kanal. Im Hintergrund: Das Museum des Zweiten Weltkriegs.

Seine reiche Geschichte spiegeln die beeindruckenden Gebäude des Stadtteils Rechtstadt wider. Er wurde im 14. Jh. von den Lübecker Kaufleuten gegründet. Obwohl es aussieht, als hätten die Gebäude den Krieg überstanden, ist es mehr Schein als Sein: Tatsächlich wurden die meisten Häuser wieder aufgebaut und oft verstecken sich hinter Fassaden, die aussehen, als wären es drei Häuser, in Wahrheit nur eines.

Stehengeblieben ist das Wahrzeichen der Stadt, das imposante Krantor. Die wuchtige Hebekonstruktion war zu seiner Vollendung 1444 der größte Hafenkran der Welt. Neben dem Grünen und dem Hohen Tor war es einer von drei Eingängen in die Rechtstadt, in der sich heute nicht nur zahlreiche Sehenswürdigkeiten und herzige Gässchen zum Flanieren befinden sondern auch viele Cafés, Restaurants, Bars und Clubs, die junges Publikum anziehen.

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Die Mottlau mit dem Krantor.

Vor allem Danzigs Nachtleben rückt im Sommer immer mehr in den Fokus vieler Besucher. Livekonzerte, Foodtrucks und wechselnde junge Designer findet man von Mai bis September in der Containersiedlung „100cznia“ am Werftgelände. Gleich nebenan ist im „Klub B90“ mit der Elektrikerstraße der Teufel los. „Im Sommer ist es das coolste ever“ sagt Andreas (weitere Tipps siehe rechts).

Auf den Spuren Oskars

Das Günter-Grass-Viertel Langfuhr wird seit seiner Renovierung vor einigen Jahren von den Hipstern eingenommen. Seit vergangenem Jahr befindet sich dort z. B. die Micro-Kaffeerösterei Nieczapla. Chef Patrick ist Quereinsteiger – in seinem Beruf als medizinischer Analyst hat er sich gelangweilt. Nachdem er seine Leidenschaft für Kaffee beim Trinken entdeckte, hat er sich kurzerhand entschlossen umzusatteln. Er beliefert z. B. das benachbarte Café Kurhaus, das so eingerichtet ist, dass es auf Instagram gut rüberkommt. Und vegane Torten bekommt man im Fukafe.

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Fukafe mit veganen Torten.

Wer sich für Danzigs Literaturnobelpreisträger interessiert, kann hier stundenlang auf den Spuren von Günter Grass unterwegs sein. Infotafeln findet man überall und am Plac Wybickiego hat man dem kleinen Oskar ein Denkmal gesetzt. Mit seiner Trommel sitzt er in Bronze auf einer Parkbank, nach dem Tod des Schriftstellers hat man seine Statue neben seinen Romanhelden gesetzt.

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Neben Oskar und seiner Blechtrommel hat Günter Grass Platz genommen.

Und wer sich doch lieber extreme Partys statt Günter Grass gibt, setzt sich in die S-Bahn und fährt bis Sopot ans Meer. Zumindest im Sommer ist dort viel los. „Das ist der Ballermann von Polen“, meint Andreas. Wer allerdings außerhalb der Partysaison kommt, findet wunderschöne einsame Strände und eine herrliche Flaniermeile. Wie gesagt, Danzig ist ein Ziel für jeden Geschmack.

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Info

Anreise Die Billigairline Wizzair fliegt immer am Mittwoch, Freitag und Sonntag zwischen Wien und Danzig – Preise starten ab 9,99 €  pro Strecke, ohne Hand- und Freigepäck. www.wizzair.com

Währung/Preisniveau 1 € ca. 4,33 Polnische Zloty. Geldwechseln am Flughafen ist sehr teuer, besser bei einem Bankomat in der Stadt abheben. Kaffee ca. 1,50 €,  Imbiss ca. 5 €, Hauptspeise ca 7 €.

Essen und Trinken Milchbars feiern ihre Renaissance. Darin werden traditionell polnische Speisen günstig angeboten. Kantinencharakter. Berühmt ist die Bar Mleczny Neptun.
–Canis: gehobene Küche und Livemusik in stylischem Ambiente . Hauptspeisen ab 14 €. canisrestaurant.pl
– Flisak’76: Geniale Cocktailbar, Barfrau Anita serviert die liebevoll angerichteten  Cocktails mit einer kleinen Geschichte.
– Drukarnia: Hippes Café in einer alten Druckerei in der Frauengasse.

Buchtipps Marco Polo hat kürzlich einen neuen Reiseführer für Danzig herausgegeben.
Danziger Trilogie von Günter Grass (Die Blechtrommel, Katz und Maus und Hundejahre)

Guide Andreas Kasperski kann man per Email (kuenstler@wp.pl) oder per Telefon oder Whatsapp (+48 663 303 002) erreichen.

Tipp Im Dom zu Oliva gibt es jeden Vormittag zur vollen Stunde ein kostenloses Konzert auf einer Orgel aus dem 18. Jahrhundert.

Auskunft Polnisches Fremdenverkehrsamt in Wien  Tel. 01/ 524 71 91,  polen.travel/de-at/visitgdansk.com/de/

 

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