Wo man (nicht nur) zu Ferragosto sein müsste:
Hommage an ein kleines Lokal in Ravello, jenem Ort an der
Amalfiküste, in dem Kulturgeschichte geschrieben wurde.
Die Zuppa di fagioli war so fabelhaft, dass sich Papst Johannes Paul II. mit einem apostolischen Segen bedankte. Das Dekret hängt im Speisesaal von „Cumpà Cosimo“, der vielleicht besten Trattoria der Welt. Von Bohnensuppe ist keine Rede darauf – muss ja nicht jeder wissen, was ein Papst am liebsten isst, wenn er privat ist.
Die „Trattoria da Cumpà Cosimo“ liegt mitten in Ravello, in einer Straße mit dem mondänen Namen Via Roma, die eigentlich nur ein kleiner Steig ist, gepflastert, sieht aus wie vor hundert Jahren. So alt wird diese Trattoria im kommenden Jahr auch, und der heutige Tag, Ferragosto, der heimliche höchste Feiertag des Landes mit dem besten Essen, ist ein guter, um diesen magischen Ort zu würdigen.
Filmkunst
In den 1950er-Jahren, als Hollywood-Regisseur John Huston in Ravello den von ihm mit Truman Capote geschriebenen Film „Beat the Devil“ (auf Deutsch: „Schach dem Teufel“) drehte, war die Einrichtung des kleinen Lokals mit der großen Atmosphäre wohl nicht wesentlich anders. Kleine Tische, Bastsessel, weiße Tischtücher aus Stoff, Servietten aus Papier, kein Gastgarten, weil zum Essen geht man im Süden gefälligst rein, nur Touristen lassen sich von der Sonne die Birne verbrennen. Keine schummrigen Lichtspiele, Schnickschnack nur an den Wänden – auch das gehört sich südlich von Neapel so. Ein gutes Lokal ist wie eine Kirche, durchaus mit Reliquien. Und da wie dort geschehen Wunder.
Gina Lollobrigida, damals Mitte zwanzig, hat dieses Ambiente geliebt, ebenso der weibliche Star des Films, Jennifer Jones, damals bereits Oscar-Gewinnerin. Peter Lorre, aufgewachsen in Wien, sowieso. Und Humphrey Bogart am allermeisten. Er musste für die Dreharbeiten auf einem Esel reiten, das Tier hieß Francesco und gehörte dem Besitzer der Trattoria. Und wenn Mister Bogart nach einem langen Drehtag und einem Cena in der Trattoria noch den einen oder anderen Whisky zu sich genommen hatte, brachte ihn der Chef mit dem Esel in sein Quartier.
Humphrey Bogart auf dem Esel Francesco, der dem Besitzer der Trattoria „Cumpà Cosimo“ gehörte. Der Film, eine Satire auf das Gangstergenre, kam 1953 in die Kinos. Aber auch „Sissi“ wurde in Ravello gedreht.
Gartenkunst
Das war in der Villa Cimbrone, wohin man in der autofreien Stadt nur zu Fuß oder eben mit dem Esel kommt. Im Park rund um das prachtvolle Herrschaftshaus, vom schottischen Lord Grimthorp Anfang des 20. Jahrhunderts angelegt – britische Gartenkunst trifft auf südliche Vegetation, dazu gibt es arabische Einflüsse, Sie können sich wenige schönere Plätze vorstellen –, wurde übrigens in den 1950er-Jahren auch „Schicksalsjahre einer Kaiserin“, also der dritte Teil der „Sissi“-Verfilmungen, gedreht. Romy Schneider läuft über die Terrazza dell’Infinito, wo der Felsen von Ravello endet und von wo aus man den schönsten Blick über die Amalfiküste hat, von Capri bis Salerno. Der Film gaukelt einem vor, es handle sich um Madeira, das kann aber mit Ravello nicht mithalten.
Schon Richard Wagner schätzte den magischen Ort oberhalb der einst so mächtigen Seerepublik Amalfi und wusste die besonders kreative Energie zu nutzen. Dort fand er bei seinem Besuch im Jahr 1880 die Inspiration für den zweiten Aufzug seines Bühnenweihfestspiels „Parsifal“. Der Garten der Villa Rufolo ist Vorbild für Klingsors Zaubergarten und die Szenen mit den Blumenmädchen.
Opernkunst
Wenn einem Erzdeutschen wie Wagner singende, Männer verführende Blumen in den Sinn kommen, kann man sich ausmalen, wie weit man in Ravello von der hektischen, rein funktionalen Welt entfernt ist. Auch dass der dritte Aufzug dann in Palermo fertiggestellt wurde, zeigt, was entstehen kann, wenn mitteleuropäischer Intellektualismus auf süditalienische Lockerheit und Bellezza trifft. Etwas Metaphysisches jedenfalls.
Nicht einmal Bayreuth kultiviert Wagner heute so konsequent wie Ravello. Wer an diesem Ort, hoch oben über dem Meer, ankommt, sieht zunächst das Hotel „Graal“ (die Schreibweise ist ja nicht so wichtig). Ins Zentrum muss man durch einen Tunnel, ab dort haben Autos Fahrverbot, die erste Bar dahinter heißt „Kundry“, natürlich gibt es ein Hotel Parsifal. Aber auch Klingsor kommt touristisch zu seinem Recht. In seinem Zaubergarten wurde die denkbar schönste Open-Air-Bühne errichtet, alljährlich findet dort ein Wagner-Festival statt (mit hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern), das Publikum sieht hinter dem jeweiligen Orchester die atemberaubend schöne Küste.
Vom Auditorium sind es vielleicht dreihundert Meter zu „Cumpà Cosimo“. Und so spät kann man gar nicht kommen, dass die Chefin des Hauses, Netta Bottone nicht noch die herrlichsten Gerichte serviert, ihr Bruder Lucca den Wein bringt und im Glücksfall die Geschichte erzählt von Humphrey, vom Esel und von seinem Vater. Er war der Cosimo, der Cumpà, der Kumpel, nach dem die Trattoria benannt ist.
Kochkunst
Einfach und ehrlich ist die Küche an diesem Ort, der ideale Kontrast zu den so zahlreichen Fünfsternehotels in Ravello, in denen sich viele amerikanische Touristen tummeln, um für ein paar Tage ihren Traum von Italien zu leben. Dabei erfüllt sich dieser vielmehr in einer kleinen Trattoria um die Ecke.
Man kann ein paar Antipasti bestellen, diverse Ministre, dazu zählt hier die Bohnensuppe ebenso wie jede Form von Pasta, ganz klassisch, Bolognese selbstverständlich mit Fettuccine, Penne immer all’arrabbiata, danach Pesce oder Carne und am Ende ein Tiramisù, so cremig, wie es sonst kaum jemand zustande bringt. Am besten aber, man bestellt gar nichts, sondern lässt Netta, mit ihrer so charmanten Schürze und der rosa Blumenspange im Haar, bringen, was sie für richtig hält.
Im Prinzip hat sie immer recht, sie weiß präziser, was der Gast will, als dieser selbst, eine gute Wirtin ist ja die beste Psychologin. Und die Einheimischen denken gar nicht daran, sich die Karte geben zu lassen, sondern wollen nur, dass Netta für sie denkt.
Netta Bottone, eine Wirtin, die man nicht besser erfinden könnte. Unter den Corona-Sperren hat auch die Gastronomie in Süditalien sehr gelitten. Jetzt (und hoffentlich noch Hunderte Jahre) kann man dort wieder essen
Wenn man sich dann durchgekostet hat durch die Salumi, die Cannelloni, vielleicht sogar eine kleine Pizza, den Branzino mit dem verboten guten Öl oder die dünnen Vitello-Scheiben mit der zarten Limonen- oder mit Thunfischsauce und dann leider aufhören muss, viel zu spät, weil es zu gut war, dann naht irgendwann zu später Stunde jene der Rechnung. Fast missmutig kommt Netta Bottone dafür an den Tisch, weil ein Abend so pragmatisch enden muss. Sie schaut einem in die Augen und schätzt in etwa, was man dafür bezahlen sollte. Vierzig, fünfzig Euro, passt schon, jedes Mal ist es weit weniger, als man gerechnet hatte.
Ein Papst weiß halt, wo es himmlisch gut ist.
Vorbereitung: 20 min
Zubereitung: 40 min
Portionen: 4
1 Zwiebel mittelgroß, fein gewürfelt
1 Knoblauchzehe fein gewürfelt
3 Karotten
2 Stangensellerie
2 Zucchini
2 Dosen weiße Bohnen gewaschen und abgetropft
1 l Gemüsesuppe
2 EL Olivenöl
1 EL Tomatenmark
1 TL Zucker
1/2 Bund Petersilie fein gehackt
1 Bund Oregano fein gehackt
1 Dose Tomaten Pelati (geschält) oder in Stücken
Salz und Pfeffer am besten aus der Mühle
150 g geriffelte Röhrenpasta z.B. Ditali Rigati
50 g Parmesan frisch gerieben
- Das Gemüse putzen; die Karotten schälen und in Scheiben schneiden; die Zucchini längs halbieren und in Scheiben schneiden; den Sellerie würfeln
- Olivenöl in einem großen Topf erhitzen. Zwiebel und Knoblauch darin andünsten. Zucchini, Sellerie sowie Karotten zugeben und kurz mitbraten. Bohnen und Tomaten zugeben und kurz mitgaren. Alles mit der Gemüsesuppe ablöschen, mit Salz und Pfeffer würzen
- Zucker, Petersilie, Oregano und Tomatenmark zugeben und untermischen. Zugedeckt circa dreißig Minuten bei geringer Hitze garen
- Nudeln zehn Minuten, bevor serviert wird, zugeben und mitköcheln. Wenn die Suppe fertig ist, auf Teller anrichten und mit Parmesan bestreut servieren
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