105 Jahre alte Technik, die funktioniert: Faszination Panamakanal
Keine Frage, wenn die Schleusen aufgehen, ist das ein besonderer Moment. Nervenkitzel macht sich breit, wenn der erste Spalt zwischen den Toren zu sehen ist und sich die Kammer langsam entleert. Was heißt langsam? Ultralangsam! Man merkt gar nicht, wie das Wasser weniger wird und das Schiff sich gemächlich senkt. Trotzdem fasziniert er – der Panamakanal. Welch’ Ingenieurskunst. Die Technik funktioniert noch immer nach demselben Prinzip. Nur Mechanik. Seit 1914. Lediglich eine Erweiterung gab es 2016, damit noch mehr und noch größere Schiffe durchkommen, sonst ist alles beim Alten.
Mindestens einen halben Tag muss man mit all den Wartezeiten für den Transit einplanen. Selbst wer mit einem Ausflugsschiff nur eine Teilstrecke fährt, ist mehrere Stunden auf dem Kanal unterwegs und wird in der Zwischenzeit mit Geschichte und Anekdoten unterhalten: Bis es zur feierlichen (und verspäteten) Eröffnung am 12. Juli 1920 durch US-Präsident Woodrow Wilson kam, war es allerdings ein langer Weg. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Eröffnungsfeier 1914 abgesagt, obwohl der Kanal längst in Betrieb war.
Eine Reise in die Vergangenheit: So sah der Panamakanal aus
Die Amerikaner haben den Bau, der das Land buchstäblich gespalten hat, von 1906 bis 1914 beendet. Angefangen haben eigentlich die Franzosen (1881). Wegen technischer Probleme und einer hohen Sterblichkeitsrate stellten sie die Arbeit aber ein – während der Erbauung starben mehr als 25.000 Arbeiter an Malaria oder Gelbfieber.
Anfangs behielten die Vereinigten Staaten die Hoheit über den Kanal und die Panamakanalzone, dem Landstreifen entlang des Kanals. Ein Hort für Konflikte zwischen den USA und Panama – bis Jimmy Carter 1977 mit General Omar Torrijos Verträge aushandelte, die vorsahen, dass der Kanal bis zum Jahre 2000 an Panama zurückzugeben sei. Das geschah vor zwanzig Jahren, am 31. Dezember 1999 um 12 Uhr.
Schiffgewordener Mensch
Zurück zur Durchquerung: Drei Schleusen sind es, wenn alles gut geht, ist man in acht bis zehn Stunden durch, im Schnitt sind es fünfzehn Stunden. Klingt vielleicht viel, aber die Zeitersparnis durch die Fahrt durch den Kanal ist zweiundzwanzig Tage – nicht Stunden. Und die Entfernung von Tiefwasser zu Tiefwasser beträgt immerhin 82 Kilometer, 26,5 Meter Höhe werden insgesamt überwunden. Für die Reedereien war die Erweiterung ein Segen, jetzt können sie noch mehr Waren durch das Land in Mittelamerika schicken.
Wer nicht mit dem Schiff, sondern aus eigener Kraft durch den Kanal kommen will, braucht fünfzig Stunden, zumindest, wenn man Richard Halliburton heißt. Der US-amerikanische Abenteurer und Reiseautor ging 1928 in die Geschichte ein, weil er die geringste Maut für die Durchquerung zahlte: 36 Cent. Berechnet wurde der Preis – wie bei Wasserfahrzeugen – nach Tonnage. Er blieb bis heute der einzige Mensch, der die Gesamtstrecke des Panamakanals geschwommen ist.
Die durchschnittliche Gebühr für Schiffe beträgt 54.000 Dollar, etwa 14.000 Stück sind es pro Jahr. Bedenkt man die heutigen Preise, versteht man schnell, warum der Kanal für die Panamaer so ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Zu den Einnahmen bringt er auch viele Arbeitsplätze. Die teuerste Maut zahlte übrigens ein japanischer Frachter: 829.468 US-Dollar, wenige Tage nach der Eröffnung des erweiterten Panamakanals 2016.
Hört man solche Zahlen, wirkt es plötzlich nicht mehr absurd, was man auf so einem Touristenboot zahlt. Menschen, die da einfach nur mal wegen des Erlebnisses durch wollen, können eine komplette Transittour (250 Dollar) buchen, oder eine Teilstrecke (180 Dollar) – in jedem Fall ein Erlebnis, nicht nur für Technikbegeisterte.
So sieht der Panamakanal heute aus
In den Kammern kann es ganz schön eng werden, wenn neben dem Frachter, dem Kreuzfahrtschiff und dem Touristenboot auch noch die Segeljacht darauf wartet, bis sich die Tore öffnen. Weil eine Durchquerung durchaus Präzisionsarbeit sein kann, gibt es eine Lotsenpflicht, bis zu drei Losten manövrieren die Schiffe durch die Schleusen.
Hilfe kommt auch von den beidseitig angebrachten Zahnradbahnen, den Treidelloks. Vier bis acht davon schleppen die Schiffe je nach Größe durch und stabilisieren bei Strömungen, Wasserein- und Auslass in der Schleusenkammer. Sind es kleinere Jachten, werden sie hingegen an Leinen von Hand geführt.
Unglaublich: Die Schleusen werden ohne Pumpen mit dem Wasser des künstlich angelegten Gatúnsees betrieben. Es kommt vom Rio Chagres, der einzige Fluss der Welt, der in zwei Ozeane fließt. Er teilt sich bei der Stadt Gamboa und fließt in den Atlantik und in den Pazifik.
Wenn die letzte Schleuse geschafft ist, ist es aus mit der Langsamkeit und der Warterei. Schon auf den ersten Metern nehmen die Schiffe wieder Fahrt auf, das große Meer wartet.
Anreise
Von Wien mit KLM über Amsterdam nach Panama City. Co2-Kompensation via climateaustria.at hin/retour: 56,72 Euro
Miraflores Schleusen
Im Besucherzentrum kann man das Spektakel von oben betrachten. Zeiten beachten! Oder im Museum über die Geschichte des Kanals lernen. Eintritt ca. 18 Euro. visitcanaldepanama.com/en
Panamakanal Tour
komplette Transittour (250 Dollar), Teilstrecke (180 Dollar), Essen und Trinken inklusive. panamacanaltrips.com
Angebot
12 Tage „Costa Rica & Panama City. Natur & Moderne“
(17. 4.–28. 4. 20 und 15. 11.– 26. 11. 2020) ab 2.970 €/P. im DZ, u. a. inkl. Flug ab/bis Wien, Hotels, deutschspr. Reiseleitung.
Buchung: Tel. 0800 66 55 74, karmelitermarkt@raiffeisen-reisen.at
Auskunft
visitpanama.com
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