Parov Stelar über die Hass-Liebe zu Konzerten und weiße Tiger
Er hat den Namen der Musikrichtung Electroswing geprägt und bringt mit seiner Band rund um den Globus zigtausende Menschen zum Tanzen: Marcus Füreder, besser bekannt als Parov Stelar. Am 11. September soll er am Nova Rock Encore in Wiener Neustadt auftreten. Aber der Oberösterreicher ist auch bildender Künstler. Mit der freizeit spricht er über Musik und Malen.
KURIER freizeit: Jetzt geht es mit den Shows wieder los. Kann es eigentlich einen Parov Stelar ohne Live-Auftritte geben?
Parov Stelar: Dass es ihn geben kann, habe ich in den vergangenen eineinhalb Jahren gemerkt. Die Frage ist, wie fühlt er sich dabei? Natürlich macht die Live-Erfahrung einen großen Teil aus. Nicht nur fürs Publikum, auch für mich selbst. Es war schon hart.
Was ist der Reiz des Live-Spielens?
Ich habe immer so eine Hass-Liebe zu Live-Auftritten gehabt. Diese Reisegeschichten sind die, die einen an die Grenze bringen. Das Konzert selbst ist ja der Wahnsinn. Der Reiz ist: Als Musiker sitzt du wochenlang im Studio und tüftelst herum. Durch ein Konzert kommt ein Feedback, das du im Studio nicht hast. Das ist ein ganz magischer Moment.
Das Touren hat ja auch zu Momenten geführt, in denen Sie nicht mehr konnten, auch nicht mehr wollten.
Das Spielen auf der Bühne hat mir nie etwas ausgemacht. Natürlich hast du einen Druck: Du weißt, da stehen 20.000 Menschen unten, die sich ein Ticket gekauft haben. Und die haben sich verdient, dass du in Höchstform da oben stehst. Aber mit dem Erfolg merkst du, du bist ein Getriebener.
Du hast Interviewtermine, du musst ständig reisen. Man muss aufpassen, dass für den Menschen, der da dahinter steht, noch Zeit bleibt. Es erfordert viel Disziplin und Zeitmanagement, damit man nicht auf der Strecke bleibt.
Sie haben die Zeit während der Lockdowns zum Malen genutzt. War das ein Ausgleich?
Für mich war die bildende Kunst vor der Musik und nie weg. Ich habe aber gemerkt, dass es in so einem Kreativprozess wie der Musik schon gut ist, wenn du einen Schnitt machst. Die einen gehen fischen, ich bin ins Atelier gegangen.
Die Bilder haben ja oft ernste Motive, aber sind peppig aufgemacht. Küchenpsychologisch gefragt: Was sagt das über den Künstler aus? Lässt man da tief blicken?
Der Unterschied zwischen einer Depression und einer Melancholie ist, dass man in einer Melancholie daran glaubt, dass es einen guten Ausgang nimmt. Und es wird am Schluss ohnehin gut. Das ist das, was ich in meinen Bildern habe. Wenn du ganz düster drauf bist, dann malst du gar nicht mehr. Und ja, die vergangenen eineinhalb Jahre waren nicht leicht. Nicht nur wegen der Pandemie, es hat auch privat viele Umwälzungen gegeben. Malen ist ein gutes Ventil, die eigenen Dämonen rauszulassen. Und ich habe einmal gehört, wenn du den Geist einmal siehst, dann fürchtest du dich nicht mehr vor ihm. Und bei den Bildern ist es dasselbe. Du schaust der Fratze ins Gesicht – verleihst ihr einen Ausdruck und sagst: „He, du kannst mir nichts tun.“
Wie ist das eigentlich passiert, dass Sie als bildender Künstler zur Musik gekommen sind?
Durch eine Wette. Ich habe in Linz als Grafiker viele Plakate für die Techno-Kultur gemacht, die damals in ihren Anfängen war. Und ich durfte gratis zu Raves. Das war mir anfangs fremd. Ich dachte mir: So ein DJ steht da oben, spielt seit zwei Stunden dasselbe Stück, die Ladys stehen bei ihm, er bekommt Freibier und geht mit viel Geld heim. Da habe ich zu einer Freundin, die tief in der Szene drin war, gesagt: „Das ist easy. Dummdummdumm. Das kann ich auch.“ Sie hat wiederum gesagt, das ist nicht so leicht. Ich habe das mit dem Musikproduzieren ausprobiert. Und es war nicht einfach. Aber da war ich schon gefangen.
Gehen Sie noch auf die Piste?
Wenig. Zuletzt habe ich an einem Wochenende in zwei Tagen 10.000 Kilometer mit sechs Flügen zurückgelegt. Party hier, Party dort. Da kommst du heim und bist froh, wenn nicht einmal ein Vogerl zwitschert.
Sie haben sich zuletzt wieder Ihrem Pseudonym Stelartronic gewidmet. Wohin geht die musikalische Reise?
Das Stelartronic-Album, das sehr elektronisch-poppig angelegt ist, ist fertig. Zum anderen habe ich auch für Parov Stelar neue Sachen am Start.
Warum arbeiten Sie auch mit einem Alter Ego?
Ich bin ein Mensch, dem schnell fad wird. Und ich liebe es, in verschiedene Richtungen zu gehen. Allerdings habe ich erkannt, dass Parov Stelar als Marke dasteht. Da erwartet man sich, dass es in eine Richtung geht. Man kann schon auch ausbrechen, aber mit einem Alter Ego bin ich komplett frei.
Sie haben früher auch unter Ihrem bürgerlichen Namen Marcus Füreder produziert. Warum nicht mehr?
Marcus Füreder? Fahr mal nach London, da brechen sich alle Leute die Zunge. Auf der anderen Seite muss man sagen, bei Parov Stelar ist es auch so. Aber ein Künstlername ist immer Abgrenzung. Und auch da kannst du dir Freiheiten rausnehmen. Vielleicht kann sich die Kunstfigur Sachen erlauben, die man als Privatperson einfach nicht machen würde. Außerdem: Mir hat Marcus Füreder einfach nicht gefallen.
Sie haben zuletzt einen Remix des 20 Jahre alten „Keine Melodien“ der Elektronik-Band Jeans Team herausgebracht, aber auch schon Lana Del Rey oder Lady Gaga remixt. Gibt es bei Ihnen auch Stücke namhafter Künstler, die Sie abgelehnt haben?
Ja, aber für mich waren nie die Namen wichtig, immer nur die Projekte. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich das Orientieren an großen Namen à la longue nicht weiterbringt. Ich habe etwa mit Aloe Blacc zusammengearbeitet. Und mir hat bei dem Song etwas gefehlt. Da musste ich zu ihm sagen: Tut mir leid, ich kann nicht hinter dem Projekt stehen. Was schön gewesen wäre, wäre eine geplante Zusammenarbeit mit Amy Winehouse gewesen. Die ist aber wegen tragischer Umstände nicht mehr zusammengekommen.
Ist es so, dass Sie in Griechenland zuerst ganz groß geworden sind? Warum war das gerade dort der Fall?
Eigentlich war es Italien. Aber die hatten für eine Weile ziemlich strenge Regelungen fürs Nachtleben. Da sind Konzerte abgesagt worden. Dann sind wir nach Griechenland. Warum das dann passiert ist, kann ich nicht sagen. Aber wahrscheinlich habe ich mir das erspielt. Da war ich über 50-mal. Die sagen Papa Stelar zu mir. Ich weiß nicht, ob mich das ehren soll, oder ob ich mich alt fühlen soll. Papa geht noch, sobald es Opa wird ...
Aber es passt, nachdem Sie das Wort Electroswing geprägt haben. Sie haben sich zeitweise davon distanziert, dann wieder angenähert. Warum ist das mit dem Genre so schwierig?
Zum einen ist es das große Glück, dass ich ein neues Genre erfunden habe. Wie bei einem Witz, der fällt einem ein, der ist da und der ist gut. Auf der anderen Seite bin ich auf so großen Widerstand gestoßen, weil die Leute nichts anderes akzeptiert haben: Das ist Parov Stelar und das ist Electroswing. Da wollten sie mich nicht aus diesem Käfig rauslassen. Aber ich habe dann gemacht, was ich wollte. Das hat nicht geschadet. Und die Menschen haben gemerkt: Gut, der macht unterschiedliche Sachen. Aber es ist ein zweischneidiges Schwert.
Sie sind einer der international erfolgreichsten Künstler Österreichs. Und können wahrscheinlich trotzdem relativ unbehelligt auf die Straße gehen. Ist das gut? Oder finden Sie das nicht auch schade?
Nein, das ist angenehm. Mir ist es immer um das Werk und nicht um die Person gegangen. Und es ist gefährlich, dass das abdriftet. Auf einmal wäre man eher an einer neuen Frisur als am neuen Song interessiert. Gerade, wenn du Zeiten brauchst, in denen du die Batterien aufladen musst und du keine Wurstsemmel im Supermarkt kaufen kannst, dann ist das problematisch. Da wird es schwierig, dass du deine eigene Persönlichkeit wahrnehmen kannst. Wie dich die Leute von außen sehen, das bist ja nicht du.
Gab es trotzdem Momente, wo Sie sich gedacht haben: Das ist jetzt schräg?
Das passiert immer wieder. Wenn man privat im Restaurant oder mit dem Kind unterwegs ist, und Menschen eine Diskussion unterbrechen und Selfies wollen. Das ist in Ordnung, aber manchmal trotzdem befremdlich. Oder wenn es an deiner Tür läutet und wer dasteht und fragt: „Kannst du mir nicht mal zeigen, wie geht das mit deiner Musik?“
Echt? Öfter?
Oder einmal sind sie vor meinem Haus gestanden. Mit einem großen Truck. großer Anlage und Pritschenwagen und haben meine Musik gespielt. Und haben sich niedergesoffen und geschrien: „Parov, komm raus.“ Mein Kindermädchen und mein kleiner Bub haben sich gefürchtet.
Wie ist das mit dem Erfolg, wenn der kommt? Kauft man sich Dinge, die man sich früher gar nicht vorstellen hat können? Yachten? Tiger?
So ein weißer Tiger wäre schon super (lacht). Aber ganz ehrlich: ich habe in meiner Karriere nie das große Geld verfolgt. Für mich ist das Großartigste, wenn ich Zeit habe und meine Songs machen kann. Geld ist für mich Freiheit, dass ich das machen kann, was ich will. Obwohl der weiße Tiger trotzdem super wäre.
Ausstellungstipps:
Parov Stelar – I’ll be OK soon, Museum Francisco Carolinum, Museumsstraße 14, 4020 Linz. Bis 15. September 2021
Parov Stelar – private/view: Schüsslerweg 10, 4600 Wels. Bis 31. Oktober 2021, Anmeldung: Arnold Hirschl 0699/1007 1666
Parov Stelar, heißt eigentlich Marcus Füreder und wird 1974 in Linz geboren. Er wächst im oberösterreichischen Mühlviertel auf und studiert in Linz und Berlin Malerei und Grafik. Später kombiniert er elektronische Musik mit Swing. Seinen musikalischen Durchbruch hat er 2004 mit dem Stück „KissKiss“. Mit seiner Live-Band reist er rund um den Globus.
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