Der Rote Teppich ist für Zaungäste. Einen Einblick ins Gefühlsleben der Stars gibt’s bei den „Oscars“ nur Backstage. „Normalsterbliche“ haben zwar keinen Zutritt - dafür liefern Fotografen umso lebendigere Bilder.
Alles anders. Natürlich. Schon der Termin ist ungewohnt, am 25. April geht die Oscar-Gala mit knapp zwei Monaten Verspätung über die Bühne. Okay, die Sache mit der Gala läuft wohl nicht so wie gewohnt. Aber es soll – so der Stand zu Redaktionsschluss – ein echtes Live-Event werden, keine Videokonferenz oder Zoom-Party, wie die Golden Globes zu Beginn des Jahres.
Neben dem traditionellen Dolby Theater in Los Angeles gibt’s mit der Union Station einen zweiten Veranstaltungsort. Ja richtig, die Union Station ist der altehrwürdige und noch immer wichtigste Bahnhof der Stadt. Zusätzlich soll es Außenstellen in London und Paris geben, damit die nominierten Stars keine großen Reisen absolvieren müssen.
Überwältigt: Lady Gaga mit ihrem Oscar für den Titelsong zum Film-Hit „A Star Is Born“ (2019). Mit dabei: Mark Ronson (l.) und Anthony Rossomando (r.)
Aber sie sind da, live und wahrhaftig, wenigstens in einer der Locations, und nicht per Video zugeschaltet, sodass man sich nicht sicher sein kann, ob sie auch tatsächlich Hosen zum Smoking tragen, wenn’s im Bildausschnitt eh nicht zu sehen ist. Und das ist das Salz in der Oscar-Suppe: Denn die jährliche Verleihung der begehrten Academy Awards ist noch immer DER ultimative Star-Auftrieb, da kann keine andere Veranstaltung mithalten.
Besonders lässig sind dabei immer die Bilder, die NICHT im Rahmen der großen TV-Übertragung in gut 30 Millionen Haushalte der Welt übertragen werden. Die Bilder nämlich, die Backstage gemacht werden.
Der Star als Mensch
Wen sieht ein Superstar, wenn er in den Spiegel blickt? Erkennt die Diva sich als vergängliches Wesen oder mustert sie selbst die angebetete Ikone, größer als das Leben, eine Fremde?
Scarlett Johansson Backstage: Wen sieht ein Star, wenn er in den Spiegel schaut?
Es gibt nicht viele Momente, in denen es Fans möglich ist, einen Blick auf ihre Idole zu erhaschen, der hinter die glänzende Fassade schauen lässt, oder eben die ruppige, vielleicht auch exaltierte.
Nicht alle sind so naturcool wie Brad Pitt, der die prickelnd angespannte Atmosphäre genießt und lässig wie ein Cowboy an seinem Glas nippt, nachdem er sich einen Oscar abgeholt hat.
Heuer präsentiert er den für die beste Nebendarstellerin, was seinen Puls nicht in die Höhe schnellen lassen wird, vor allem, da weder Angelina Jolie noch Jennifer Aniston nominiert sind. Und auch dann hätte er wohl dieses unverschämte Lächeln im Gesicht. Steve Martin etwa war laut Augenzeugen kurz vor einem Nervenzusammenbruch, als er im vergangenen Jahr Soul Train Award Siegerin Regina King präsentierte. Und das, obwohl er 2009 sogar die komplette Show moderierte!
Voll das Leben!
Nicht der Rote Teppich vor der Show ist also der wahrhaft interessante Laufsteg, es sind die der Allgemeinheit verschlossenen Räume während und nach den Verleihungen, in denen sich die lebensnahen Geschichten abspielen. Zwei Unisex-WCs etwa, für sämtliche Stars, TV-Leute und Bühnentechniker – da kommt es durchaus zu bunt gemischten Schlangen.
Vor drei Jahren entschuldigte sich die damals 93-jährige Eve Marie Saint, die mit Cary Grant in „Der unsichtbare Dritte“ so unvergesslich mit dem Zug in den Tunnel fuhr, total zerknirscht bei der wachsenden Schlange, weil sie das WC unnötig lang besetzt gehalten hatte, um sich die Haare zu richten.
Im vergangenen Jahr konnte Renée Zellweger nach ihrem Oscar für „Judy“ auch Backstage einfach nicht aufhören zu zittern. Ein traumhaftes Bild zeigt sie, wie sie, endlich zur Ruhe gekommen, ihren goldenen Preis anlächelt.
Gewagtes Spiel: Neil Patrick Harris ging 2015 in Unterhosen auf die Bühne
Freunde wie Keanu Reeves und Diane Keaton plaudern entspannt, Shakespeare-Fan Samuel L. Jackson und Glenn Close, tauschen macbethsche Scharfzüngigkeiten über Kollegen aus, bevor sie ein flottes Selfie schießen.
Gefährliche Liebschaften? Samuel L. Jackson und Glenn Close sind jedenfalls ein Herz und eine Seele. 2019 ging sie leer aus – Sam tröstete
Audrey Hepburn und Grace Kelly warteten 1956 auf ihren Auftritt als Moderatorinnen, so unterschiedlich, wie sie eben sind: Neugierig den Kopf vorgestreckt die eine, in fürstlicher Haltung der Größe ihrer Aufgabe bewusst die andere. Auch die Spannung vor den Oscar-Entscheidungen ist den Stars ins Gesicht geschrieben, wenn nur der Fotograf im richtigen Moment den Auslöser drückt.
Zwei ungleiche Diven: 1956 warten Audrey Hepburn (l.) und Grace Kelly (r.) auf ihren Auftrit
Denn ja, im Endeffekt sind sie weit weg von den überlebensgroßen Figuren, die sie auf der Leinwand darstellen. Sie sind Menschen mit Stärken und Schwächen, Ängsten und Eitelkeiten – ganz normal eigentlich, nur zeigen sie es kaum, weil sie wissen, dass ihnen Millionen Menschen zuschauen. Aber manchmal vergessen sie es auch ganz einfach. Backstage bei den Oscars zum Beispiel.
Kavalier der alten Schule: Nach dem Oscar für „Million Dollar Baby“ (2005) servierte Clint Eastwood seiner Frau Dina Ruiz Rotwein. 2013 ließ er sich scheiden
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