Während First Ladys und Monarchinnen seit jeher modische Trends setzen, sind Politikerinnen als Stilikonen ein relativ junges Phänomen, sagt die Soziologin Eva Flicker von der Uni Wien: "Das liegt daran, dass es heute mehr Frauen in Spitzenpositionen gibt. Auch die sozialen Medien mit ihrer Bildverbreitung spielen eine große Rolle."
Unzählige Fan-Accounts huldigen inzwischen der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die während der Pandemie die farbliche Abstimmung von Hosenanzug und Mund-Nasen-Schutz perfektionierte (und damit subtil an die epidemiologische Relevanz der Maske erinnerte). Die Boutique Donna Lewis, bei der sie ihre Masken kauft, ist seitdem dauer-ausverkauft: "Die Nachfrage ist verrückt", sagte Besitzer Chris Lewis in der Elle und nannte es den "Nancy-Effekt". Auch die schottische Staatschefin Nicola Sturgeon erkannte das modische Potenzial der Maske, wählte für einen Auftritt ein Modell mit Karomuster, dessen Erlös Obdachlosen zu Gute kommt – und löste damit in ihrer Heimat einen Hype aus.
Flicker, die auf visuelle Soziologie und Gender spezialisiert ist, sieht den Fokus auf die Optik der Politikerinnen dennoch kritisch. "Frauen können es im Grunde nicht richtig machen", sagt sie – wer seine Weiblichkeit betont, wird kritisiert, wer das nicht tut, gilt rasch als altbacken. Die US-Höchstrichterin Sonia Sotomayor etwa wurde vor ihrem Hearing instruiert, zur Sicherheit keinen roten Nagellack zu tragen. "Mit femininer Kleidung riskieren Frauen viel, während der dunkle Herrenanzug Kompetenz und Körperkontrolle signalisiert. Die Freiheit, die Männern fehlt, wird für Frauen oft zur Bürde." Mitverantwortlich sind die Medien, was sich im Oktober am Beispiel der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin zeigte: Ein offenherziges Pressefoto sorgte für einen Skandal und rückte ihre politische Kompetenz vorübergehend in den Hintergrund.
Die Strategieberaterin und Kommunikationsexpertin Heidi Glück würde Jungpolitikerinnen davon abraten, sich modisch zu sehr in Szene zu setzen. "Zuerst sollte man sich ein politisches Profil erarbeiten. Die Optik ist in der Wahrnehmung sehr viel prägender als Inhalte. Klassischer Businesslook mit modischen Accessoires – weiter sollte sich eine Politikerin nicht wagen." Gerade am Beginn einer Karriere bestünde die Gefahr, "in eine Rolle gedrängt zu werden, die mit Politik nichts zu tun hat, und die sie letztlich auf ihre äußere Erscheinung reduziert." Das gelte für Frauen wie für Männer.
Als Paradebeispiel des neutralen Kleidens wird gerne Angela Merkel genannt: Dass sie seit Jahren dasselbe Blazer-Modell trägt, ist – wie so vieles in der Politik – kein Zufall.
Kommentare