Schön getropft: Was Promis sich in die Venen spritzen
Model Chrissy Teigen lässt sie sich im Bett geben, Sängerin Adele vor ihren Konzerten und Gwyneth Paltrow schwört ebenso auf sie. Infusionen sind in den USA längst nicht mehr nur Angelegenheit der Krankenhäuser, sondern werden immer öfter auch vollkommen gesunden Promis und Normalsterblichen verabreicht.
Es gibt scheinbar für jedes Problem die passende Infusion: Müde? Gestresst? Angst vor vorzeitiger Hautalterung? In sogenannten Drip Spas kann die passende Mischung aus Vitaminen ausgewählt werden. Die Menüs ähneln jenen einer Saftbar. Nur bekommt man nicht einen gesunden Smoothie, sondern eine Infusion angehängt.
Wellness-Trend
Der Hype um die Vitaminzufuhr via Nadel im Arm macht auch vor Österreich nicht halt. Ärzte werben mit „Hangover Infusionen“, „Immun Boostern“ und „Anti-Aging“-Mixturen (ab ca. 100 Euro). Eine ernst zu nehmende Unterstützung für den Organismus? Oder Geldmacherei?
"Prinzipiell sind Infusionen ein medizinisch fundiertes Therapiekonzept", sagt Tanja Pisec-Weihen, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Spezialistin für Orthomolekulare Medizin, im KURIER-Gespräch. Im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln, die geschluckt werden müssen, könne mit Infusionen die Magen-Darm-Passage umgangen werden. "Dadurch kann man schnell und effektiv Substanzen in die Zellen transportieren."
Jedoch sieht die Expertin für Mikronährstoffe bei den Beauty Salons ähnelnden US-Instituten ein potenzielles Manko: "Ich gehe davon aus, dass die jeweiligen Infusionen alle von der Zusammensetzung gleich sind, also nicht individuell für jede Person zusammengestellt werden."
Ein weiteres Problem: In Amerika wird in vielen Fällen vorab keine Diagnostik erstellt. In der Orthomolekularen Medizin werde laut Pisec-Weihen stets vorab ein Blutbefund gemacht, um so individuell Behandlungsschwerpunkte setzen zu können. Ganz nach dem Motto: "Zuerst messen, dann therapieren und kontrollieren."
Sie selbst bemerke, dass auch hierzulande medizinische Angebote, die schnell durchgeführt werden können, zuletzt beliebter geworden sind. Warum Vitamin-Infusionen in den USA längst zum Alltag gehören, lässt sich laut Kerstin Ortlechner leicht erklären.
"In Metropolen wie Los Angeles und New York ist der Alltag mit sehr viel Stress und Belastung verbunden", weiß die Dermatologin. "Regelmäßig zu einem Mentalcoach zu gehen und zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, ist dort normal. Sich eine Infusion anhängen zu lassen, ebenso."
Dass Infusionen nie verharmlost werden sollten, musste Kendall Jenner vor einigen Jahren am eigenen Leib erfahren. Das Model entschied sich für den "Myers Cocktail", eine vor 30 Jahren erfundene hoch dosierte Kombination aus Kalzium, Vitamin B, Vitamin C und Magnesium, die gegen Müdigkeitserscheinungen helfen soll. Die 25-Jährige litt kurze Zeit später unter so starken Nebenwirkungen, dass sie laut Medienberichten ins Spital musste.
Ungewisser Jugendboost
"Normalerweise sind Infusionen weitgehend ungefährlich. Aber so wie bei jedem anderen medizinischen Produkt können immer auch Nebenwirkungen, wie z. B. allergische Reaktionen oder Unverträglichkeiten, auftreten", erklärt Tanja Pisec-Weihen.
"Das Schlimmste, was bei nicht individuell zusammengestellten Infusionen passieren kann, ist, dass sie am Ziel vorbeigehen – also schlichtweg nicht den gewünschten Erfolg bringen, weil vorher kein Blutbefund gemacht wurde."
Für Dermatologin Kerstin Ortlechner kommen sogenannte Anti-Aging-Infusionen, die mit Vitamin C unter anderem die Kollagenproduktion ankurbeln sollen, für rein ästhetische Zwecke aktuell nicht infrage: "Sie können keinen Schaden anrichten, jedoch fehlt es mir derzeit an evidenzbasierten Daten, ob sie bei gesunden Menschen überhaupt so wirken, wie wir es uns wünschen.“
Viel wichtiger sei: "Gesunde Ernährung, nicht rauchen – und gute Hautpflege."
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