Mord und drohende Pleiten: Guccis steiniger Weg zum Glamour-Label
Bald kommt die Verfilmung des Mordes an Modehaus-Erbe Maurizio Gucci in die Kinos. Wie das Label trotz zahlreicher Tiefen zu einem der erfolgreichsten der Welt wurde.
Drei Kugeln in Arm, Schulter und Hüfte. Die vierte traf Maurizio Gucci in die rechte Schläfe. Mitten am helllichten Tag brach der berühmte Modehaus-Erbe im März 1995 tot vor seinem Mailänder Büro zusammen. Zwei Jahre lang ermittelte die Polizei erfolglos, bis ein Tipp einging: Maurizios Ex-Frau Patrizia Reggiani hatte den Mord in Auftrag gegeben, saß dafür schließlich 18 Jahre lang hinter Gittern. Sie habe ihn nicht gehasst, sagt sie heute: „Es war Ärger. Ich ging zum Wursthändler und fragte ihn, ob er jemanden kenne, der Leute umbringt.“
Eine Geschichte, die selbst Hollywood nicht besser hätte schreiben können – und deshalb jetzt verfilmt wird. „House of Gucci“ (österreichischer Kinostart: 27. November 2021) beleuchtet mit Adam Driver und Lady Gaga in den Hauptrollen die Vergangenheit des Traditionsunternehmens Gucci, welches heuer sein 100-jähriges Jubiläum feiert.
Diese ist so turbulent wie bei kaum einem anderen Modehaus. Drohende Pleiten und Familienstreitigkeiten gingen dem Mord als trauriger Höhepunkt voraus. Und auch nach Maurizios Tod durchlebte das Unternehmen noch zahlreiche Tiefen.
Beobachten und lernen
Dabei hatte alles ähnlich einem „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Märchen begonnen. Maurizios Großvater Guccio Gucci ging mit 17 Jahren nach London, um im Hotel Savoy als Liftboy zu arbeiten. Für den aus einfachen Verhältnissen stammenden Italiener eine Möglichkeit, die reiche Klientel aus nächster Nähe zu beobachten – und deren elegante und luxuriöse Koffer zu bewundern. Nachdem er nach Florenz zurückgekehrt war, eröffnete Guccio dort im Jahr 1921 sein erstes Geschäft mit Lederhandtaschen, Koffern sowie Sätteln und Reitaccessoires.
Mit dem Zweiten Weltkrieg kam zu finanziellen Problemen noch ein weiteres hinzu: Leder wurde zur Rarität. Guccio, dessen Söhne Aldo, Vasco und Rodolfo mittlerweile auch im Unternehmen arbeiteten, entschied sich in Ermangelung des Materials für zwei Alternativen. Er verarbeitete erstmals Canvas und fertigte aus Bambus widerstandsfähige Henkel. Beide Innovationen sind bis heute in den Kollektionen des italienischen Labels zu finden. Im Jahr 1953, nur 15 Tage nach der Eröffnung des ersten Gucci-Stores in New York, starb Guccio.
Erotik unter Tom Ford
Seinen drei Söhnen gelang es, das Unternehmen zu internationalem Erfolg zu führen. Elizabeth Taylor, Jackie Kennedy und Grace Kelly gehörten in den Sechzigerjahren zu den berühmtesten Kundinnen. Mit dem Ruhm gingen allerdings konstante Streitigkeiten unter den drei Brüdern einher. Als Rodolfo Gucci im Jahr 1983 starb, übernahm dessen Sohn Maurizio die Geschäfte – und führte das Unternehmen nahezu in den Bankrott.
Erst ein Investor und die Ernennung von Tom Ford zum Kreativdirektor im Jahr 1994 konnten Gucci aus der Krise helfen. Der US-Designer krempelte die Linie komplett um, setzte auf Glamour, Sex-Appeal und kontroverse Werbekampagnen, die unter anderem ein Model mit rasiertem „G“ im Intimbereich zeigten. Seine „Sex Sells“-Strategie ging auf: Guccis Verkaufszahlen schnellten in Rekordhöhen.
Interne Differenzen führten im Jahr 2004 zu Tom Fords Entscheidung, als Chefdesigner zurückzutreten. Seine Nachfolgerin Frida Giannini konnte an dessen Popularität nur begrenzt anknüpfen. Giannini setzte auf weniger Erotik, dafür schicke Jetset-Looks. Ein Konzept, das nicht nur Kritikern, sondern auch Kundinnen bald zu banal wurde.
Zukunftsfit dank Michele
Das Modehaus drohte unter ihrer kreativen Leitung in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, bis im Jahr 2005 ihrem Mitarbeiter Alessandro Michele die Position übertragen wurde. Er vollzog, was das leicht angestaubte Label wohl am Nötigsten hatte: eine Komplettumkehr. Gianninis dezente Kreationen sind Statement-Stücken gewichen, die optisch eine Reise durch vergangene Jahrzehnte sind. Geschlechtergrenzen bei Mode? Existieren für den Designer nicht.
Guccio Guccis Ideen haben noch immer ihren Platz in den Kollektionen. Alessandro Michele schreibt die Geschichte des Labels weiter – ganz ohne Skandale.
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