Jacke wie Hose: Die stille Macht der Merkel-Mode
„Man möchte ja keine Zumutung für sein Gegenüber sein. Ich überlege mir schon, was ich anziehe.“
Es ist einer der wenigen Sätze über Mode, zu denen sich Angela Merkel im Laufe ihrer Kanzlerinnenschaft hinreißen ließ. Sie wollte nie, dass ihr äußeres Erscheinungsbild die öffentliche Debatte beherrscht. Also legte sie sich recht früh ihre persönliche Uniform zurecht, die wenig Diskussionsstoff bot: schwarze Hosen mit weitem, geradem Bein sowie klassische Drei- oder Vierknopfblazer, die zuerst von der Münchner Modemacherin Anna von Griesheim und später von der Hamburger Designerin Bettina Schoenbach geschneidert wurden. Die genaue Anzahl bleibt ihr Geheimnis, mittlerweile dürfte die scheidende Regierungschefin mit ihrem Kostümfundus aber das komplette Farbspektrum abdecken.
Was ist das Geheimnis des Merkelschen Stils, für den Branchenkapazunder wie Karl Lagerfeld und Anna Wintour lobende Worte fanden?
„Sie hat dem Thema Styling genau das für ihre Rolle richtige Maß an Bedeutung gegeben“, sagt die deutsche Modeexpertin Silke Frink, die sich für ihr Buch „Der feminine Stil – Businessmode für Frauen“ mit dem Thema Mode und Macht beschäftigt hat. „Die Wertigkeit der Materialien, die Passgenauigkeit und die konsequente Schnörkellosigkeit repräsentieren Respekt und Demut vor dem Amt. Man hatte nie den Eindruck, dass sie von dem Wunsch beseelt ist, modisch gut anzukommen, wie es manch andere angestrengt versuchen.“
Powerdressing
Eine Fashionista war die ausgebildete Physikerin – anders als Stiletto-Fan Theresa May oder auch Österreichs Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein – nie. „Aber sie hat erkannt, wie essenziell es für die öffentliche Wahrnehmung ist. Besonders in der medialen Welt für eine Frau mit Machtanspruch“, analysiert Frink.
Das viel strapazierte „Powerdressing“ definierte Merkel auf ihre eigene Art, ohne den klassischen Herrenanzug zu imitieren oder auf das angestaubte Kostüm zurückzugreifen, wie Christine Bauer-Jelinek, Wirtschaftscoach und Autorin („Die helle und die dunkle Seite der Macht“), ausführt. „Aus meiner Sicht umfasst ihr Auftritt alle Aspekte, die notwendig sind, um neben den Männern in ihren Business-Anzügen nicht als Leichtgewicht wahrgenommen zu werden.“
Dazu zählt die Zweilagigkeit, also Blazer und „Kehlschutz“ in Form einer kurzen Kette, wenn Männer Krawatte tragen. „Um der Forderung nach mehr ‚Weiblichkeit‘ genüge zu tun, hat man sich bei den Blazern dann doch für Signalfarben entschieden. Jedoch ohne Muster oder jegliches Bling-Bling“, sagt Bauer-Jelinek.
Der deutsche Feuilleton arbeitete sich nur allzu gerne an der Farblehre der Merkel-Jacken ab, sie selbst gab in der Süddeutsche Zeitung eine pragmatische Erklärung: „Es gibt Anlässe, da muss ich dunkle Farben tragen; dann gibt es manchmal Hinweise, dass man vor einem weißen Hintergrund stehen wird, da muss es nicht der helle Blazer sein. Und manchmal habe ich spontan Lust, etwas leuchtend Farbiges anzuziehen.“
2008 hatte sie bei der Eröffnung der Osloer Oper Lust auf ein tief dekolletiertes Abendkleid und löste eine Debatte aus, mit der sich nach ihr noch viele Politikerinnen herumschlagen mussten: Wie viel Haut darf eine Regierungschefin zeigen? Merkel saß auch diese Aufregung aus.
Apropos Festgarderobe: In Bayreuth trug sie in zwei aufeinanderfolgenden Jahren dasselbe Kleid, lange, bevor Roben-Recycling en vogue war. „Sie hat Wiederholungen in der Garderobe im offiziellen Auftritt salonfähig gemacht“, sagt Frink. „Das ist in der Klimadiskussion ein wundervoller Beitrag zur Nachhaltigkeit.“
Und so wurde das einstige Mauerblümchen Angela Merkel am Ende doch noch das, was sie nie beabsichtigt hat: ein Modevorbild.
Kommentare