Das Schöne liegt nah: Die besten neuen Beautylabels aus Österreich
Die Großeltern konnten ihren Bauernhof nicht mehr weiterführen. Den familiengeführten Betrieb einfach so aufgeben wollten Julia und Matthias Wünscher aber nicht. Das Gelände in der steirischen 2.000-Seelen-Gemeinde Mortantsch, das bis vor wenigen Jahren als Viehbetrieb genutzt wurde, sollte eine nachhaltige Zukunft haben.
„Wir wollten den Hof unbedingt weiterführen, hatten aber zuerst keinen Plan, wie“, sagt Julia Wünscher. „Wichtig war uns, dass der größte Teil der Wertschöpfungskette vor Ort stattfindet. Einfach nur Mais anzubauen und dann mit dem Mähdrescher drüberzufahren, war aber keine Option. Im Lavendel haben wir hingegen viel Potenzial gesehen.“
Pandemie als Triebfeder
Dieser gedeiht nicht nur in der Provence hervorragend, sondern auch hierzulande. „So sind wir beim Thema Naturkosmetik gelandet“, erinnert sich Bruder Matthias. Im März 2020 wurden die ersten Pflänzchen eingesetzt, mittlerweile sind schon die ersten Produkte des eigenen Labels March Care erhältlich. Abgefüllt in minimalistischen Verpackungen, sollen Duschgel und Handseife das Image des Lavendels entstauben.
Julia und Matthias Wünscher sind nicht die einzigen Beauty-Quereinsteiger, die die Pandemie für ein Herzensprojekt genutzt haben. Auch die Wahlwiener Lukas Ebster und Mike Arens haben die plötzlich im Überschuss vorhandene Zeit genützt, um ein Nischenparfumlabel namens Love Me Hate Me zu gründen. Ihr Konzept: Die Düfte sollen unter anderem die Pheromonrezeptoren aktivieren können (siehe unten).
Aus der Not eine Tugend zu machen, hat ebenso Daniel Schwarzenberg geschafft. Der Beautysalon seiner Mutter musste monatelang geschlossen bleiben – die selbst kreierten, speziell auf die Pflege nach kosmetischen Behandlungen ausgerichteten Kosmetikprodukte unter dem Namen Unverfälscht blieben in den Regalen stehen. „Sie wurden jedoch so häufig angefragt, dass wir schließlich beschlossen haben, unsere Produktlinie neu aufzustellen und zu erweitern“, sagt Schwarzenberg.
Der Beautysalon seiner Mutter darf mittlerweile wieder Kundinnen empfangen. Der Beautybranche, in die Schwarzenberg durch die Krise eingetaucht ist, dürfte der IT-Experte jedoch vorerst treu bleiben.
Die neuen heimischen Beautylabels im Überblick
March Care: Nachhaltig anbauen und verpacken
Derzeit müssen Julia und Matthias Wünscher teilweise noch bei anderen Lavendelöl-Produzenten zukaufen, denn die von ihnen vor knapp über einem Jahr eingesetzten Lavendelpflänzchen bedürfen ein wenig Geduld. Bis aus den Blüten ein hochwertiges ätherisches Öl entstehen kann, müssen die Lippenblütler drei Jahre heranwachsen. Auf Nachhaltigkeit setzt das Geschwisterpaar aus der Steiermark aber schon jetzt: Die Fläche, auf der sie anbauen, erhielt eine Bio-Widmung. Die Handseife wird in einem so schönen Glas verkauft, dass dieses nach dem Aufbrauchen des Inhalts als Vase dienen kann. Das Duschgel wird in recyceltes Plastik abgefüllt. Die Marke namens March Care – benannt nach dem Gründungsmonat – ist nicht nur das Produkt der beiden: „Wir haben erst kürzlich an einem Wochenende 1.000 Pflanzen eingesetzt – unsere Familie und Freunde haben alle geholfen.“
Kami Skincare: SOS-Hilfe bei Hautproblemen
Wenn es um den Nachwuchs geht, kämpfen Mütter wie Löwinnen, so auch Kerstin Schallaböck. Weil ihr jüngster Sohn – von den drei Geschwistern Kami genannt – schon als Einjähriger unter extrem juckender Neurodermitis leidet, stößt die Firmenärztin eines österreichischen Kosmetikunternehmens auf eine Ölmischung. Das Mittel wirkt nicht nur bei ihrem Sorgenkind, sondern auch bei ihren Patienten. Mit ihrer Kami-Skincare will die Allgemeinmedizinerin mit Praxis in Wien nun Menschen zu einem besseren Hautgefühl verhelfen. Der Marken-Schwerpunkt liegt auf Gesichtspflege, gereizter Haut, wunden Babypopos und schmerzenden Gelenken. Bei ihren ausgewählten Produkten knüpft Schallaböck an die Traditionelle europäische Medizin (TEM) an, also an altes Wissen aus der Natur. Sie kombiniert reine Pflanzenöle, die Linol- und Linolensäuren, Vitamin A, E, D und B sowie Spurenelemente enthalten. Bei der Glas-Verpackung setzt Schallaböck auf Grün – die Lieblingsfarbe von Kami.
Less is More: Biozertifiziertes, handgefertigt in Wien
Beautyfans ist die Marke Less Is More schon länger ein Begriff: Im Jahr 2007 lancierten die Chemikerin und Aromatherapeutin Doris Brandhuber und der Friseur Hannes Trummer ihre ersten Produkte für die Haare. Das Konzept war für damalige Zeiten recht progressiv: Auf umstrittene Inhaltsstoffe wie Silikone, Sulfate, Erdölderivate und Konservierungsmittel wurde konsequent verzichtet, stattdessen ausschließlich auf pflanzliche Wirkstoffe für den Kopf gesetzt. Das Konzept „Weniger ist mehr“ ist heute weit über die Grenzen Österreichs hinaus erfolgreich. In den vergangenen Jahren arbeitete Brandhuber intensiv an der Erweiterung des Marken-Portfolios: Seit Kurzem sind die ersten Kosmetikprodukte auf dem Markt, die mit Inhaltsstoffen wie kalt gepressten Samenölen, Granatapfelenzym und Tonerde die Gesichtshaut in Balance halten sollen. Sämtliche Produkte sind nicht nur biozertifiziert, sondern auch vegan – und in Wien handgefertigt.
Hate Me Love Me: Parfum mit Anziehungskraft
Warum es nicht selbst einmal ausprobieren? Soziologe Mike Arens beschloss vor rund drei Jahren, seine Leidenschaft für Parfums nicht mehr nur mit den Kreationen anderer auszuleben. „Ich habe begonnen, mich intensiv mit Düften und deren Herstellung auseinanderzusetzen“, sagt der Wahlwiener. Im Zuge der Corona-Pandemie machten sein Partner Lukas Ebster, hauptberuflich in der IT-Branche tätig, und er dann Nägel mit Köpfen: Seit diesem Frühjahr sind die ersten vier Kreationen ihres Parfumslabels Hate Me Love Me erhältlich. Je zwei Damen- als auch Herrenkreationen. In Sachen Inhaltsstoffe konzentriert sich das Duo auf bekannte Klassiker wie Vanille. „In Krisenzeiten sind vor allem süße Düfte beliebt, weil sie an die Kindheit und somit meist schöne Zeiten erinnern“, weiß Soziologe Arens. Aber auch teils Ungewöhnliches findet sich in den minimalistisch-modernen Flakons: Duftstoffe, die die Pheromonrezeptoren aktivieren sollen.
Unverfälscht: Antioxidans-Power aus Kärnten
Seine Familie ist schon lange Teil der Beautywelt: Im ersten Wiener Gemeindebezirk betreibt Daniel Schwarzenbergs Mutter seit Jahren ein Kosmetikstudio. Ihn selbst zog es beruflich in die IT-Branche – bis die Coronapandemie den Schönheitssalon stilllegte. Nicht nur Behandlungen konnten nicht mehr angeboten werden, sondern auch die eigens kreierte Kosmetiklinie. „Die Nachfrage nach Pflegeprodukten war jedoch so groß, dass wir beschlossen haben, unsere Produktlinie neu aufzustellen“, sagt Schwarzenberg. Unter dem Namen Unverfälscht werden jetzt nicht mehr nur antiseptisch wirkende Formulierungen für die Nachbehandlung nach Beauty-Treatments angeboten, sondern auch Basics für die tägliche Routine. Star der Produktlinie, die in Kärnten produziert wird, ist der aus einer Grünalge gewonnene Wirkstoff Astaxanthin. Er gilt als eines der am stärksten wirkenden Antioxidantien und war bislang vor allem in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden.
La Rose: Fair produziertes Rosenwasser
Es ist nur ein einziges Produkt, das Yasmina Bouzid und Danielle Saffarnia gemeinsam auf den Markt gebracht haben – jedoch eines, in das die beiden in Wien lebenden jungen Frauen ihr ganzes Herzblut gesteckt haben. Bei ihrem Beautylabel La Rose ist der Name Programm: Hundert Prozent reinstes Rosenwasser, hergestellt aus marokkanischen Rosen befindet sich in den dunklen Glasfläschchen. Nachdem die Mitte-Zwanzigjährigen das Nebenprodukt aus der Herstellung von Rosenöl schon lange selbst benutzt, jedoch von keiner Marke restlos überzeugt gewesen waren, sind sie selbst unter die Beauty-Gründerinnen gegangen. Die beiden Studentinnen der Rechtswissenschaften sind stolz darauf, bei jedem Produktionsschritt auf Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen zu achten. Noch steht das Label ganz am Anfang, die Ziele sind laut Bouzid dennoch hoch gesteckt: „Wir wollen finanziell in der Lage sein, unsere Linie zu erweitern. Ideen gibt es genügend.“
Kommentare