Dagmar Millesi: "Frauen hatten in der Chirurgie nichts verloren"

Dagmar Millesi: "Frauen hatten in der Chirurgie nichts verloren"
Nach fast vier Jahrzehnten übergibt Schönheitschirurgin Dagmar Millesi ihre Ordination. Ein Gespräch über den steinigen Weg in den OP-Saal – und eitle Männer.

Beinahe zwei Jahrzehnte, nachdem sie bei Dagmar Millesi ihre ersten beruflichen Schritte gemacht hat, übernimmt Daniela Rieder die Ordination von ihrer Mentorin. Der KURIER traf die beiden renommierten Schönheitschirurginnen Ende Mai 2021.

KURIER: Vor 38 Jahren entschieden Sie sich für die Plastische Chirurgie. Eine für damalige Verhältnisse eher ungewöhnliche Berufswahl für eine Frau. Millesi: Ja. Es gab nur ganz wenige Frauen in meinem Bereich. Am AKH, wo ich in der Chirurgie angefangen habe, waren es gerade einmal sieben Prozent. Und davon haben es nur ganz wenige auch bis in den OP-Saal geschafft. Mein damaliger Chef hat zu mir gesagt, dass Frauen eigentlich nichts in der Chirurgie verloren haben.

Wie steht es heute um den Frauenanteil? Rieder: Es gibt Gott sei Dank mittlerweile zahlreiche Frauen, die es auf diesem Gebiet weit gebracht haben.

Millesi: Aber wenn ich auf internationale Kongresse fahre, sehe ich nach wie vor fast nur Männer. Auch unter den Vortragenden fehlt es mir an ausgeglichener Geschlechterverteilung.

Woran liegt es, dass Schönheitschirurginnen nach wie vor in der Minderheit sind? Millesi: Es ist ein familienfeindlicher, weil unberechenbarer Job. Man weiß nie, wie lange ein Eingriff dauert. Ich bewundere Daniela, dass sie Kinder bekommen hat – ich habe es zeitlich leider nicht geschafft.

Rieder: Ich habe wegen dem Job erst mit 40 mein erstes Kind bekommen. Und war zwei Wochen nach der Geburt wieder arbeiten. Organisiert zu sein, ist da sehr wichtig. Und meine Kollegin Jennifer Kager wird mit mir ab Herbst die Patientinnen und Patienten betreuen.

Wie haben sich deren Wünsche in den vergangenen Jahrzehnten verändert? Millesi: Vom natürlichen Ergebnis ging es ab den Neunzigerjahren sehr in Richtung große Brustimplantate. Jetzt wollen die Frauen wieder möglichst natürlich aussehen.

Rieder: Das beobachte ich auch. Viele Frauen lassen sich jetzt auch ihre Implantate rausnehmen, weil sie so starke Nacken- und Schulterschmerzen bekommen haben. Und die Verkleinerung der inneren Schamlippen wird häufiger durchgeführt, weil diese vielen Schmerzen im Alltag bereiten.

Hatte die Pandemie Auswirkungen auf die Nachfrage?

Millesi: Ich habe sehr viele Faceliftings seit Beginn der Pandemie gemacht. Ich glaube, weil die Menschen nicht wegfahren konnten.

Rieder: Ich hatte viele Patientinnen, die ihre proportional schmalen Oberlippen mit Fillern anpassen wollten, sich jedoch vorher nicht getraut haben. Durch die Maske gab es weniger Angst vor blauen Flecken und Schwellungen. Andererseits lag gerade wegen dem Mund-Nasen-Schutz der Fokus mehr auf der oberen Gesichtshälfte. Bei den einen die Schlupflider, bei den anderen die Zornesfalte. Viele haben lange darunter gelitten und Lockdown und Homeoffice genützt, um das zu ändern. Die Menschen hatten endlich Zeit und wollten etwas für sich tun.

Auch die Männer?

Millesi: Unter den Männern gibt es entweder jene, die sehr eitel sind – oder eben gar nicht. Erstere sind aber nach wie vor die Minderheit.

Wird die Schönheitschirurgie jemals den Wunsch nach ewiger Jugend erfüllen können?

Rieder: Ich habe das Gefühl, dass die meisten nicht darunter leiden, dass sie älter werden, sondern dass sie nicht mehr frisch und freundlich wie früher aussehen. Da geht es nicht darum, dank uns 20 Jahre jünger aussehen zu wollen – sondern schlichtweg so, wie man sich fühlt.

Frau Millesi, worauf freuen Sie sich im Ruhestand am meisten?

Millesi: (lacht) Nicht mehr unter Druck zu stehen. An der Alten Donau Boot zu fahren und wieder mehr Reisen zu machen. Ich fahre heute nach der Übergabe der Ordination sofort nach Italien.

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