Zeitumstellung: Die Krux mit der geschenkten Stunde
Wenn die vernachlässigte Küchenuhr endlich wieder richtig tickt, ist sie da – die Winterzeit. Der letzte Sonntag im Oktober zählt dann jedes Jahr ungewöhnliche 25 Stunden. Wer im Besitz eines analogen Zeitmessers ist, schiebt den Zeiger heuer am 31. Oktober – korrekterweise um 3 Uhr nachts – eine Stunde zurück. Auch bei Kirchenuhren und Radioweckern muss Hand angelegt werden. Das digitale Pendant auf Handy und Computer synchronisiert sich hingegen automatisch.
Ab jetzt wird es morgens früher hell, abends aber auch eher dämmrig. Chronobiologinnen und Schlafforscher können der Zeitumstellung wenig Gutes abgewinnen. Denn sie katapultiert den Körper in einen Mini-Jetlag – Schlafstörungen, Gereiztheit, Konzentrationsschwierigkeiten und Verdauungsprobleme inklusive.So sicher wie die Zeitumstellung selbst ist bei vielen auch das Rätselraten über die Richtung der Zeitverschiebung. Laut einer deutschen Umfrage würde jeder Vierte die Uhren intuitiv falsch umstellen. Gut, dass es Eselsbrücken gibt: Im Frühjahr wandern die Gartenmöbel vor das Haus. Im Winter holt man sie wieder hinters Haus. Und viele Vögel fliegen im Winter zurück in den Süden.
Unrunde Haustiere
Apropos Tiere: Auch die geraten aus dem Takt. Wenn sich die Gassirunde verzögert und das Futter eine Stunde später im Napf landet, wird selbst der entspannteste Vierbeiner unruhig. Das gilt auch für Nutz- und Wildtiere: Kühe geben rund eine Woche weniger Milch als üblich. Menschen machen sich später auf den Weg zur Arbeit, das kollidiert buchstäblich mit dem vom Tageslicht getriebenen Zeitempfinden der Wald- und Wiesenbewohner – das Unfallrisiko steigt.
In den USA hat die Zeitumstellung eine sonderbare Lobby: Anfang der Achtziger forderten Süßigkeitenhersteller, das Datum nach hinten zu verlegen. Mehr Tageshelligkeit würde das traditionelle Trick-or-Treating (verkleidete Kinder ziehen von Haus zu Haus und bitten um "Süßes oder Saures") und den Verkauf von Naschsachen ankurbeln. Seit 2007 findet die Umstellung dort am ersten Sonntag im November – also nach Halloween – statt.
Am Äquator wäre eine jährliche Zeitumstellung sinnlos. Die Tageslängen schwanken um den nullten Breitengrad im Jahresverlauf nur minimal. Und immerhin wurde der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit ursprünglich in vielen, vor allem westlichen Industrienationen aus Energiespargründen implementiert. Das gerät übrigends zusehends in Vergessenheit: In Österreich konnten bei einer Befragung rund 40 Prozent den Grund für die Einführung nennen.
Über Sinn und Unsinn der Zeitumstellung wurde in den vergangenen Jahren auch in der EU ausgiebig debattiert. Derzeit liegt das Projekt zur Abschaffung auf Eis. Es konnte keine Einigkeit erzielt werden, ob künftig überall immer Sommer- oder Winterzeit gelten soll.
Umbruch
Bei einer EU-Umfrage zur Abschaffung der Zeitumstellung beteiligten sich 2018 4,6 Millionen Menschen. Der Großteil stimmte dafür. Repräsentativ war die Befragung nicht. 68 Prozent der Stimmen stammten aus Deutschland.
75 Länder wechseln derzeit zwischen Sommer- und Winterzeit. Die wissenschaftliche Basis für die Zeitumstellung ist schwach. Vielerorts hat man sich von ihr verabschiedet, zuletzt im Südsee-Staat Samoa.
Prävention
Wer sich und seine innere Uhr wappnen will, kann in den Tagen vor der Zeitumstellung früher ins Bett gehen und Mahlzeiten früher einnehmen. In den Tagen danach helfen frische Luft und Sonnenlicht, um sich fitter zu fühlen.
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