Wieder da: Das Comeback der Achtziger Jahre
Sehen Sie ihr tief in die Augen. Sehen Sie das? Dieser ein wenig verträumte, skeptische Blick. Abwartend. Wie ein Raubtier, das in seinem Versteck stoisch seiner Chance harrt. Meine Zeit kommt noch, sagen diese Augen, wartet nur. Es sind die Augen der Achtziger und es sind die Augen von Madonna. Die Geschichte zum Foto: 1984, als das Bild in London aufgenommen wurde, wussten die meisten nicht recht etwas mit Madonna anzufangen. Der Fotograf wollte sie erst aus dem Studio schmeißen.
Ihre Entourage, – schon damals! – eine Bande von frechen New Yorkern, verhielt sich allzu dreist. 1984 jedenfalls, als jemand auf die Idee kam, die zukünftige Queen of Pop in einem Studio auf – was ist das eigentlich? – zu setzen, 1984 brach diese Zeit an: „Like a Virgin“ war ein Megahit, und Madonna duldete keinen Widerstand. Ein Superstar war geboren, und während Jackson, Bowie, Prince die Bühne des Lebens verlassen mussten, ist sie bis heute einer geblieben. Im Augenblick plant sie ein Biopic über ihre Leben. Regie wird sie selbst führen, das Drehbuch schreibt sie mit Oscar-Gewinnerin Diablo Cody, die Hauptrolle soll Julia Garner ("Ozark") spielen. Madonna ist die Haus- und Hofheilige dieses narzisstischen, gierigen, aber auch bunten, fröhlichen, mutigen und zutiefst trendigen Jahrzehnts. Und das ist aktuell wieder hochangesagt: von Kino über Mode bis zum Sound, wir zeigen es auf den folgenden Seiten – die 1980er Jahre sind zurück. Und damit seine Trends und Reliquien, sein Spirit und seine Phänomene und Geschichten.
Kalter Krieg, Neoliberalismus, Tschernobyl, Aids: Bewegte Zeiten waren das. Sehnsucht nach damals weckt das nicht. Doch auch die Popkultur zog tiefe Schneisen. Die werden im Rückspiegel oft mit Kopfschütteln betrachtet – war das einst wirklich euer Ernst? Doch größer wirkt die wohlwollende Sehnsucht nach den Meilensteinen, die dieses Jahrzehnt setzte. Filme wie „Dirty Dancing“ rührten uns, im Radio trällerte Nena „99 Luftballons“, im Fernsehen intrigierte J. R. in „Dallas“ und in „Miami Vice“ machte Don Johnson den Drei-Tage-Bart populär. Die Mode: schrill bis schräg.
Ein Jahrzehnt der Erneuerung
Markus Spiegel, Musikproduzent, Falco-Entdecker und KURIER-Autor, wundert das Comeback der Zeitspanne nicht – alles käme irgendwann wieder. Dennoch sei das Jahrzehnt besonders gewesen: „Die Achtzigerjahre“, so Spiegel, „waren ein Jahrzehnt der Erneuerung und des Aufbruchs – kulturell wie ästhetisch.“ Auf Nummer sicher zu setzen, war keine Option. Gefragt war, sich was zu trauen – gleich, ob in Musik, Mode oder Design. „Diese Zeit war bestimmt von der Sehnsucht nach Aufbruch, von unbändigem Ehrgeiz und vom Antrieb voranzukommen.“ Die Folge: im besten Falle innovative Höchstleistungen, die bis heute spürbar sind. Nicht ohne Grund erwähnt Spiegel die österreichische Band Bilderbuch; jene Musiker, die so erfolgreich aktuellen Sound mit Retro-Stilistik aufmöbeln – und dabei authentisch bleiben. Sich und sein Ego in Szene zu setzen, das war das Um und Auf in den Achtzigerjahren. Yuppies, Popper, Punks oder Vertreter von New Wave und New Romantic konkurrierten um die Vorherrschaft in der Jugendkultur. „Die Achtziger sind geprägt durch das langsame Zurückweichen der Hippie- und Alternativbewegung“, so Thomas Hecken, Experte für Popkultur. Die Lust am schönen Schein gewann an Bedeutung. Hip-Hop trat zu seinem Siegeszug an. Prince und Michael Jackson durchbrachen die Dominanz „weißer“ Rockmusik – genau wie Popbands wie Duran Duran oder Culture Club. „Und es gab ein nicht uninteressantes Nebeneinander von erneut forciertem Sexismus und queeren Formen.“
„Wetten, dass..?“ ist zurück
Durchstreifen wir lose die aktuellen Nachrichten. Zum ersten Mal wurden 2019 mehr Vinyl-Schallplatten als CDs verkauft, lesen wir da. Fürs TV wurde eine Rückkehr der Sitcom „Wer ist hier der Boss?“ angekündigt, aha. Sogar „Wetten, dass..?“ kommt wieder: Im Herbst 2021 wird Thomas Gottschalk die legendäre Samstagabendshow noch einmal moderieren, wer hätte das gedacht? Und ein Blick nach Hollywood lehrt uns: Auch Sylvester Stallone, der alte Achtziger-Titan, will sein Stück vom Revival: Er sitzt gerade im Schneideraum und stückelt „Rocky IV“ neu zusammen, seinen Blockbuster aus 1985 – für einen finalen „Director’s Cut“.
Wer mehr Hinweise auf das Comeback der Achtziger sucht, braucht nur auf die Straße zu gehen. Übergroße Blazer mit breiten Schultern, Schleife im Haar und hoch sitzende Jeans in heller Moon-Waschung: Ja, Frauen wollen heute wieder aussehen wie Brooke Shields – und sehen blendend aus dabei. Diametral dazu feiert der Hosenanzug sein Comeback, weiß die Vogue, ganz so, als liefe wie damals „Dynasty – Der Denver Clan“ im Wohnzimmerkino – Joan Collins lässt grüßen. Dazu passend im Trend: die Dauerwelle, die Hersteller von Haarspray jubilieren bereits. Big Hair, please!
Retro-Feeling zum Nachshoppen
Überhaupt gilt: Was sich bis vor Kurzem perfekt als Outfit für die Bad-Taste-Party eignete, taugt heute locker zum Vorzeige-Hipster in der Bobo-Bar. Von Leggings bis Oberlippenbart – was für die einen Nostalgie, lässt die Millennials und Generation Z gerade eine neue Welt entdecken. Die Nachfrage nach Retro-Produkten nimmt jedenfalls stetig zu: etwa nach Marken wie Ellesse und Champion, oder Michael Jordans Kultschuh Air Jordan, der 1984 den Grundstein des heutigen Sneaker-Hypes legte – das für Oktober angekündigte neue Modell sorgt bei Fans bereits für Schnappatmung. Styles, Marken, Ikonen: Kultisch gehuldigt wird all dem mit hoher Frequenz in den sozialen Medien – und befördert die Achtziger verstärkt zurück ins kollektive Bewusstsein. Wer sich an die Achtziger erinnern kann, war nicht dabei – wie Falco einst sagte? Keine Chance.
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