"Wie Netflix, nur für Pornografie": Jetzt kommen die Intimfluencer
Yma Louisa Nowak arbeitet, wie viele Frauen in ihrem Alter, als Influencerin. Allerdings hält sie weder Lipgloss noch Diätpulver in die Handykamera, sondern ihren Körper. „Curvy Model und Content Creator“ steht in ihrer Signatur – die 22-jährige Berlinerin verkörpert eine neue Gruppe von Internet-Stars, die Der Spiegel jüngst als „Intimfluencer“ titulierte: Sie verdient ihr Geld damit, freizügige Fotos und Videos von sich ins Netz zu stellen. Ihren Kritikern nimmt sie den Wind aus den Segeln: „Es ist eine viel selbstbestimmtere Form von Pornografie.“
Möglich macht das die Social-Media-Plattform „OnlyFans“: Gegründet 2016 in London, hat sie die Sexarbeit laut einem Bericht der New York Times „für immer verändert“. Nutzer wie Yma teilen selbst produzierte Inhalte – meist erotische Fotos und Videos – mit ihren Abonnenten („Fans“) und erhalten dafür einen monatlichen Fixbetrag, dessen Höhe sie selbst bestimmen. „Wie Netflix, nur für pornografische Inhalte“, erklärt Nowak. Laut eigenen Angaben hat die Bezahl-Plattform 20 Millionen User und verzeichnete im Lockdown-Monat April ein Abo-Wachstum von 50 Prozent.
Instagram-Zensur
Im Gespräch wirkt die Berlinerin mit dem peruanischen Vornamen freundlich, klug und reflektiert. Ihre Abonnenten sind hauptsächlich männlich, zwischen 20 und 35 und gut situiert. Aktuell zahlen sie ab sechs Euro monatlich, um Yma nackt oder in Dessous zu sehen. Bei ihren Bildern legt sie viel wert auf Ästhetik, der Umgang mit den Fans sei respektvoll.
„Anfangs ging es mir nicht um Geld. Ich habe gemerkt, dass meine Erotikfotos gut ankommen, und wollte eine Plattform, auf der ich mich zeigen kann, wie ich will.“ Als Instagram ihre Fotos zensierte, machte sie eine Freundin auf OnlyFans aufmerksam. Heute kann Yma „gut davon leben“, ihre Eltern würden sie nach anfänglicher Skepsis unterstützen. „Es ist eine Dienstleistung wie jede andere. Man muss Marketing betreiben und Leistungen bringen. Für mich und mein Umfeld ist es ein normaler Job.“ Yma ist seit Jänner auf der Plattform aktiv und hat an die 220 Fans. Der Business Insider veröffentlichte jüngst ein Interview mit Monica Huldt, einem der Stars auf OnlyFans: Sie verdient mit ihrem Content nach eigenen Angaben mehr als 100.000 Dollar im Jahr.
Die Plattform OnlyFans scheint auch in Österreich Fahrt aufzunehmen. „Ich habe einige Klienten, die das nutzen, aktiv wie passiv“, berichtet die Tiroler Sexualpsychologin und -therapeutin Daniela Renn aus ihrer Praxis (www.psypraxis.org). Junge Frauen und Männer würden darin eine leichte Möglichkeit sehen, Geld zu verdienen – „doch der Konkurrenzkampf untereinander ist groß“, beobachtet Renn, schließlich gilt: Wer mehr Fans und den im Moment angesagten Körper hat, verdient auch mehr.
Den Erfolg der neuen Plattform führt Renn auf den Zeitgeist zurück. „YouPorn und andere Plattformen, die pornografische Inhalte zur Verfügung stellen, haben sich großteils abgenutzt. Influencer*innen sind schon lange auf den unterschiedlichen Plattformen tonangebend, jetzt auch im Erotikbereich.“
Eine Gefahr bestehe darin, dass zwischen Nutzer und Model zu viel falsche Nähe entstehe. „Es wird kaum noch zwischen der Welt im Computer und der außerhalb unterschieden. Das Phänomen gab es schon bei den anderen Influencern, jetzt fallen auch noch die Hüllen und es wird der ganze Körper geteilt. Das kann auf beiden Seiten zu Problemen führen.“
Kampf dem Klischee
Klassische Pornografie ist seit jeher ein männliches Terrain, was dazu führt, dass sich darin hauptsächlich männlich geprägte Vorlieben spiegeln. Vor einigen Jahren hat sich mit dem feministischen Porno ein eigenes Genre etabliert, Regisseurinnen wie die schwedische Erotikpionierin Erika Lust drehen Filme aus weiblicher Perspektive.
OnlyFans geht noch einen Schritt weiter in Richtung Selbstbestimmung, findet Nowak. „In der klassischen Pornografie setzt die Darstellerin um, was der Mann sagt. Bei OnlyFans bist du als Frau alleine verantwortlich. Ich zeige mich, weil es mir gefällt und nicht, weil ich anderen gefallen möchte. Kein Mann sagt mir, dass ich mich ausziehen soll.“ Die Bewegung würde pornografische Stereotype hinterfragen: So gebe es etwa bei YouPorn die Kategorie „Bizarr“, zu der Sex mit dicken Frauen zähle. Ein falsches Signal, findet die 22-Jährige: „Ich bin selbst übergewichtig und finde das nicht bizarr.“
Negative Erfahrungen halten sich bis jetzt in Grenzen. Ein „Fan“ dachte irrtümlich, Yma sei seine Freundin. Ein anderer wurde zu fordernd und dominant. Nowak reagierte umgehend: „Beide habe ich sofort blockiert.“
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