Wie gemalt: So gut ist die Kunst der Stars
Zuallererst meldet sich vielleicht der Spott. Der schwingt immer leise mit: Das Publikum rümpft erstmal die Nase. Ein Muskelprotz, der malen kann? Ha! Ein Nobelpreisträger, der – ganz Universalgenie – nun auch noch mit seinen Gemälden bei uns Eindruck schinden will? Das schauen wir uns an. Die Kunstszene setzt ein mildes, abwertendes Lächeln auf – wenn überhaupt. Am Ende gewinnt die Neugier: Ja, wir wollen das sehen.
Stars machen Kunst.
Und findige Museumsdirektoren und originelle Kunsthistoriker arrangieren Ausstellungen. Was es für das Publikum so interessant macht, die Gemälde von Bob Dylan oder Jim Carrey auszuspähen? Zunächst einmal die spannungsgeladene Erwartung, die spekulative Aussicht auf die Diskrepanz zwischen Star-Persona und dem vermeintlich echten Menschen.
Endlich einen Blick hinter den Vorhang werfen, auf das wahre Ich des Bewunderten, fern des Blitzlichtgewitters. Einen Einblick erlangen, vielleicht eine Einsicht, legitimiert durch die Beschäftigung mit Kunstgenuss: Das lässt sich ohne Bedenken auf Partys gut erzählen, ohne Sozialprestige zu verlieren – und befriedigt dennoch das ureigene Verlangen nach Klatsch und Tratsch.
Zwischen Therapie und Museum
Die Stars selbst verbuchen ihre Pinselschwünge ebenfalls als Gewinn. Ist, wem Talent in die Wiege gelegt wird, nicht alles erlaubt? Schauspieler sind Musiker. Musiker sind Schauspieler. Der Schritt zum Maler ist da für viele ein kleiner. Statthaft: ist alles. Auf ihr originales Metier allein lassen sie sich ungern eingrenzen. Selbst wenn die Prominenten von renommierten Kunstkritikern (wie im Guardian) für ihre Ergüsse heftig abgewatscht werden, der Applaus in Talkshows ist ihnen dennoch sicher. Das schmeichelt dem meist kolossalen Selbstbewusstsein der gewohnt Erfolgsverwöhnten. Zudem lockt eine Vermehrung des Ruhms, ein immer gern gesehener Vorzug.
Nichtsdestotrotz klingen die Gründe, warum Prominente malen, oft unterschiedlich. Bob Dylan, Großmeister und Grantscherben, etwa malt, „um mich zu entspannen und meinen unruhigen Geist zu fokussieren.“ Jim Carrey wiederum nützt es als Therapie, um schwere Schicksalsschläge zu verwinden. Nicht selten landen die Werke der Stars dennoch in Museen – Sylvester Stallone etwa stellte in Nizza und Sankt Petersburg aus. Dem Vorwurf, die Sache mit der Kunst sei womöglich Pose, stemmt sich Anthony Hopkins dabei sympathisch entgegen: Beweisen müsse er sich nichts, meint er. Die Kunst hat ihn aber offenbar seinem inneren Kind nähergebracht. „Früher nahm ich mich selbst so ernst – das tue ich heute nicht mehr.“
DIE KUNST DER STARS - von Bob Dylan bis Marilyn Manson
Pierce Brosnan
Die Walther PPK hat er mit dem Pinsel getauscht: James Bond malt. Kreativ war er immer, als Junger studierte er Werbeillustration. Seit 20 Jahren malt er – mit Öl und Acryl, bunt und lebensfroh; Dreidimensionalität ist nicht so seins. Sein Bob Dylan-Porträt wurde bei einem Wohltätigkeitsevent für 1,2 Millionen Euro versteigert.
Bob Dylan
Amerika, das weite Land. Endlose Straßen. Alltagsszenen. Das Spiritousengeschäft an der Ecke. Gangster, Huren, Politiker. All das setzt der Nobelpreisträger in poetische Zeichnungen, Aquarelle und Goache-Bilder um. Ein Vorbild dürfte Matisse sein, auch an Munch gemahnt manches. Auch skulptural ist er tätig: Aus altem Eisen schweißt der Meister Gartenpforten.
Jim Carrey
Schreiend komisch und doch ein trauriger Clown: So kennt die Welt den Grimassenkönig. Carrey ist aber auch „von der Malerei besessen.“ Vor allem seine Cartoons erregen Aufsehen: Schonungslos nimmt er mit Vorliebe Donald Trump ins Visier, kritisiert Kriegsverbrechen und politische Missstände in den USA. „Malen befreit mich – von der Zukunft, von der Vergangenheit, von Reue, von Sorgen.“
Lucy Liu
In „Charlie’s Angels“ und „Kill Bill“ gab sie es schlagkräftig. Als Künstlerin ist sie vielseitig: Sie fertigt Akte und Liebesszenen in Öl ebenso wie abstrakte Werke. Vergangenes Jahr stellte ein Museum in Singapur ihre Arbeiten aus. Darunter auch Skulpturen, für die sie Straßenmüll in Büchern fixierte.
Anthony Hopkins
Der Kino-Kannibale aus „Das Schweigen der Lämmer“ ist kein Kunsttheoretiker. „Ich denke nicht, dass irgendeine Bedeutung darin liegt“, sagt er über seine Bilder: „Ich male einfach drauflos, ich analysiere nicht.“ Purer Instinkt sei seine angstbefreite Arbeitsweise. Ergebnis: kraftvolle Landschaften in Öl und Acryl ebenso wie wild verzierte Gesichter. Hopkins Frau Stella hat ihn ermutigt zu malen.
Paris Hilton
Es war gelinde gesagt eine Überraschung: Bei einer Tour durch ihr Haus via YouTube zeigte sie Sehern ihr Atelier. Hier produziert das It-Girl der Nullerjahre („That’s hot!“) Pop-Art-Collagen, etwa mit Emojis (siehe oben) oder ihren „Lieblingstotenköpfen.“ Das passt zu Hiltons Imagewechsel, weg vom dummen Blondchen. Gemälde als Selfies der anderen Art? Vielleicht.
Sylvester Stallone
Breiter Pinselstrich, grelle Farben. Pure Expressivität, großformatig in Öl manifestiert: Wie „Rocky“ im Ring strotzen Stallones Gemälde vor Selbstbewusstsein. „Kunst ist meine eigentliche Leidenschaft“, so Stallone, nicht selten setzt er sich selbst ins Bild. „Rocky“ nahm zuerst als Gemälde Gestalt an. Erst danach entstand das Drehbuch. „Wenn mir die Worte fehlen, um auszudrücken, was mich bewegt, male ich.“
Marilyn Manson
Der Höllenfürst der Rockmusik ist ein begabter Maler. Dass der Mann kaum Blümchenwiesen und Bergidyllen malen wird, musste vermutet werden. Kunstfertig setzt er entstellte Embryos und Mordopfer schaurig in Szene, Verstörung und Provokation sind auch als Aquarell sein Programm. Seine Vorliebe für Pastellfarben erklärt er so: „Das Schreckliche macht sich gut mit scheinbar naiven Farben.“ Der drastische Schreck verharmlost dadurch nicht, sondern vervielfacht sich. Als Vorbilder nennt der Schockrocker Matthew Barney und Salvador Dali. Gezeigt wurden seine Werke auch in der Kunsthalle Wien. „Kunst zu machen ist die größtmögliche Annäherung des Menschen an Spiritualität“, so Manson.
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