Starfotograf Greg Gorman: Warum er Michael Jackson eine Vogelspinne aufs Gesicht setzte
Von Elizabeth Taylor bis Leonardo DiCaprio: Greg Gorman ist der Fotograf der Stars. Hier verrät er die aufregenden Erlebnisse hinter seinen ikonischen Bildern.
Die Diva aller Diven hielt Einzug am Set. 15 Minuten, ließ sie den Fotografen wissen, habe er Zeit, sein Bild zu machen, keine Minute mehr. Fein, gab der wenig beeindruckt zurück. Das seien ohnedies zehn mehr, als er benötige. Sie lächelte. Sie sehe schon, sagte sie, sie beide würden gut miteinander klarkommen. Die Diva war Elizabeth Taylor, der Fotograf Greg Gorman. Wieder hatte er es geschafft: den Star für sich gewonnen, die Atmosphäre aufgelockert, auf Augenhöhe kommuniziert. Das war mit der Taylor so, das war auch mit anderen Megastars so, mit Michael Jackson, Al Pacino, Marlon Brando. Kapazunder, die permanent am hochexplosiven Limit der Hypersensibilität kratzen. Und es nicht selten überschreiten.
„Sie hatte einen guten Sinn für Humor“, sagt Gorman über die Taylor, „wir haben uns gut verstanden“. Anlässlich ihres Films „Süßer Vogel Jugend“ inszenierte er sie am Schminktisch vor einem Spiegelkabinett, mit turmhoch auftoupierten Haaren und hinter einer dicken Make-up-Schicht, mit stechendem Blick, die eigene, verflossene Jugend als unsichtbarer Gast im Raum – ein Bild, wie rausgerissen aus einem Fegefeuer der Eitelkeiten. Und zu sehen in seinem neuen Buch „It’s Not About Me“, einer Werkschau seiner besten Porträts aus 50 Jahren Arbeit. „Man darf nicht nur die Oberfläche eines Menschen fotografieren“, erklärt Gorman, „man muss sie durchbrechen, um an seinen Kern zu gelangen“. Notfalls auch in zehn Minuten.
Michael Jackson und die Vogelspinne
Greg Gorman gelingt diese Gratwanderung, indem er als ein Verbündeter der Stars auftritt. Sophia Loren nahm er auf ihre Bitte etwa eine Perücke aus Los Angeles mit. Noch heute ist er begeistert von der „großen Klasse“ der Filmdiva. Zum Shooting in Rom fuhr sie selbst mit dem Auto. Ohne Entourage, einzig mit ihrer Schwester. Ebenfalls unüblich: Die Loren nahm sich den ganzen Tag Zeit. Und amüsierte Gorman beim Pasta-Essen mit wunderbaren Anekdoten. „Ein Tag, den ich nie vergessen werde“, so Gorman.
Immer wieder hat er die Stars im Laufe seiner 50-jährigen Karriere in die Ideenfindung einbezogen. So auch Michael Jackson. Vor dem eigentlichen Fotoshooting telefonierten die beiden stundenlang. Schließlich erzählte der „King of Pop“ Gorman von dem exotischen Haustier, das er gerade halte – eine Vogelspinne. Die pelzigen Tiere mit den vielen Beinchen häuten sich regelmäßig, um zu wachsen, entschlüpfen sie ihrem Panzer. Und schon war sie da, die Idee: Für die Aufnahme platzierte er die riesige Tarantel-Hülle direkt auf Jacksons zartem Gesichtchen – bis heute ein persönliches Lieblingsbild von Gorman.
Sophia Loren: Sie kam ohne Entourage, nur mit ihrer Schwester, fuhr mit dem eigenen Auto zum Fotoshooting.
Hendrix, Bowie, Warhol
Ja, es hat sich ausgezahlt für ihn damals, sich die alte Pentax-Kamera von seinem Kumpel auszuborgen. Man schrieb das Jahr 1968, und Gorman wollte Jimi Hendrix im Konzert fotografieren. Als sie am nächsten Morgen die Bilder im zur Dunkelkammer umkonzipierten Keller entwickelten und er sah, wie sich die Macht des Moments auf weißem Papier manifestiere, wusste er: das ist es. Die Hendrix-Fotos waren zwar etwas unscharf geworden – „Ich hatte in jener Nacht ein bisschen zu viel Dope geraucht, das war in der Hippie-Ära eben so“ –, aber Gorman hatte Blut geleckt: Er schrieb sich für ein Fotojournalismus-Studium an der Universität Kansas ein und anschließend für ein Filmstudium in Kalifornien. Nur um letztlich für 35 Dollar pro Nase Porträts für Jungschauspieler anzufertigen und sich mit Hilfsarbeiten durchzuschlagen.
Nach einem Shooting mit David Bowie wendete sich schließlich das Blatt: Musiker wie Frank Zappa, Iggy Pop und Barbra Streisand wollen sich von ihm fotografieren lassen, er macht Promo-Aufnahmen für Filme wie „Scarface“, landet Jobs bei Andy Warhols legendärem Interview Magazine und darf den Meister für eine Werbung in Szene setzen. Stationen, die Gormans Stil unverwechselbar werden lassen: die gekonnte Wechselwirkung von Licht und Schatten, die ikonische Porträts hervorbrachte – geheimnisvoll und oft voller Sehnsucht. Detailliert zurechtfrisierte Legenden, skulpturale Glamour-Plastiken, bei denen jede Gesichts- wie Hosenfalte sitzt, voll souveräner Sinnlichkeit. „Die meisten Fotos damals wirkten überbelichtet und sahen wie austauschbare Briefmarken aus“, so Gorman. „Ich begann zu realisieren: Dass es nicht wichtig ist, was du in den Glanzlichtern zeigst, sondern was die Schatten verbergen. Das war, was alle neugierig machte.“
DiCaprio und Cruise als blutjunge Newcomer
Und so wurde Greg Gorman – in einer Zeit der analogen Fotografie, lange vor Social Media – zu einem der Auserwählten, die Zugang zum Olymp der Popkultur hatten: Hollywood. Ähnlich wie Herb Ritts oder Annie Leibovitz arbeitete er am Zenit der Glamourfotografie. Viele Stars wurden zu Freunden. Und viele landeten in jungen Jahren vor Gormans Kamera. Mark Wahlberg etwa, als er noch als rappender Marky Mark geläufig war. Oder Tom Cruise, der mit 21 gerade den Film „Lockere Geschäfte“ abgedreht hatte. Mit ihm spazierte Gorman für ein Foto für das Interview Magazine entspannt am Santa Monica Boulevard entlang, auf den Auslöser drückte er in einem öffentlichen Park: „Niemand kam und belästigte ihn, niemand wusste, wer er war und keinen hat’s gekümmert – heute unvorstellbar.“ Auch Leonardo DiCaprio war blutjung, als Gorman ihn das erste Mal traf – 21 Jahre alt. „Eines der außergewöhnlichsten Motive, die ich je vor der Kamera hatte“, so Gorman. Warum? „Die meisten Promis können es nicht leiden, still zu sitzen und für ein Foto zu posieren. Sie heben sich ihren Spieltrieb lieber für einen Film auf. Leo ist da anders: Er ist einer der wenigen, die vor der Kamera mit einem spielen – und es genießen.“
Spielen, das war auch das Stichwort für Antonio Banderas. „Let’s go out und play!“ – so lautete Gormans zackige Ansage an den heißblütigen Spanier, als es zum Shooting kam. Doch der Auftrag, ein Kinoplakat für den Disney-Konzern zu fotografieren, langweilte die beiden. Gorman schlug vor, den Brotjob zu erledigen, „und dann nichts wie raus aus den Anzügen und aufs Dach meines Hauses – für Fotos, die echten Spaß machen!“ Das Ergebnis: ungemein intensive Momentaufnahmen ungezügelter Lebenslust. Dass die Zeiten, als spontane künstlerische Kasperliaden wie diese möglich waren, passé sind, bedauert Greg Gorman. Eine Armada an PR-Managern schirmt die Stars rigide ab. Heute steckt Gorman seine Energie lieber in Workshops, lehrt junge Fotografen sein Wissen – als ein Meister von Licht und Schatten.
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