Ich fand es damals schon unfassbar, dass diese Frau es wagt, einem Juden, der aus Berlin vertrieben wurde, Faschismus vorzuwerfen. Diese Bilder haben mit Faschismus nichts zu tun. Dass Newtons Ästhetik von der Nazi-Zeit entscheidend geprägt war, steht auf einem anderen Blatt. Das hat er nie abgestritten. Schwarzer meinte natürlich den Faschismus gegenüber Frauen. Aber auch das war das Letzte, was er wollte. Denn er wollte uns in fast allen seinen Bildern eigentlich nur zeigen, wie stark Frauen sind. Die Posen zeigen es. Aber er spielt natürlich auch mit Männerängsten- und lüsten.
Macht hatte große Anziehungskraft für Newton, richtig?
Absolut. Egal ob politische, finanzielle oder sexuelle Macht. Das zeigen seine Frauenfotos, aber auch die wunderbaren Porträts von Helmut Kohl, Margaret Thatcher, Gianni Agnelli, Aga Khan oder Liz Taylor. Die Macht, die Menschen über andere Menschen haben können, hat ihn fasziniert.
Er lebte in Hollywood und Monte Carlo, hatte Zugang zu dieser Welt.
Diese große Glamourwelt, daran hat er eigentlich immer nur genippt. Das fand er amüsant und interessant – aber wollte nie dazugehören. Er wollte zu nichts gehören. Und das hat ihn mir wirklich sympathisch gemacht. Er war völlig frei in allem, was er tat und dachte. Das hatte er mit seinem engen Freund Karl Lagerfeld gemeinsam. Auch der wollte zu nichts dazugehören.
Es hätte Newton die Kindlichkeit genommen, die ihm zuteil war.
Und das wollte er nicht verlieren, er wusste, wie wichtig das ist. Er war bis zum Schluss verspielt wie ein Junge. Auch seine Aufmerksamkeitsspanne war ganz gering. Wenn ihn irgendwas gelangweilt hat, ist er sofort gegangen.
Glauben Sie, seine Fokussierung auf dominante, starke Frauen erklärt sich mit einem Gefühl der Unterlegenheit?
Ich kann mir vorstellen, dass er sich Frauen manchmal wirklich unterlegen fühlte und ihnen gegenüber sogar gewisse Minderwertigkeitskomplexe hatte. Wenn der Begriff Unterwerfung fällt, gemünzt auf die Frauen, die er fotografiert hat, ist das ein Missverständnis. Es war alles andere als das. Auch im Film sagen alle befragten Frauen, er habe sie durch seine Fotos stärker gemacht und ihnen Kraft verliehen. Newton hat Frauen stets bewundert. Er fand sie eigentlich immer klüger und interessanter als Männer.
Newtons Frau war von großer Bedeutung für sein Leben. Wie sehen Sie ihre Rolle?
Ohne June lief gar nichts. Ohne sie hätte es diese Karriere nicht gegeben. Und Newton wäre nicht so ausgeglichen und fröhlich gewesen. Sie gab ihm Struktur und hat ihm vieles leichter gemacht – zwischen den beiden gab es eine unglaubliche Symbiose.
ZUM FILM:
Gero von Boehms Doku „Helmut Newton – The Bad and The Beautiful“ beleuchtet das Werk des Fotografen und lässt ausschließlich Frauen über ihn zu Wort kommen, etwa Isabella Rossellini, Claudia Schiffer, Grace Jones und Anna Wintour. Aktuell im Kino.
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