Erst das Virus, das die Menschen binnen weniger Tage voneinander trennte, und dann der Abschied von ihrem Karli – das 20er-Jahr hatte es in sich. Und doch war es für Christine Schaaf nicht nur ein trauriges Jahr.
Die 67-Jährige kann sich daheim still beschäftigen, lernt via Zoom Italienisch, beteiligt sich ebenso online an einem Feldenkrais-Kurs, malt, strickt, näht, häkelt, bäckt Kekse, telefoniert mit Freundinnen und Familie, dekoriert ihre Wohnung, spricht mit ihrem Karli und hat für ein Buch von Senioren für Senioren (Titel: „Wie wir Oldies wischen“) einen klugen Beitrag verfasst.
Man nimmt es Christine Schaaf ab, wenn sie erklärt: „Mir ist die Decke nie auf den Kopf gefallen.“ Wenn es doch einmal eng wird, dann radelt sie zur Donauinsel und paddelt eine Runde auf ihrem Stand-up-Board.
Sie wurde im Plaudernetz der Caritas aufgefangen
Inzwischen hat sie sich mit Covid-19 abgefunden. Inzwischen kann sie anderen Menschen, die sich einsam fühlen, ihr Ohr leihen. Das Corona-Jahr hat sie dennoch intensiv gefordert, gibt Dietlinde Flatscher zu. Die bald 72-jährige Steirerin sitzt in ihrem geräumigen Wohnzimmer in der Nähe des Schönbrunner Schlossparks, umschmeichelt von ihren beiden Katzen, die nach dem ersten Lockdown dabei waren, als ihre vertraute Mitbewohnerin körperlich und auch seelisch abzusacken drohte. „Das war schrecklich“, erzählt Dietlinde Flatscher. „Ich bin hier alleine in meinem Wohnzimmer gesessen. Und die Erinnerungen an die Armut der Nachkriegszeit sind in mir hochgestiegen.“
Die Tochter einer Volksschullehrerin im oststeirischen Ort St. Ruprecht an der Raab erinnerte sich unweigerlich an die Besatzungszeit. Und plötzlich waren sie wieder da: die Würmer im Erbsenpulver und dazu der pelzige Geschmack des Milchpulvers aus dem Care-Paket. Der 2020-Kalender dokumentiert ihren „Corona-Schock“ beklemmend: Noch in den Wochen vor Corona hat sie jede Probe des Gospelchors notiert, jeden Sport- und Kulturtermin. Und dann? Vier Wochen fast nur leere Seiten.
„Ich war zu nichts mehr fähig“, gibt die ehemalige Volksschullehrerin, Büroangestellte und Inhaberin eines Wollgeschäfts zu. Nicht einmal in den Supermarkt traute sie sich: „Die anklagenden Blicke der Jüngeren haben mich ins Herz getroffen.“ Dank einer lieben Freundin und dem Plaudernetz der Caritas fand die Einsame wieder ins Leben zurück. Und wie! „Seit Oktober rufe ich nicht mehr an, ich lasse mich anrufen, um anderen Menschen zu helfen. Das tut gut.“
Sie genießt Garten und Wohnzimmer-Gottesdienst
Gertraud Nowak ist seit 25 Jahren verwitwet und lebt seitdem alleine in ihrem Haus in Senftenberg bei Krems. Alleinsein ist sie gewöhnt, aber dass sie ihre Enkel und Urenkel so lang nicht sehen kann, schmerzt. „Das letzte Mal haben wir uns im August im Garten gesehen. Sie gehen mir sehr ab“, erzählt die 84-Jährige. Noch dazu, wo bald das dritte Urenkerl zur Welt kommen soll. „Wir stehen alle in intensivem telefonischen Kontakt.“
Die Maßnahmen fand sie trotzdem vom ersten Tag an sinnvoll, auch das Impfenlassen war für sie „selbstverständlich“. Für das Wohl der Gemeinschaft müsse man manchmal eben zurückstecken, sagt die pensionierte Volksschullehrerin – als Kriegskind habe sie viel Schlimmeres erlebt. „Wenn die Flieger gekommen sind, mussten wir aus der Schule raus und haben uns in einem Zugtunnel in Nischen gedrückt. Man kann die Situation mit damals nicht vergleichen. Man lebt ja gut weiter, hat keinen Hunger, kann in den Wald gehen.“
Oder in den Garten, den die siebenfache Oma liebevoll hegt und pflegt und der ihr gerade im Frühling viel Kraft gibt. „Ich habe aber auch wieder mehr gelesen, das ganze Haus durchforstet und beim Fitnessprogramm im Fernsehen mitgeturnt.“ Glaube spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle. Er hilft ihr auch jetzt durch die Pandemie. Die Pfarrreferentin des Katholischen Familienverbandes NÖ durfte als eine der wenigen am Gottesdienst teilnehmen. „Als die Kirchen zu waren, habe ich mir Messen im Fernsehen angeschaut. Das war gut gemacht, aber man vermisst die Kommunion, das Singen und die sozialen Kontakte.“
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