Der Wiener, der das Faltrad neu erfand
Von der Werkstatt im sechsten zum Shop im fünften Wiener Gemeindebezirk fährt er mit seinem Radl. In weniger als fünf Minuten. Und ja, es ist SEIN Radl! Denn Valentin Vodev hat das VELLO selbst erdacht und auch gebaut.
Der Industriedesigner hat damit das Faltrad (fast) neu erfunden. Er sagt es so: „Der Faltmechanismus ist wirklich ausgereift, mit dem Packmaß muss ich mich vor den international bekannten Marken nicht verstecken, vor allem aber fährt sich mein Rad dank der 20-Zoll-Laufräder und des sehr stabilen Doppelrahmens in der Stadt und auf Reisen sehr gut.“
Rein privat
Eigentlich wollte Valentin Vodev nach Abschluss seines Studiums am Royal College of Art in London zwei Wochen lang Kuba bereisen, „dabei Spaß haben“ und danach nach Wien zurückkehren. „Mein Ziel war es damals, in den zwei Wochen möglichst viel vom Land und von den Leuten zu sehen. Es war schnell klar, dass das nur kombiniert mit Rad und Bus zu schaffen ist.“
Andere Reisende schauen sich bei so einer Gemengelage um, welche leicht verstaubaren Fahrräder der Markt bietet. Nicht so Valentin Vodev, der sich schon während seines Studiums auf der Angewandten in Wien und dann in London mit dem Thema Zweirad intensiv auseinandergesetzt hat und auch den genialen Faltraddesigner Alex Moulton vor dessen Tod kennenlernen durfte. Vodev lächelt: „Der Bau meines eigenen Fahrrads, der war für mich absolut Ehrensache.“
An eine erste, zweite und jetzt sogar dritte Generation seines Faltrads (mit und ohne Elektro-Motor) habe er damals, Ende 2010, nicht eine Sekunde gedacht. Doch die Performance seiner Eigen-Entwicklung auf holprigen kubanischen Landstraßen sowie im Stauraum motorisierter Fahrzeuge bereitete seiner Frau, einer gemeinsamen Freundin und ihm unterwegs vom Start weg viel Freude.
Hauptberuflich
Wieder in Wien, startete er zunächst mit anderen Projekten, unter anderem mit dem Design für einen E-Roller der einstigen Wiener Kultmarke Lohner: „In Absprache mit einem Lohner-Urenkel und in enger Kooperation mit der TU Graz. Das war eine sehr schöne Zusammenarbeit.“
Zeitgleich ging ihm sein VELLO nicht aus dem Kopf, es reifte von einem ursprünglich rein privaten zu einem hauptberuflichen Projekt. „Also es war nie meine Idee, einmal Fahrräder zu produzieren“, erzählt Valentin Vodev in seinem Shop in der Reinprechtsdorfer Straße. „Und ich hätte auch nicht gedacht, dass mir mein heutiger Job so viel Spaß machen würde.“
Im ersten Jahr, 2015, hat seine Firma 50 Stück verkauft. Seither kann er gemeinsam mit seiner Frau und einem Mini-Team Jahr für Jahr schöne, nicht aggressive Zugewinne verbuchen: „Ich schätze, dass in der Zwischenzeit 2.000 unserer Räder auf der Straße sind.“
Seine Kundschaft geht heute weit über Reinprechtsdorf und Gumpendorf hinaus, auch wenn gerade hier eine besonders hohe Dichte zu registrieren ist: „Der Export entwickelt sich gut. Die meisten Räder verkaufen wir derzeit nach Berlin, aber auch nach Paris, Barcelona, San Francisco. Und es gibt auch Anfragen aus Indonesien, Thailand, Japan und Südkorea.“
"Für Kreative ist Wien ideal"
Angetan zeigt sich der Fahrradbauer, der bis zum Beginn seines Studiums in Sofia gelebt hat und als Fünfjähriger Autorennfahrer werden wollte („Dabei mag ich gar keine Autos“), vom Klima in Wien. Damit meint er weniger den oft lebhaften Westwind, der die Abgase der Verbrennungsmotoren aus der Stadt putzt und die Radelnden schwitzen lässt. Valentin Vodev gefällt mehr Wiens Offenheit für neue Ideen und die in der DNA dieser Stadt eingeschriebene Übereinkunft, Menschen mit Problemen nicht alleinezulassen. Seine Erfahrung fußt auf Beobachtungen anderswo: „Sofia ist heute eine junge, dynamische Stadt, und über das Potenzial von London müssen wir nicht extra reden. Doch für Kreative ist Wien ideal. Es gibt in dieser Stadt auch viele sehr gut qualifizierte Leute.“
Sagt es, und radelt über die Wienzeile schnell in die Werkstatt, wo er Menschen einen fair bezahlten Arbeitsplatz bieten kann, die zuvor in der „Radstation“ beim Hauptbahnhof zurück in die Arbeitswelt gefunden haben.
Die Freude über sein VELLO kann und will Valentin Vodev nicht verbergen. Sie gipfelt in dem Satz: „Das Faltrad ermöglicht uns heute jene Freiheit, die uns die Autowerbung immer versprochen hat.“
Urbaner Falter von der Wienzeile
VELLO. Tourenrad, Stadtrad mit Riemenantrieb statt Kette, Rennrad mit Rennschaltung, Elektrorad: Vieles ist mit dem Faltrad von Valentin Vello möglich – auch nachträgliches Umrüsten. Die 20-Zoll-Räder erhöhen den Fahrkomfort, ebenso das doppelte Rahmenrohr. Das Falten ist diffiziler als beim Brompton, aber in den Griff zu bekommen. Aufgewogen wird das etwas größere Packmaß durch die herrliche Beschleunigung, die mit diesem Rad möglich ist. Preislich fährt man mit dem Wiener VELLO in derselben Klasse wie das international bekanntere Brompton. Auch das ausgeklügelte Taschensystem überzeugt.
Preis: ab 1.490 Euro
www.vello.bike
Kleiner Vogel für große Touren
Birdy. Jahrelang galt dieses Faltrad aus der südhessischen Fahrradmanufaktur Riese & Müller als erster Herausforderer von Brompton. Fast religiös wurde in beiden Fahrerlagern das eigene Rad gegenüber dem anderen gepriesen. Inzwischen gibt es mehr Mitbewerb, und die Gemüter haben sich beruhigt. Man hat sich quasi auf Unentschieden geeinigt. Bei der Testfahrt glänzt das Birdy dank seiner 14-Gang-Rohloff-Schaltung, dem stabilen Rahmen und den Scheibenbremsen. Damit eignet es sich auch für längere Touren im Gelände und auf Berge. Dafür kostet es mehr, lässt sich weniger leicht falten und verstauen. Gepäck stößt an Grenzen.
Preis: ab 2.449 Euro
www.r-m.de
Kultrad aus dem Herzen von London
Brompton. Seit 14 Jahren das Einsatzfahrzeug des KURIER-Redakteurs. Dass dieses Faltrad, das in einer Wohnung nahe der Londoner Brompton Church ersonnen wurde, seit bald einem halben Jahrhundert weltweit Kultstatus besitzt, ist Nebensache. Mehr überzeugt seine Verlässlichkeit: lässt sich überall schnell zusammen- bzw. auseinanderfalten. Passt in jeden (!) Kofferraum, sogar in einen Smart, in jedes Zugabteil und unter jeden Schreibtisch. Seine ausgetüftelten Komponenten zeigen selbst bei Mega-Beanspruchung kaum Verschleiß. Manko: Bei Fahrten gegen Wind, auf Berge und über Kopfsteinpflaster zeigt sich, dass es ursprünglich für die Londoner gebaut wurde.
Preis: ab 1.344 Euro
fahrrad.co.at
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