StVO-Neuerung: Weniger Strafen für Radfahrer
Rund die Hälfte aller Autofahrten in Österreich sind kürzer als fünf Kilometer – könnten also oft auch mit dem Fahrrad bewältigt werden. Obwohl es seit Jahren einen Rad-Boom gibt, schaut es in Sachen Infrastruktur und Gesetzgebung noch nicht danach aus, als wäre Österreich eine fahrradfreundliche Nation.
Immer noch fehlen in vielen Bundesländern Radwege, vor allem auf Freilandstraßen. Jene in den Städten sind oft nicht breit genug oder enden plötzlich im Nichts – was schnell gefährlich werden kann.
"Gesetzlicher Schutz"
Das wollen die Grünen laut Nationalrat Lukas Hammer ändern: "Wir sind dabei, eine Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) vorzubereiten, die vielleicht noch heuer umgesetzt werden kann. Radfahrende sollen nicht das Gefühl haben, ihr Leben aufs Spiel setzen zu müssen. Neben mehr Geld für den Bau neuer Radwege geht es daher auch um einen besseren gesetzlichen Schutz von Radfahrenden", sagt Hammer.
Er fordert beispielsweise einen konkret bezifferten Mindestabstand von 1,5 Metern bei Tempo 50, wenn ein Kfz-Lenker einen Radfahrer überholen will.
"Gesetze müssten auf die schwächsten Verkehrsteilnehmer ausgelegt werden, und das sind Fußgänger und Radfahrer. Gleichbehandlung gibt es derzeit nur bei den Strafen, wo sie aber nicht gerechtfertigt sind. Im Moment ist es so, dass Rad- und Autofahrer dieselben Verwaltungsstrafen zahlen, obwohl das Gefährdungspotenzial für andere Verkehrsteilnehmer bei Fehlverhalten von Auto- und Lkw-Lenkern ungleich höher ist. Das ist ein Punkt, der meiner Meinung nach geändert werden sollte. Da fehlt die Verhältnismäßigkeit", sagt Hammer. Laut Umfragen würden zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher öfter auf das Rad umsteigen, wenn die Bedingungen grundsätzlich besser wären.
Provokation vermeiden
Verhalten positiv bewertet der Leiter der ÖAMTC-Rechtsdienste, Martin Hoffer, die geplante Novelle: "Auch wir haben bereits eine Liste mit Ideen für eine Novelle ausgearbeitet und den Fachabteilungen vorgelegt. Wir stehen den Vorschlägen der Grünen prinzipiell wohlwollend gegenüber."
Keinem Verkehrsteilnehmer soll das Gefühl einer einseitigen Provokation vermittelt werden.
Es sei auch laut ÖAMTC nicht verhältnismäßig, wenn ein Radfahrer dem zum Beispiel Reflektoren und eine Glocke fehlen, 450 Euro Strafe zahlen muss – solche Fälle kenne er aber aus seiner Arbeit. Und auch die Einhaltung eines Mindestabstands beim Überholen sei laut Hoffer sinnvoll, aber: "Dann dürfen sich Radfahrer auch nicht extrem knapp vor Ampeln an Autokolonnen vorbeischlängeln. Bei einer Novelle der StVO muss darauf Rücksicht genommen werden, keinem Verkehrsteilnehmer das Gefühl einer einseitigen Provokation zu vermitteln", sagt Hoffer.
Freizeit und Verkehr
Das Radfahrer-Bundesland in Österreich ist Vorarlberg. Mindestens 16 Prozent der Bevölkerung treten dort regelmäßig in die Pedale. Insgesamt liegt der Anteil der Fahrrad-Fans in Österreich derzeit bei rund sieben Prozent. Die Tendenz ist aber steigend; vor allem Wien zieht nach.
77 Prozent
der österreichischen Haushalte haben mindestens ein Fahrrad.
16 Cent
Gewinn macht die Allgemeinheit pro mit dem Rad gefahrenen Kilometer. Zum Vergleich: Jeder Kilometer, der mit dem Auto zurückgelegt wird, kostet die Allgemeinheit 10 Cent.
Abgesehen von den geplanten Gesetzesänderungen soll das Budget für den Radverkehr weiter erhöht werden. Der erste Schritt ist bereits getan. Der sogenannte Klimaaktiv-Mobil-Topf, aus dem Radprojekte in Ländern und Gemeinden gefördert werden, wird von 4,4 auf 21,4 Millionen Euro aufgestockt. Außerdem gibt es ein neues Budget für aktive Mobilität von 25 Millionen Euro. "Aus diesem Topf werden große Teile in den Radverkehr fließen", sagt Hammer.
Es gehe darum, den Menschen in Stadt und Land das Radfahren noch schmackhafter zu machen. "Wer fährt gerne auf einem Radweg, auf dem er sich nicht sicher fühlt? Wenn es die Infrastruktur gibt, werden die Menschen das Rad nehmen", so Hammer.
Lässig ohne Hände am Lenker durch die Fußgängerzone oder gar gegen die Einbahn radeln bringt einem vielleicht bewundernde Blicke ein, aber auch hohe Strafen. Hier ein Überblick:
Radwege und Einbahnen
Wer denkt, es ist egal, in welche Richtung man auf einem Radweg unterwegs ist, irrt. Laut den Rechtsexperten des ÖAMTC darf ein Radfahrstreifen nur in jener Fahrtrichtung befahren werden, in die der Richtungspfeil zeigt, oder in die der angrenzende Fahrstreifen befahren werden darf. Außerdem ist es falsch, dass man in jeder Einbahn in die entgegengesetzte Richtung fahren darf. Fahren gegen die Einbahn ist nur dann zulässig, wenn dies durch Verkehrszeichen ausdrücklich erlaubt wird.
Mögliche Strafe: 70 bis mehr als 700 Euro
Handy am Lenker
An sich ist das erlaubt, aber ebenso wie beim Autofahren nur noch mit Freisprecheinrichtung. Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung, eMailen, SMS schreiben und dabei Radfahren ist verboten. Zum Telefonieren Kopfhörer zu benutzen, ist erlaubt. Wird man aber erwischt, wenn man zu laut Musik hört, kann das zu einer Strafe führen, denn laut StVO muss man sich auf den Verkehr konzentrieren können.
Mögliche Strafe: 50 bis 72 Euro
Alkohol am Fahrrad
Wer denkt, er sei vernünftig, weil er für den Heurigenbesuch statt dem Auto lieber das Rad nimmt, irrt gewaltig. Wenn auch für Radfahrer mit 0,8 Promillegrenze ein großzügigerer Grenzwert als für Autofahrer gilt: Ein Alkotest darf nicht verweigert werden.
Mögliche Strafe: 800 bis 5.900 Euro
Ausstattung
Mit dem alten Drahtesel herumzufahren, ist keine gute Idee. Defekte Bremsen oder Lichter kosten jeweils 20 Euro Strafe. Gibt es sehr grobe Mängel, wird es teuer.
Mögliche Strafe: 70 bis mehrere Hundert Euro
Dass man für die Stärkung des Radverkehrs Geld in die Hand nehmen muss, zeigen internationale Beispiele. Im dänischen Kopenhagen investiert man seit langer Zeit jährlich über zehn Millionen Euro in den Ausbau von Rad-Infrastruktur. Großprojekte werden noch extra finanziert. Und es scheint zu funktionierten: In der dänischen Hauptstadt ist fast jeder zweite Einwohner täglich mit dem Fahrrad unterwegs und nutzt das Bike für den Weg zur Arbeit und für sonstige Erledigungen. In Wien sind es etwas mehr über zehn Prozent der Bevölkerung. Wichtig sei laut Hammer, dass man sich nicht nur auf die Finanzierung von Radwegen zu klassischen Ausflugszielen konzentriert, sondern gerade die täglichen Wege einfach – und vor allem schneller als mit dem Auto – mit dem Fahrrad zurücklegen kann.
Eine Erhöhung des Radfahreranteils sei schließlich nicht nur für die Gesundheit gut: "Im Angesicht der Klimakrise ist es höchste Zeit, Radverkehr und Fußverkehr als mindestens gleichwertige Verkehrsarten zu verankern. Radfahren darf nicht nur etwas für Mutige bleiben", sagt Hammer.
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