Im Gegensatz zu Kondos spirituellem Minimalismus-Ansatz steht bei den „Home Edit“-Chefinnen Shearer und Teplin, zwei quirligen Müttern aus Nashville, USA, penible Organisation im Vordergrund: Sie kategorisieren, packen Zeug in transparente Boxen und ordnen Bücher und Kleidung nach der „Roybgiv“-Methode, also den Farben des Regenbogens (red, orange, yellow, blue usw.), was die New York Times treffend als „Pinterest Organization Porn“ bezeichnete.
Seit einiger Zeit gehören farblich sortierte Vorratskammern und Sockenladen in den sozialen Medien nämlich zum guten Ton: Schlagwörter wie #pantryporn (pantry = Speis) oder #shelfie (Selfie vor dem Lieblingsregal) verzeichnen auf Instagram Millionen Treffer, auch viele Fotos von „The Home Edit“ sind darunter.
Mehr als drei Millionen Menschen folgen dem Team um Shearer und Teplin auf Instagram, ihr 2019 erschienenes Buch wurde ein Bestseller. Inzwischen stehen auch die Schlange, die den Stundensatz von 250 Dollar locker aufbringen können: so wie Lifestyle-Guru Gwyneth Paltrow oder Reality-Star Khloé Kardashian – auch Haar-Extensions und der Fuhrpark für die zweijährige Tochter wollen schließlich geordnet werden.
Auch heimische Organisationscoaches profitieren vom Aufräumhype – nicht zuletzt dank des Lockdowns. „Seit Corona sind die Anfragen explodiert“, berichtet Desiree Schweiger, die sich vor eineinhalb Jahren mit ihrem Unternehmen „Simply Organized“ selbstständig gemacht hat. Serien-Hits wie „The Home Edit“ würden das Interesse an Heim-Organisation zusätzlich pushen – sie sei bis November ausgebucht.
Die zweifache Mutter arbeitet nach einem ähnlichen System wie Shearer und Teplin: Platz schaffen, Kategorisieren, Einräumen. „Im Gespräch mit anderen Eltern fiel mir auf, dass alle zu viel Zeit mit Suchen verbringen. Ich dachte mir, das muss ich ändern“, sagt die 35-Jährige, die die Methode natürlich auch privat umsetzt. „Bei uns hat alles einen fixen Platz, das spart Zeit und erleichtert das Leben immens. Es gibt dadurch auch weniger Konflikte in der Familie.“
Kleidung oder Kinderspielzeug organisiert auch sie mit ihren Kunden gerne nach Farbe. „Die Leute sind dann ganz geschockt, weil sie sehen, dass sie 25 schwarze T-Shirts besitzen. Das war ihnen vorher nicht bewusst, weil sie irgendwo im Kasten verschwunden sind.“
Langfristig führe das System zu mehr Nachhaltigkeit. „Es schafft ein Umdenken, sodass man beim nächsten Kauf überlegt: Brauch ich das wirklich?“ Schweiger wünscht sich daher, dass der Beruf des Ordnungscoaches auch in Europa mehr Anerkennung findet. „Wir lassen uns ja auch beim Sport oder bei der Ernährung beraten. Warum also nicht beim Aufräumen?“
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