Ein Kran hilft
„Mithilfe eines Kollegen oder eines Krans lege ich den Verstorbenen auf meinen Tisch und entkleide ihn. Dann schaue ich mir den Körper ganz genau an. Hatte der Mensch Operationen? Oder Verletzungen? Durch die Anzeige des Todes weiß ich, woran der Mensch verstorben ist.“ Nevrivy muss auch darauf achten, ob die Leiche noch infektiös sein könnte. In den Zeiten der Corona-Pandemie trägt er einen Schutzanzug. Dann gilt es, die gesundheitliche Vorgeschichte zu studieren, etwa Arthrosen, verstopfte Venen oder Arterien, eventuelle Herzinfarkte. „All das ist wichtig, um zu wissen, wie kompliziert das Injizieren der formalinhaltigen Lösung wird.“ Doch bevor die Verstorbenen diese Lösung injiziert bekommen, wäscht Nevrivy sie gründlich. „Schließlich treten aus allen Körperöffnungen Flüssigkeiten aus.“ Ist das erledigt, beginnt er mit seinen Berechnungen. „Wie lange ist der Mensch tot? Wie lange dauert es noch bis zum Begräbnis? Wie groß und wie schwer ist die Leiche? Aus diesen Daten ermittle ich, wie viel ich von dem Mittel brauche, damit der Tote am Tag der Beerdigung perfekt konserviert ist.“ Das Formalin festigt die Proteine im Körper, tötet alle Pilze, Bakterien und Viren ab.
Der Körper wird hart. „Durch den Tod gibt es keinen Druck mehr, weil kein Blutkreislauf vorhanden ist. Die Finger krümmen sich, die Augen fallen ein, der Körper wird runzlig. Dem wirke ich mit der Lösung entgegen“, erklärt Nevrivy. Auch Farbstoffe werden verwendet, denn die Leichen sind oft weiß und gräulich, haben Flecken oder Hämatome. All das verschwindet. Wie lange eine Behandlung braucht, hängt stark von der Todesursache ab.
Natürliche Tode benötigen den wenigsten Aufwand. Anders ist das bei Schnitt- oder Stichverletzungen durch Gewalt, deformierten Gesichtern nach schweren Autounfällen, Entstellungen durch Suizid oder bei obduzierten Leichen. Dazu hat Nevrivy verschiedene Techniken gelernt. Er benützt Nadel und Faden, modelliert mit Wachs und überschminkt, etwa Platzwunden. Fehlt die Zunge und der Hals ist eingefallen, dann füllt er die Stelle mit Zellstoff aus. Augenkappen aus Plastik werden mit Widerhäkchen unter die Lider gesetzt, damit sie wieder eine schöne, halbrunde Form bekommen. Und so bleiben sie auch geschlossen.
„Für mich ist der Job ganz normal. Auch wenn das viele nicht verstehen. Je schlimmer der Zustand der Leiche, desto spannender für mich. Wenn ich in einer Messi-Wohnung den Toten erstmal finden muss, ist es aufregender, als in einem Altersheim eine Leiche abzuholen.“
Eine Frage, die ihm oft gestellt werde, sei jene nach dem Geruch. „Man kann ihn kaum beschreiben, aber wenn man ihn in der Nase hat, dann weiß man sofort, es ist der Tod.“ Seine erste Leiche wird Nevrivy nie vergessen. „Eine 90-jährige Frau musste vom Sanitätssarg in den Originalsarg umgelegt werden. Sie war sehr schön angezogen, das weiß ich noch. Da habe ich das erste Mal einen toten Menschen berührt, das ist 15 Jahre her.“ Seit acht Jahren ist Nevrivy Vater und seit diesen acht Jahren gibt es nur noch eine Sache, die ihm furchtbar schwerfällt. „Kinderleichen abholen. Das ist das Schlimmste. Alles andere macht mir mittlerweile kaum etwas aus.“
Nicht appetitlich
Man brauche für diesen Job jedenfalls einen guten Magen, „weil Verstorbene eben nicht gut riechen oder nicht sehr appetitlich aussehen. Wenn sie lange tot waren, schwirren Fliegen umher und einige Körperflüssigkeiten treten aus.“ Was wichtig sei: „Abschalten, wenn man nach Hause kommt.“
Die Hinterbliebenen bedanken sich oft bei Nevrivy für sein Wirken. „Darin sehe ich den Sinn meiner Arbeit. Wenn die Verwandten beim Sarg stehen und die Toten friedlich schlafen sehen, beruhigt es sie. Das finde ich schön.“
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