Stellen Sie sich vor, Sie wüssten nicht, dass jeder Mensch einmal sterben muss – auch Sie selbst. Erwachsene leben ganz selbstverständlich in diesem Wissen. Bis das jemandem so klar ist, muss aber Aufklärungsarbeit geleistet werden. Denn für Kinder ist der Tod gar keine Selbstverständlichkeit.
Bis zum dritten Lebensjahr etwa sprechen Kinder über Verstorbene so, als wären sie noch am Leben und nur im Moment abwesend, erzählt die Kinderpsychologin Verena Maurer. Bis zum fünften Lebensjahr wird der Tod auch noch nicht als etwas Endgültiges verstanden. Dann bis zum neunten Lebensjahr begreifen Kinder zwar die Endgültigkeit des Todes, die Vorstellung vom Sterben ist aber oft noch sehr abstrakt – etwa die vom personifizierten Tod. Erst etwa ab dem neunten Lebensjahr begreifen sie den Tod als einen Vorgang, der das Leben beendet. Dazu sind viele Gespräche notwendig. Die Fragen kommen meist von den Kindern selbst und das schon im Kindergarten.
Kindern Fragen rund um das Thema Tod zu beantworten, kann aber eine Herausforderung sein. Denn der Tod ist für jeden Menschen ein höchstpersönliches Thema, das auch stark mit individuellen Glaubensvorstellungen verknüpft sein kann. Maurer gibt den Tipp: „Egal, was Sie Ihrem Kind für eine Vorstellung mitgeben möchten, wichtig ist, dass es ihrer eigenen Vorstellung entspricht. Kinder spüren es, wenn man etwas nicht ernst meint.“ Lügen sind also ein absolutes No-Go. Auch wenn es schwerfällt, die Fragen des Kindes ehrlich zu beantworten, ist das besonders wichtig – natürlich altersgerecht erklärt. Im besten Fall muss das Thema Tod dann gar nicht mit Angst verbunden sein.
Keine Beschönigungen
Anders, wenn man versucht, erdachte Erklärungen aus dem Hut zu zaubern: „Kinder spüren das und dann entstehen sehr leicht Unsicherheiten und daraus können Ängste werden.“ Aus diesem Grund rät Maurer auch von Umschreibungen oder Beschönigungen ab, wie etwa: jemand ist entschlafen. „Kinder können dann Angst bekommen vor dem Einschlafen. Nennen Sie die Dinge lieber immer beim Namen.“
Auch die Formulierung, jemand würde jetzt von oben aufpassen oder die Vorstellung von Verstorbenen als Engel hält die Psychologin für problematisch, denn das würden Kinder oft mit dem Konzept des Schutzengels verbinden. „Stößt dem Kind dann etwas zu, denkt es, der Schutzengel hätte nicht aufgepasst und sie fühlen sich von der verstorbenen Person vergessen oder im Stich gelassen.“ Will man dem Kind eine religiöse Vorstellung vermitteln, kann es auch schwierig sein zu sagen: Gott oder Allah hätte die Person zu sich geholt. Denn das wiederum sei schwer zu vereinbaren mit der Vorstellung eines guten Gotts.
Während verblümte Umschreibungen also nach hinten losgehen können, sind konkrete Beispiele und Vergleiche aus der Natur oft hilfreich. Etwa, wenn man den Tod als Prozess erklärt, wie sich erst verfärbende und dann abfallende Blätter.
Ehrlichkeit siegt
Doch weiterhin gilt, Vorsicht bei Metaphern: Kinder könnten vieles wörtlich nehmen. Vermittelt man beispielsweise den Gedanken, dass Verstorbene in den Himmel kommen, sollte dieser Himmel eher ein Konzept als der tatsächliche Ort des Oben sein. Denn dorthin könnte man in der kindlichen Vorstellung ja für einen Besuch auch mit einem Flugzeug oder einer Rakete reisen. Dieser Himmel sollte außerdem kein Ort sein, der das Leben auf der Erde abwertet. „Es sollte klar sein, dass wir es hier auf der Welt sehr schön haben und unser Leben genießen sollen.“ Wichtig ist, das Kind selbst durch Fragen das Gespräch bestimmen zu lassen.
Zusammengefasst: Ehrlichkeit siegt. „Auch mit sehr kleinen Kindern kann man schon sehr tiefgründige Gespräche führen.“ Und wer dem Kind eine religiöse Vorstellung mitgeben will, sollte immer Raum dafür lassen, dass es – vielleicht auch erst als Jugendlicher – dieses Konzept hinterfragen kann.
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