Tatort Mistplatz: Wie unser Müll den Klimawandel beeinflusst
Papa Lukas hat in Oberösterreich im Abstellkammerl nicht nur Behälter für Papier, Plastik, Weiß- und Buntglas und Metall, sondern auch das Schüsserl für die Kunststoffdeckel, das Sackerl für filigrane Plastikverpackungen oder auch die Box für Kuverts mit Sichtfenster. Bei der Tochter in Wien sind Papier, Glas und Restmüll das Höchste der Gefühle, was die Mülltrennung betrifft. Dieses – überzogene – Beispiel demonstriert das durchaus vorhandene Stadt-Land-Gefälle im Bezug auf Mülltrennung.
„Dieses ist verursacht durch sozioökonomische oder auch demografische Rahmenbedingungen, wirtschaftliche Kaufkraft oder auch die Anonymität in der Großstadt. All das spielt zusammen, sodass die Menschen hier weniger Hemmungen haben, nicht korrekt zu trennen“, weiß Marion Huber-Humer, Leiterin des Instituts für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien. Dabei trägt korrektes Recycling aktiv zur Reduktion von Müll auf der ganzen Welt bei und spart Ressourcen und Energie.
Kreislaufsystem
Die Experten sprechen von den fünf Stufen der Abfallhierarchie: Zuoberst befindet sich die „Abfallvermeidung“, laut Huber-Humer „die wichtigste Ebene, die wir alle anstreben sollten“. Dieser folgt dann die „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ und eben das Recycling – sei es Up- oder Downcycling. Zum aktuellen Trend-Wort "Upcycling" ist zudem zu sagen, dass es sich gerade in der Modebranche oft eigentlich um Downcycling handelt: Plastik, das laut Hygienestandards in der Lebensmittelindustrie eingesetzt wird, wird nicht zu einem Pullover up-, sondern downgecyled. Gut für die Umwelt ist natürlich beides, egal in welche Richung. Ist Recycling dann nicht mehr möglich, folgen Stufe vier, die „Energetische Verwertung“ in Müllverbrennungsanlagen, die dadurch Strom und Wärme erzeugen, und zuletzt die „Abfallbeseitigung“.
B2B - Bottle-to-Bottle
Auch wenn sich Österreich – je nach Messmethode – seit Jahren im oberen Drittel des weltweiten Recycling-Rankings befindet, liegt laut der Bestandsaufnahme der Abfallwirtschaft des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (Statusbericht 2019) das Abfallaufkommen des Landes im Jahr 2017 bei rund 64,19 Millionen Tonnen, die diese Hierarchie durchlaufen.
Entgegen des hartnäckigen Gerüchts landen getrennte Stoffe auch getrennt am Mistplatz. „Die Sammlung der Stoffe richtet sich immer am Gesamtsystem aus und hier unterscheiden sich Städte und ländliche Regionen oft maßgeblich. In Wien werden etwa Kunststofffolien, die auf Materialrecyclingebene noch nicht so hochwertig recycelt werden können bzw. verunreinigt sind, verbrannt und damit der energetische Aspekt genutzt. Dafür funktioniert das stoffliche Recycling von Hohlkörpern wiederum sehr gut“, weiß Huber-Humer. Beispielsweise auch in Müllendorf im Burgenland wird das PET-to-PET-Recycling bzw. der Bottle-to-Bottle-Kreislauf erfolgreich betrieben. Und die Expertin weiß: „Es wird auch in Zukunft verstärkt in Richtung stoffliches Recycling gehen, weil auch die EU höhere Quoten vorgibt.“
Echtes und unechtes Recycling
Stoffe, die fast zu 100 Prozent recycelt werden können, sind Metalle, bei denen nur Verunreinigungen ausgeschieden werden müssen. „Aufpassen muss man bei Aluminium, weil hier kann sehr viel Sekundärstoff gewonnen werden. Aus der Aluminiumkaffeekapsel wird aber nicht wieder die Kapsel, sondern beispielsweise ein Teil einer Alufelge für das Auto. Im Lebensmittelbereich werden hier noch häufig Primärrohstoffe eingesetzt“, weiß Huber-Humer. Sie bezeichnet Weiß- und Buntglas als echtes Recycling, „weil sich Verpackungsglas auch wieder zu Verpackungsglas verarbeiten lässt und hier eine große Energieersparnis vorliegt.“
Papier unterliegt einer technischen Limitierung: Es kann im Schnitt zehn bis zwölf Mal den Recycling-Kreislauf durchlaufen, bis die Faser zu spröde und klein wird. Dann wird aus ihr keine Zeitung mehr, aber noch Hygienepapier, bis sie schließlich ausgeschieden wird.
Unaufhörlicher Wandel
Die Expertin der Abfallwirtschaft konstatiert: „In Sachen Recycling sind wir bei den Spitzenreitern vorne dabei, aber es ist ein System, das sich andauernd weiterentwickelt und in dem ständig neue Herausforderungen auf uns zukommen. Der erste wichtige Schritt ist, dass jeder die Stoffe überhaupt in die Abfallwirtschaft einschleust. Der Appell also: Öfter mal mit Sack – dem gelben – und Pack zum Wiener Mistplatz wandern. Der steht dem Altstoffsammelzentrum am Land auch in Sachen Treffpunkt in nichts nach.
Trennen ist sinnlos, es wird sowieso alles gemeinsam verbrannt!
Falsch! Nur durch korrektes Trennen kann beispielsweise aus Altpapier wieder Papier werden.
Der Sammel-Lkw wirft Weiß- und Buntglas wieder zusammen!
Falsch! Jeder Lkw hat zwei Kammern, die den gemeinsamen Transport ermöglichen. Und: Schon eine grüne Flasche, die fälschlicherweise im Weißglascontainer gelandet ist, kann bis zu 500 Kilogramm Weißglas verunreinigen. Bitte auch nur leicht grünliche Flaschen schon zum Buntglas geben. Glasklar!
Plastik ist notwendig für die Verbrennungsanlagen!
Völlig falsch. Restmüll brennt auch ganz alleine sehr gut.
Der Deckel darf auf dem Joghurtbecher drauf bleiben, kommt eh in den gelben Sack!
Nein, bitte nicht! Der Becher muss meist gesondert vom Deckel entsorgt werden. Aber Achtung: Hier wird in den Bundesländern unterschiedlich recycled: In Oberösterreich beispielsweise gehört der Becher zum Plastik, in Wien zum Restmüll.
Ist das Pesto leer, darf das Glas ruhig dreckig in den Container.
Fachleute sprechen von restentleert oder auch löffel, spachtel- oder tropffrei : Das Marmeladenglas muss also weder in den Geschirrspüler, auch ausspülen würde sich wiederum negativ auf die Klimabilanz auswirken. Ein Sonderfall ist das Honigglas, das völlig sauber sein sollte, um Bienen vor der sogenannten „Bienenpest“ zu schützen.
Da geht das Licht auf:
Normale Glühbirnen zum Altglas, aber Energiesparlampen gehören in den Fachhandel zurück oder in die Problemstoffsammlung.
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