Sexpuppen: Corona kam und sie waren gefragter denn je
Leblose Augen, ein leicht geöffneter Mund, und eine Haut, fast so weich wie die eines Menschen: Josef Le lässt Träume wahr werden. Zumindest jene von intimer Zweisamkeit mit realistischen Sexpuppen. Der Burgenländer mit vietnamesischen Wurzeln ist Österreichs größter Fachhändler für sogenannte Real Dolls.
Der Corona-Lockdown hat sein Geschäft ordentlich angekurbelt. „Die Nachfrage hat sich in dem Zeitraum ungefähr verdoppelt“, erzählt der 44-Jährige. Vermutlich auch deshalb, weil in dieser Zeit die Bordelle hierzulande geschlossen hatten.
Ob eine Puppe nach dem Vorbild von Helene Fischer oder Brad Pitt: Le betont, fast jeden Wunsch seiner Kunden erfüllen zu können. Prinzipiell kann man zwischen zahlreichen Gesichts- und Körperformen wählen, die günstigsten Modelle beginnen bei 1.500 Euro.
Spezialanfertigungen, wie jene nach prominenten Vorlagen, kosten natürlich mehr. Dann gibt es noch sogenannte „Robodoll Modelle“, also Sexpuppen, die mit Technologien wie Berührungssensorik, Heizsystem und Gesichtsmimik ausgestattet sind.
Doch Le verkauft seine Werke aus Silikon nicht nur an Einzelpersonen, er versorgt auch Lokale des heimischen Rotlicht-Milieus.
Das erste Sexpuppen-Bordell Europas hat im Jahr 2017 in Barcelona eröffnet. Mittlerweile sind sie in fast jeder großen Stadt zu finden. Auch in Wien. Seit 1. Juli hat das Laufhaus Vienna, das auf der Triester Straße im zehnten Wiener Gemeindebezirk liegt, nach mehreren Monaten Corona-Pause wieder geöffnet.
Im neu integrierten Puppenhaus warten Stella, Babsi und Romy nun in aller Stille und mit leicht geöffnetem Mund auf ihre Kunden. Eine Stunde mit den Silikonsexarbeiterinnen kostet zwischen 80 und 100 Euro. Eine Stunde mit einer realen Frau ist preislich nicht so weit davon entfernt, wie man vermuten würde.
Bei den Puppen ist von den Kunden allerdings eine Kaution von 200 Euro zu entrichten. Denn immer wieder kommt es zu Schädigungen, die eine Reparatur notwendig machen. Mit Bisswunden, Messerstichen und auch mit Brüchen am Metallskelett kehrten Puppen aus Österreichs Bordellen schon zu ihrem Hersteller zurück.
Laut Website des Laufhaus Vienna sind Stella, Babsi und Romy 20 Jahre jung und können vorab telefonisch kontaktiert werden, um Details zu besprechen. Denn jede Puppe wird je nach Kundenwunsch individuell gestylt. Stella etwa ist 165 cm groß, wiegt 45 kg und ihre BH-Größe wird mit 80C angegeben.
Klickt man auf ihr Foto, erscheint sie in lasziven Posen und unterschiedlichen Outfits. Darunter steht eine Liste mit all den Diensten, die sie anbietet. Mittlerweile gibt es mit dollescort.at auch einen heimischen Lieferdienst für solche Puppen. Der Werbeslogan: Kein Smalltalk, mehr Sex.
Konkurrenz für die Branche?
Eine Sexarbeiterin aus Wien, die anonym bleiben möchte, und selbst ein Studio betreibt, in dem sie auch Sexpuppen anbietet, sieht die Silikon-Varianten aber nicht als ernstzunehmende Konkurrenz zu Frauen aus Fleisch und Blut. “Ich nehme diese Kunden eher als spezielle Fetisch-Liebhaber wahr, denen es tatsächlich um die Zeit mit der Puppe geht und die in diese Richtung ein explizites Interesse haben.”
In den letzten zwei Wochen hatte sie zwei Anfragen zu ihren Sexpuppen. “Nach mir wurde also weit öfter gefragt”, sagt sie. Während des Corona-Lockdowns hätte es von einigen Kunden verstärkt den Wunsch nach Zeit mit einer Silikon-Prostituierten gegeben, doch auch “die Puppen machten Pause”, erzählt sie.
Unterschiedliche Motive
Männer, Frauen, Paare: Josef Le sagt, seine Kunden seien bunt durchgemischt. Dennoch weiß man, dass die Liebe zum Silikon eine vorwiegend männliche ist. Warum aber kauft man sich eine künstliche Sexpartnerin? Christiane Eichenberg, Psychotherapeutin und Leiterin des Instituts fürs Psychosomatik an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien, spricht von unterschiedlichen Motiven. “Es kann einfach nur Neugierde sein. Es gibt Paare, die Puppen als Sextoys in ihr Sexualleben einbinden.”
Dies sei nicht negativ zu bewerten, vor allem wenn der Gebrauch in ein breites Spektrum von sexuellen Erlebnisweisen eingebunden wird. Auch habe eine von ihr durchgeführte Umfrage unter Sextherapeuten ergeben, dass sich 89 Prozent den therapeutischen Einsatz von Sexrobotern bei sexuellen Störungen oder für körperlich eingeschränkte Menschen vorstellen können.
Problematisch werde es, wenn Sexualität nur noch mit Sexpuppen erlebt werden könne. “Wenn man keine zwischenmenschlichen Beziehungen mehr aufbauen kann, kann das zu einer Entmenschlichung führen, bei der man nicht mehr zwischen Mensch und Puppe unterscheiden kann”, sagt Eichenberg.
Keine kindlichen Puppen
Puppenhersteller Le kennt Kunden, die Motorradausflüge mit ihrer Real Doll machen oder gemütlich mit ihr im Gastgarten sitzen. Und gibt selbst zu: “Der Mensch will nicht alleine sein und wir können dieses Bedürfnis stillen.” So manchem Käufer gehe es weniger um den Geschlechtsakt, als um jemanden, um den er sich kümmern kann.
Nicht zu vergessen und durchaus problematisch sei auch die einseitige Darstellung des weiblichen Geschlechts. “Die Gestaltung dieser Puppen basiert trotz aller Unterschiede auf stereotypen Frauenbildern, die nicht förderlich für die Wahrnehmung von Frauen sind”, meint Eichenberg.
Was die Begehrlichkeiten seiner Kunden angeht, kennt Le jedenfalls nur eine Grenze, die ist ihm aber ganz besonders wichtig: “Kindliche Puppen sind bei mir Tabu.” Als Vater zweier Kinder achte er darauf, dass seine Puppen so aussehen, als wären sie zumindest 18 Jahre alt.
Damit bildet Le eine Ausnahme. Denn die Industrie stillt jeden Fetisch. So wie der deutsche Online-Anbieter Realdoll24, auf dessen Website kindlich wirkende Sexpuppen auch einmal mit Teddybär inszeniert werden. Für Christiane Eichenberg ist das höchst problematisch. “Es gab lange die Diskussion, ob solche Angebote Übergriffe an Kinder absenken können. Aber die Wünsche werden dadurch geschürt. ”
Bei der Behandlung von Pädophilie gehe es darum, dass Betroffene ein Problembewusstsein entwickeln und ihr Verhalten verändern. Kindliche Sexpuppen zählen zu Triggern. Dänemark will deshalb den Verkauf solcher Puppen verbieten. “Das ist absolut richtig und wichtig”, so Eichenberg.
Androiden der Zukunft
Das eine sind Sexpuppen, das andere sind Sexroboter der Zukunft, die soziale Interaktionen nachahmen können. Am Ende wären sie keine Spielzeuge mehr, sondern soziale Akteure mit eingebauten Sprachsystemen und implementierten Charakterzügen. “Die Entwicklung geht auf alle Fälle in Richtung Androiden, der dem Menschen komplett nachempfunden ist”, sagt Puppenhersteller Le.
Derzeit arbeitet er an einem Modell, mit dem man sich unterhalten kann. Es funktioniert zwar schon, allerdings nur in der Entwicklungssprache und die ist Chinesisch. Aktuell sind die “Sexmaschinen” aber ein Randphänomen, deren Entwicklung noch ganz am Anfang steht.
Das Interesse der Gesellschaft ist jedenfalls weit höher, als man denken würde. Laut einer Umfrage von Psychologin Eichenberg halten 82 Prozent der Befragten in Österreich und Deutschland Sexrobotik für gesellschaftlich akzeptabel.
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