Als Rosa Luxemburg 1918 aus der Haft in Breslau entlassen wurde, wurde sie – wie es sich für eine Sozialistin gehört – mit einem Strauß Nelken empfangen. Dass diese Blume nicht nur ein Symbol der Arbeiterbewegung ist, sondern auch lange Zeit als Vorbote unglücklicher Ereignisse galt, war der Arbeiterführerin wohl nicht bewusst. Für Luxemburg war die Nelke tatsächlich ein böses Omen: Im Jänner 1919 wurde sie ermordet.
Rosen, Tulpen, Nelken – sie haben nicht nur eine einzige Bedeutung, wie Marianne Klemun weiß. Sie ist Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Uni Wien: „Blumen wurden schon immer mit variierenden politischen Agenden assoziiert. Doch ihre Bedeutungen änderten sich je nach Situation und Kontext im Laufe der Jahrhunderte – und oft blieb die eine Bedeutung, während eine neue erstere überlagerte.“
Botschaft
Das gilt auch für die rote Nelke – die Blume des 1. Mai. Sozialdemokraten sollten sie heuer besonders ehren, wenn coronabedingt niemand fahnenschwingend zum Wiener Rathausplatz ziehen kann. Als Ende des 19. Jahrhunderts Demonstrationen verboten waren, hefteten sie sich Arbeiter als Botschaft ans Revers. Und wurde so zum ersten Symbol der Arbeiterbewegung.
Französische Rose
Anders war das in Frankreich: „Da galten rote Nelken als Symbol der Royalisten und Ultra-Konservativen, weshalb dort Arbeiter eine rote Rose trugen“, sagt Historikerin Klemun. Die rote Nelke hatte schon zur Zeit der Französischen Revolution eine eher reaktionäre Bedeutung – sie wurde trotzig von Adligen getragen, die man zur Guillotine brachte. In Deutschland galt die rote Schönheit hingegen Aufklärern wie Immanuel Kant als das Symbol des bürgerlichen Fortschritts, weiß Klemun. „Die Nelke ist eine gut zu züchtende Pflanze. So, wie man Menschen durch Erziehung vollkommen machen möchte, so verstehen es Züchter, eine perfekte Blume zu erschaffen.“
Dass Nelken besonders gut zu kreuzen sind, darauf kam übrigens schon Anfang des 18. Jahrhunderts ein Londoner Gärtner, der zwei Arten (Garten- und Bartnelke) nebeneinander ausgesetzt hatte. Das war gut hundert Jahre, bevor Gregor Mendel eine ähnliche Entdeckung in seinem Erbsenbeet machte. Die Erkenntnis des Londoner Gärtners wurde allerdings noch als Angriff auf die göttliche Schöpfung abgetan und nicht weiter verfolgt – die Züchtungspraxis zeigte später dennoch große Erfolge.
Mittlerweile gibt es 27.000 anerkannte Sorten. Lange Zeit galten sie als spießig, doch jetzt kehren sie mehr und mehr in die Blumengeschäfte zurück. „Auch in Gärten sieht man sie wieder häufiger“, berichtet Andreas Fellner von der HBLFA Gartenbau Schönbrunn. „Heimisch sind Nelken eigentlich nur auf der Nordhalbkugel. Dort findet man sie aber fast überall, in heißen und trockenen Regionen ebenso wie in den Hochalpen. Manche duften, und man kann sie sogar essen – Konditoren überziehen sie mit Zucker.“
Wer die Nelke im Garten anbauen will, findet die geeignete Sorte für jeden Standort: „Die meisten Arten mögen es sonnig, sind genügsam und halten Frost gut aus, weshalb sie für Steingärten gut geeignet sind. Bevor man sie pflanzt, lässt man sich am besten von Experten beraten.“ Das Schöne: „Als Schnittblume hält sie bei richtiger Pflege bis zu drei Wochen: Wer sie nach dem Kauf und danach alle paar Tage frisch anschneidet und ihr täglich lauwarmes Wasser gibt, wird belohnt.“
Edelnelke
Der Florist unterscheidet Spraynelken, bei denen die mittlere Hauptknospe händisch abgebrochen wird und Standardnelken, bei denen die Seitenknospen entfernt werden – letztere ist am 1. Mai zu bewundern.
Mythologie
Der botanische Namen Dianthus setzt sich aus „Dios“ (Zeus/Gott) und „anthos“ (Blüte) zusammen. Laut Ovid soll Diana einem Hirten zwei Augen ausgerissen haben, aus denen die Nelke entstanden ist.
600 Nelkengewächse
zählen Botaniker, andere kommen auf nur 300 Arten, je nach Zuordnung. Daraus wurden rund 27.000 Sorten gezüchtet – in fast allen Farben, die meisten aber in Rottönen.
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