Naturwunder Schneeflocke: Jede ist ein Unikat

Naturwunder Schneeflocke: Jede ist ein Unikat
Was Sie schon immer über die Entstehung von Eiskristallen wissen wollten, erklärt ein Schweizer Schneephysiker.

Eiskristalle sind hochkomplex, kein Wunder, dass auch die Forschung von den gefrorenen Wunderwerken fasziniert ist. Keine einzige Schneeflocke auf der Welt ist identisch mit einer anderen. Henning Löwe weiß noch viel mehr über die weiße Pracht. Der Leiter des Teams „Schneephysik“ am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos, erklärt Fakten für Laien:

Sechseckige Kristallstruktur

Schneeflocke fangen mit mit kleinen, unterkühlten Wassertropfen an, die in den Wolken zu Eiskristallen gefrieren. Daran lagert sich Wasserdampf ab und die Kristalle beginnen zu wachsen. Schneekristalle können unter dem Mikroskop wie Sterne oder Nadeln aussehen, aber sie haben immer eine hexagonale, also sechseckige Kristallstruktur. Wenn Eiskristalle in Kontakt kommen, verbinden sie sich. Das heißt „sintern“.

Je nach Feutigkeit und Temperatur

Ein durchschnittlicher kleiner Kristall ist so winzig, dass er mit dem bloßen Auge kaum zu sehen ist. Er hat aber im Durchschnitt schon eine Trillion Wassermoleküle (eine 1 mit 18 Nullen). Jeder Kristall wächst je nach Feuchtigkeit und Temperatur unterschiedlich und ist ein Unikat. Aus mehreren Kristallen entstehen Schneeflocken. Eine Eiskristallkugel mit einem Millimeter Durchmesser wiegt im Schnitt vier Milligramm.

Viel Luft, wenig Wasser

Ein Kubikmeter frischer Schnee wiegt etwa 100 Kilogramm. „Neuschnee besteht zu 90 Prozent aus Luft“, sagt Physiker Löwe. Zum Vergleich: Ein Kubikmeter Wasser wiegt zehn mal so viel. „Am Ende der Saison kann ein Kubikmeter Schnee 400 bis 500 Kilogramm wiegen, auf der Piste oder in einer Lawinenablagerung sogar 600 Kilogramm.“

Wasserdampf verbindet Kristalle

Die Flocken haben eine komplexe Form. Wenn sie aufeinander fallen, verdichten sie sich nicht sofort. Das passiert erst mit der Zeit. In einer Schneedecke nehmen einige Kristalle Wasserdampf auf, andere geben ihn ab. Die Flocken und die Eiskristalle wachsen zusammen. Es entsteht eine poröse Struktur, ähnlich wie ein Schwamm, der im Laufe der Zeit zusammengedrückt wird.

Staub und Lichteffekte "färben" Schnee

Die einzelnen Flocken im Schnee streuen an ihren Oberflächen das einfallende Licht wie zig winzige, in verschiedene Richtungen stehende Spiegel. Die entstehende Überlagerung aller von der Sonne eingestrahlten Farben nimmt das Auge als Weiß wahr. Auch im Schaumbad greift dieser Effekt millionenfacher Lichtbrechung. Keine natürliche Oberfläche reflektiert mehr sichtbares Licht als frisch gefallener Schnee, so das SLF-Institut. „Wenn man von einem reinen, durchsichtigen Eiswürfel etwas abraspelt, erscheint das auch in weißer Farbe“, sagt Löwe. Älterer Schnee erscheint dunkler. Das liegt zum einen an Staub und anderen Ablagerungen. Aber wenn die Eiskristalle zusammenwachsen und größer werden, wird auch das Licht darin anders gebrochen.

Neuschnee als Schallabsorber

Weil Neuschnee zu 90 Prozent aus Luft besteht, die seinen labyrinthartigen Porenraum füllt. „Das ist ein guter Schallabsorber, es unterdrückt Umgebungsgeräusche“, sagt Löwe. Dass der Schnee unter den Füßen knirscht, liegt daran, dass die Eiskristalle brechen.

Kunstschnee ist schwerer

Schneekanonen blasen kleine Wassertropfen in die kalte Luft, die idealerweise auf dem Weg zum Boden gefrieren. Natürliche Schneeflocken entstehen aber aus Wasserdampf. Der Schneekristall im Kunstschnee hat die Form eines Wassertropfens oder eines Bruchstücks davon. Der Luftanteil in dem gefallenen Schnee ist sehr viel kleiner als bei echtem Schnee aus Wasserdampf.

Forschung mit Röntenglicht

Der Schnee kommt in einen Schneebrüter, eine Art große Büchse, die oben und unten verschiedene Temperaturen hat. In einem Computertomografen beobachten die Wissenschaftler dann mit Röntgenlicht, wie sich die Schneekristalle darin verändern. Aus den Erkenntnissen werden Computersimulationen für Vorhersagen über Veränderungen in der Schneedecke entwickelt. Interessant sei das etwa für die Schneemengenbestimmung, so Löwe. Bislang könne ein Satellit nur feststellen, wie groß die schneebedeckte Fläche auf der Erde ist. Wie viel Masse an Schnee global vorhanden ist, könnten Mikrowellen-, Radar- oder Emissionsmessungen von Satelliten aus zuverlässiger erfassen, wenn die Mikrostruktur von Schnee besser erforscht sei.

 

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