Michael Mittermeier: Da könnte ich Ihnen locker eine saftige Legende auftischen. Aber das lasse ich mal. Und sage nur: Da fragen Sie am besten meine Eltern.
Die wissen es besser?
Ja. Ich glaube, unsere Wahrnehmung, wie wir selbst mit zwölf Jahren waren, die deckt sich nicht mit der Realität.
Zwölf Jahre alt ist auch Ihre Tochter Lilly, mit der Sie auf Instagram hinreißende Zwiegespräche führen. Das könnte Ihre Erinnerung doch auffrischen.
Zwölf Jahre, das ist auf jeden Fall ein cooles Alter. Man fängt an, sich ein Bewusstsein zu bilden. Du merkst, wie ein Mensch in diesem Alter versucht, das Leben zu begreifen und die Welt und was darin passiert. Die Situation, in der wir uns jetzt befinden, ist ja auch für Kids und Jugendliche eine neue, unbekannte Herausforderung. Die gilt es zu meistern. So sind diese Gespräche mit Podcast-Attitude entstanden: Sie waren gar nicht gedacht, damit ein riesiges Publikum zu finden. Wir haben das in erster Linie für uns gemacht, als großen Spaß, um uns damit die Sommerpause zu vertreiben.
Mussten Sie Ihre Tochter dazu überreden?
Es war eine spontane Idee. Ganz so, wie ich es auch auf der Bühne halte: Ich bin keiner, der alles tausendmal überdenkt. Sich den Kopf zerbricht, welches Thema unbedingt ins Programm muss. Sondern: Was kommt, passiert.
Gekommen ist: eine unvorhergesehene Auftrittspause.
Mein Programm „#13“ hätte im September Premiere. Ob die stattfinden wird? Ich weiß es nicht. Ich habe deshalb ein anderes Programm geschrieben und eingeschoben: „Zwischenwelten – Once upon a time in Corona“. Es tut gut, über den ganzen Wahnsinn zu lachen.
Ihn wegzulachen.
Zumal er ja von manch Absurditäten begleitet wird. Als ich gelesen habe, dass in den Supermärkten die Hefe leer gehamstert wurde, dachte ich mir: Die werden alle durchdrehen in Bayern. Kein Weißbier mehr! Die werden alle verdursten. Im Übrigen hoffe ich, das Publikum in Wien duscht inzwischen wieder regelmäßig. Alle haben immer nur von Hygieneauflagen gesprochen, aber geben wir es doch ehrlich zu: Wir alle sind in der Quarantäne ganz schön verlottert! Zumindest, wenn die Ehepartner mitgemacht haben. Wenn nicht, gab’s wohl Stunk.
Sind Sie auch verwahrlost im Lockdown?
Und zwar freudig! Beim Einkaufen hat man sich gegenseitig ja teils nicht wiedererkannt. Beim Bäcker dachte ich, da sieht einer aus wie Reinhold Messner nach einer misslungenen Mount-Everest-Expedition. Dabei war es mein Banker. Viele haben auch mehr getrunken in dieser Zeit. Mittag war Feierabend. Statt dem Feierabend-Bier hab ich mir – weil das Wetter zu schwül war – auch ab und zu einen Weißwein gegönnt.
Eigentlich sind Sie ja ein großer Whisky-Freund.
Ein Freund hat einmal zu mir gesagt: Whisky sei mein einziges Hobby. Ich habe dann zwei Tage über die Aussage nachgedacht – und musste ihm recht geben. Ich sammle nun mal keine Briefmarken. Und meine Leidenschaft für Single Malt hat ja nichts mit Saufen zu tun. Es geht um den Moment des Genießens. Den Geschmack herauszufinden von Rosinen und Karamell, von Honig, Rauch, Torf. Sich einschenken, genießen und innehalten, während man ab und zu am Glas nippt – das kann schon mal eine Stunde oder länger dauern. Sich das Aroma auf der Zunge zergehen lassen. Ganz ohne Hektik, ohne Stress.
Nach der Pause vor Publikum zu spielen, ist das ein Genuss wie ein guter Whisky?
Drei Monate ohne Auftritt, das ist wie drei Monate ohne Sex. Mein Pointenstau war so groß, was Gags betrifft, bin ich jetzt Superspreader. Im Autokino aufzutreten war eine Herausforderung. Die Leute haben die Fenster heruntergekurbelt, ich habe jeden Lacher aufgesaugt wie ein Kokser im Endstadium. Aber ich bin Extremarbeiter, ich wollte das. Für mich war es dasselbe, wie damals nach Amerika und England zu gehen und dort als Comedian zu bestehen. Alle haben gesagt, das ist unmöglich. Aber ich bin hingegangen und hab es geschafft.
Michael Niavarani sagt, dass er eine Wuchtel nicht zurückhalten kann. Sie muss raus, wenn sie oben anklopft. Eint sie das?
Ich teile diese Ansicht. Bevor man die Pointe unterdrückt, soll sie raus. Das tut ja weh. Es muss auch nicht jeder Gag zünden, das ist ja das Privileg des Improvisierens. Der Nia ist großartig, als Mensch wie als Humorist. Und er ist genauso ein Wahnsinniger wie ich, ich glaube, deshalb lieben wir uns.
Zuletzt habe ich eine schlechte Kritik über einen Ihrer letzten Auftritte gelesen. Es war die Rede von müden Witzen. Und vulgär sei die ganze Sache auch noch.
Wenn einem Kritiker wirklich nix mehr einfällt, dann heißt es immer man sei vulgär und unter der Gürtellinie. Da kann ich ja nix dafür, wenn der keinen Sex hat daheim. (lacht) Nein, ernsthaft: Humor ist immer Geschmackssache. Ich kann nur sagen, bei diesem Auftritt hatten eine Menge Leute sehr großen Spaß. Wenn der Kritiker keinen hatte, kann ich ihm nicht helfen. Die einen heben mich hoch, die anderen finden mich furchtbar. Wenn alle mich mögen würden, dann würde ich etwas falsch machen.
Gibt es etwas, über das Sie niemals Witze machen würden?
Nicht wirklich. Zu manchem fällt mir nur nix ein. Ich mache keine Liste, was darf ich, was darf ich nicht. Das wäre Zensur. Ich finde es seltsam, wenn manche bestimmte Themen aussparen wollen. Dabei zitieren die doch sonst immer so gerne Kurt Tucholsky: „Satire darf alles.“ Darf sie auch. Aber bei einem schwierigen Thema darf die Pointe halt nicht billig sein. Die muss dann richtig gut sein.
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