Der Großteil von Österreichs Schülerinnen und Schülern hat das erste Semester hinter sich. Nach Niederösterreich und Wien dürfen nun auch Kinder im Burgenland, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg für eine Woche die Schule vergessen.
Andreas Ferner nützt die Zeit, um sich auf die Premiere seines neuen Kabarett-Programms vorzubereiten, in dem er Schüler, Lehrer und Eltern aufs Korn nimmt.
KURIER: Ihr neues Programm heißt "Chill mal, Fessor". Reden die Schüler wirklich so mit Ihnen?
Andreas Ferner: Es herrscht sicher ein lockerer Umgangston in den Klassen als früher. Aber Jugendworte wie brexiten höre ich nie.
Sie kritisieren auf der Bühne Facetten der Schule. Was fällt Ihnen besonders auf?
Ein großes Thema ist die Zwiegespaltenheit unseres Bildungssystems. Einerseits sagt man, wir möchten unbedingt beim PISA-Test so gut sein wie die asiatischen Länder, aber andererseits ist man nicht bereit, das zu leisten, was die leisten. Zugespitzt formuliert: Jeder soll Marcel Hirscher sein, aber niemand will trainieren.
Wer will nicht trainieren? Die Schule oder die Schüler?
Viele Reformen haben dazu beigetragen, den Leistungsfaktor zu verringern. Es gibt weniger Konsequenzen für Nicht-Leistung oder für Nicht-Anwesenheit. Die Reaktion der Schüler auf die neue Oberstufe war: "Hey super, da kann ich nicht mehr sitzen bleiben. Ich komm dann wieder, um mir mein Matura-Zeugnis abzuholen."
Es geht mehr um Spaß und Chillen statt Autorität und Drillen. Nicht falsch verstehen, ich möchte es nicht so wie in den asiatischen Ländern, wo sie eine hohe Selbstmordrate haben. Aber bei uns ist es unfair: Wir wollen die super PISA-Ergebnisse der Hochleistungsdruckländer, aber unter dem Motto, dass alles Spaß machen muss. Das bringt die Lehrer in eine unlösbare Position. Man kann kaum mehr sagen: "Das geht so nicht!" Und die Schüler lernen, es ist eh egal, was ich mache.
Wenn sie bei der Zentral-Matura durchfliegen, wer ist schuld? Nicht der Schüler, sondern du als Lehrer. Wir tun den Schülern damit nichts Gutes: Irgendwann sind sie im Job und merken, dass es nicht so locker geht.
KURIER Family - Andreas Ferner
Was machen Sie so anders, dass Sie sogar zum Lehrer des Jahres gewählt wurden?
Ich bin ein Motivationsguru (lacht). Ich mache zu 80 Prozent einen interaktiven Frontal-Unterricht und ich glaube, dass die Schüler sich denken: Der kann mir viel mitgeben. Es geht darum, wie stark ich sie anregen kann, dass sie selber Fragen stellen und total geil auf die Materie werden. Und ich sage ihnen am Anfang, wofür sie meine Business-Pläne und die Präsentationen brauchen: ’Ich weiß nicht, was ihr in zehn Jahren noch alles brauchen werdet, aber ihr werdet sicher gut verkaufen und präsentieren müssen, egal wie sich die Welt verändert.’ Andererseits sind zwischen 14 und 18 Jahren viele andere Dinge wichtiger als Schule oder Beruf. Verständlich.
Wenn Sie das Online-Video von dem HTL-Lehrer sehen, den seine Schüler attackierten, was denken Sie sich?
Wenn es so weit gekommen ist, dass ein Lehrer von seinen Schülern körperlich attackiert wird, dann kann eine Gesellschaft eigentlich zusperren. Ich finde es Wahnsinn, dass die auf die Idee kommen. Egal, wie kompetent oder nicht ein Lehrer agiert.
Wie kommt es so weit?
Man muss als Lehrer Konsequenzen aussprechen können. Aber wenn man jemanden zur Rede stellt oder ins Klassenbuch einträgt, hat man das Gefühl, dass das weniger Wirkung hat als bisher. Wenn jemand früher Mist gebaut hat, hat er es meistens eingesehen und sich dafür entschuldigt. Jetzt stellst du jemanden zur Rede und er geht in die Offensive. Auch die Eltern.
Haben Kinder heute mehr das Gefühl, dass sie Rückhalt von den Eltern bekommen?
Ja und ich habe gehört, dass sich die Eltern sogar auf der Uni immer mehr einmischen – das ist so skurril, dass ich das nicht einmal im Kabarett verwenden kann.
Viele Eltern tun aber gar nichts. Da sind die Schüler allein in ihrer Erziehung.
Ich sage in meinem Programm, dass es nur noch Extreme gibt. Diese Helikoptereltern und die große andere Gruppe, die sich gar nicht kümmert. Und die Vernünftigen in der Mitte, die früher die Mehrheit waren, werden immer weniger. Meine Eltern waren beim Elternsprechtag und aus.
Gibt es diese Diskrepanz auch bei den Lehrern? Manche sind sehr engagiert und setzen moderne Medien im Unterricht ein und andere schreiben nicht einmal eMails.
Ich glaube, das Engagement eines Lehrers kann man nicht allein daran ablesen, wie stark er moderne Medien einsetzt, sondern wie engagiert er für die Schüler da ist.
Woher weiß man als Lehrer, was funktioniert?
Ich habe im Studium viele Inhalte gelernt, aber nichts über den Umgang mit schwierigen Klassen und Eltern oder Notengebung. Vielleicht sollte es in der Lehrerausbildung Fächer "Humorvoll unterrichten" geben. Aber man darf nicht von den Lehrern verlangen, dass sie die Kasperln sind. Ein Uni-Professor hat gesagt – und ich habe das damals als Student noch nicht eingesehen: "Die Schüler müssen sich den Stoff noch einmal anschauen und das machen sie nur, wenn es einen Test darüber gibt."
Gerade beim Stoff könnte man sicher stark ausmisten und sich auf die Basics verständigen und die umso besser vermitteln und üben. Jetzt lernen die Schüler beim Binge-Studying eine große Menge – so wie beim Binge-Watching von Serien – und nach dem Zeugnis wird alles in eine geistige Lade weggeräumt.
Gibt es einen Lehrer, der Sie geprägt hat?
Mein Geografie-Lehrer war extrem charismatisch – und gefürchtet. Jede Stunde gab es eine mündliche Wiederholung und dadurch ein super Unterrichtsklima. Wenn es ruhig ist, können die Leute gut zuhören. Wir sind 50 Minuten an seinen Lippen geklebt.
Die Termine des Kabarett-Programms finden Sie hier.
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