Heiße Debatte: Männerfreier Bereich im Schwimmbad?
Ein Badebereich nur für Frauen – die eintägige Aktion einer österreichischen Bloggerin lässt eine alte Diskussion über geschützte Zonen im öffentlichen Raum wieder aufleben.
Am morgigen Freitag wird das Thermalbad Vöslau zur männerfreien Zone: In einem abgegrenzten Bereich im Freien werden nur „weiblich gelesene Personen“ – also etwa auch nichtbinäre oder transgender Frauen – willkommen sein, verkündete die Bloggerin, Autorin und Modeunternehmerin Madeleine Darya Alizadeh (alias Dariadaria) am Montag auf Instagram, wo ihr 330.000 Menschen folgen. Der Tag solle den Besucherinnen eine unbeschwerte Zeit frei von „Schönheitsstandards, Körpernormen und ‚Male Gaze‘ (männlicher Blick)“ ermöglichen, der Eintritt gehe an den afghanischen Frauenverein.
Auf das Posting der Wienerin folgte eine hitzige Debatte in den sozialen Medien: Während manche geschützte Räume für lesbische, intersexuelle, nichtbinäre und transgender Frauen (FLINT) begrüßen, orten Kritikerinnen eine reaktionäre Maßnahme, die Frauen in die Opferrolle drängt, statt die Wurzel des Problems – das Fehlverhalten der Männer – zu bekämpfen.
„Als Feministin kann ich unmöglich einen rein weiblichen Badetag feiern“, twitterte etwa Frederika Ferková‚ Organisatorin von „Sexpositiv-Partys“. „Die Männer gehören umerzogen, nicht die Frauen isoliert.“ Eine Sichtweise, für die sie viel Zuspruch erhielt.
Bei den Wiener Bädern (MA 44) wird ähnlich argumentiert: „Als öffentliches Bad wollen wir niemanden aussperren“, erklärt Sprecher Martin Kotinsky. Nur im textilfreien Bereich, in Saunen oder beim Sonnenbaden, gibt es eigene Frauenbereiche.
Machtdemonstration
Die Genderforscherin und Initiatorin der „Wiener Frauenspaziergänge“, Petra Unger, kennt die Debatte um Frauenbereiche seit Jahren. „Der öffentliche Raum ist keine herrschaftsfreie Zone. Nur weil wir gemeinsam baden gehen, heißt das nicht, dass es im Bad keine Machtverhältnisse gibt“, sagt sie.
Diese äußern sich auf vielfältige Weise, etwa durch sexualisierte Blicke, Übergriffe oder abwertende Kommentare. Influencerin Alizadeh teilte nach einer Welle der Kritik Erfahrungsberichte ihrer Leserinnen, die beim Baden belästigt, beleidigt, angegafft wurden. „Diese Geschichten sind keine Einzelfälle, sie sind Teil der Struktur, in der wir leben“, betonte sie.
Die MA 44 bestätigt, dass es immer wieder zu solchen Vorfällen kommt. Gemeldet werden nur wenige. „Wir haben 4,5 Millionen Badegäste im Jahr. Die Anzahl der gemeldeten sexuellen Übergriffe liegt jährlich bei fünf bis zehn“, sagt Kotinsky. Die Stadt nimmt das Problem dennoch ernst. Seit 2018 gibt es geschultes Sicherheitspersonal in den Bädern, das Gefahrensituationen erkennen und als Anlaufstelle dienen soll.
„Wir wollen Frauen ermutigen, Belästigung – egal in welcher Form – immer zu melden, denn die Dunkelziffer ist sicher höher“, meint der Bäder-Sprecher. Gerade, wenn Frauen oder Mädchen angestarrt und angepöbelt werden oder ihnen nachgepfiffen wird, sei es für Außenstehende schwierig, den Ernst der Lage zu erkennen. Die Mitarbeiter seien aber sensibilisiert und würden dementsprechend einschreiten. Auch die Polizei betont, dass solche Fälle bei einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden.
Freiwilliges Angebot
„Frauenräume haben emanzipatorische Effekte, weil sich Frauen hier ihren eigenen Bedürfnissen zuwenden und einander stärken können“, sagt Feminismusexpertin Unger. In anderen europäischen Ländern wie England gehören Frauenbäder zum Alltag.
Gerade für Frauen, die aufgrund ihrer Figur, Behinderung, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder Religion oft Diskriminierung erfahren, seien geschützte Bereiche eine gute Möglichkeit. „Wir können nicht so tun, als gäbe es diese Probleme nicht. Manchmal will man auch einfach nur unter seinesgleichen sein – es gibt ja auch Fitnesscenter für Frauen oder ein Frauencafé, wo man in Ruhe seinen Kaffee trinken kann“, sagt Unger.
Den Vergleich zu muslimischen Ländern lässt sie nicht gelten. „Ein temporärer Frauenbereich im Schwimmbad ist etwas anderes, als Frauen aus dem öffentlichen Leben auszuschließen. Das ist nicht vergleichbar.“
Bei sogenannten Safe Spaces müsse es sich um ein freiwilliges Angebot handeln, betonte Michaela Egger vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich in einem früheren KURIER-Gespräch. Schutzzonen wie gut beleuchtete Frauenparkplätze hätten sich in dieser Hinsicht bewährt. „Sie stärken vor allem das subjektive Sicherheitsgefühl der Frauen, was einen hohen Stellenwert hat.“
Unabhängig von Frauenzonen und geschlechtergetrennten Badetagen brauche es neue Formen von Männlichkeit, geschultes Personal und Gewaltschutzgesetze, die auch umgesetzt werden, sagt Unger. Nur so könne man patriarchale Strukturen aufbrechen – und damit die Debatte um männerfreie Zonen.
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