Psychologie: Warum das Zuhause ein Spiegel der Seele sein sollte
Im englischsprachigen Raum drückt die Redewendung "home is where the heart is" aus, was Psychologinnen und Psychologen nun in einer Studie belegen konnten: Der Untersuchung zufolge lässt der Wohnraum eines Menschen genaue Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit und Gemütslage zu – insbesondere mit steigendem Alter. Das postuliert ein Wissenschaftsteam um die Psychologin und Familienwissenschafterin Karen Fingerman von der University of Texas in Austin.
Für die Studie untersuchten die Forschenden 286 Personen. Sie waren allesamt über 65 Jahre alt. Sie fotografierten die Räume, in denen die Probandinnen und Probanden den Großteil ihres Alltags verbrachten (in der Regel das Wohnzimmer). Bei der Analyse der Daten stellten sie fest, dass sich bestimmte Persönlichkeitsmerkmale in Kernelementen der Raumausstattung widerspiegelten.
"Menschen, bei denen Persönlichkeit und Wohnraum übereinstimmten, berichteten von einem besseren Wohlbefinden, einem besseren Lebensgefühl und einer besseren Stimmung", so Karen Fingerman, die auch Direktorin des "Texas Aging and Longevity Center" ist. Zuhause sei der Ort, "an dem wir uns ausdrücken können".
Die Forschenden analysierten neben den Lebensräumen (Merkmale wie Helligkeit, Sauberkeit und Neuwertigkeit standen im Fokus) auch die Persönlichkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Ergebnisse wurden Anfang des Monats in der Zeitschrift The Gerontologist veröffentlicht.
Charakter bis Couch
Das Persönlichkeitsmerkmal der Extraversion (typisch extravertierte Menschen sind gesprächig, bestimmt, aktiv, energisch, dominant, enthusiastisch und abenteuerlustig) drückte sich in der Raumausstattung durch neuwertige Einrichtungsgegenstände und lebhafte Deko-Elemente aus. Denkbar sei laut den Forschenden, dass extravertierte Charaktere als stark soziale Wesen, die den Austausch innerhalb sozialer Gruppen als anregend empfinden, das Zimmer für den Besuch von Freunden und Familie ansprechend gestalten wollen.
Das Merkmal der Gewissenhaftigkeit wurde ebenfalls mit neuwertiger Einrichtung, aber auch mit Komfort in Verbindung gebracht. Ordnungsliebe und Organisation sind Schlüsselkomponenten dieses Persönlichkeitsmerkmals – was den Zusammenhang erklären könnte.
Eigenschaften wie Verträglichkeit (gekennzeichnet durch Altruismus und Hilfsbereitschaft), Offenheit und Neurotizismus (neurotische Menschen gelten als ängstlich, launisch, empfindlich, depressiv, reizbar und labil) konnte nicht bei allen Personen mit der Raumausstattung assoziiert werden. Offenheit war jedoch bei älteren Erwachsenen, die allein lebten, in der Einrichtung deutlich zu erkennen. Dies könnte darauf hindeuten, dass Menschen, die mit anderen zusammenleben, nicht so viel Spielraum haben, ihre Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.
Eine zentrale Erkenntnis: Ältere Menschen fühlen sich wohler, wenn ihr Wohnraum zur Persönlichkeit und ihren Vorlieben passt. Viele Menschen wünschen sich, in ihren eigenen vier Wänden alt zu werden. Oft ist das aufgrund von Erkrankungen oder körperlichen Einschränkungen nicht möglich. Laut den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern verfügen ältere Menschen oft über weniger Energie, um ihre Wohnräume zu pflegen. Die Wohnungen verkommen, sehen ungemütlich, schummrig und unordentlich aus.
Zufriedenstellendes Chaos
Interessant: Überraschenderweise wurde Unordnung bei Erwachsenen mit körperlichen Einschränkungen mit weniger depressiven Symptomen in Verbindung gebracht. "Unordnung kann ein Versuch sein, Kontrolle über die Umgebung auszuüben", erklärt Fingerman. "Möglicherweise möchten die Menschen auch Gegenstände in ihrer Nähe aufbewahren, um Mobilitätsprobleme zu kompensieren".
Dennoch: Ältere Erwachsene könnten von Unterstützung bei der Reinigung und Instandhaltung profitieren – sofern sie dies wünschen. Denn was für den einen wie Unordnung aussieht, kann für den anderen Komfort bieten.
Aus den Erkenntnissen könnten Fingerman zufolge auch Langzeitpflegeeinrichtungen schöpfen: Größeren Spielraum bei der Raumgestaltung zuzulassen, könnte das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner verbessern.
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