Direktor Gangl: "Im Lernhaus wird kein Kind fallen gelassen"

Direktor Gangl: "Im Lernhaus wird kein Kind fallen gelassen"
Gerhard Gangl ist Direktor der Volksschule Gänserndorf und erläutert, was das Erfolgsgeheimnis des Projekts ist.

Auf Initiative von Direktor Gerhard Gangl wurde 2014 in der Volksschule Gänserndorf ein Lernhaus gegründet. 30 Kinder werden dort normalerweise am Nachmittag betreut. Warum das ein Erfolgsprojekt ist, erläutert Gangl im KURIER-Gespräch.

KURIER: Ein Jahr war das Lernhaus so gut wie geschlossen. Jetzt dürfen Kinder nur in kleinen Gruppen kommen. Wie hat sich das vergangene Jahr auf die Kinder ausgewirkt?

Gerhard Gangl: Das merkt man an den Leistungen. Die Zahl der Kinder, die das Schuljahr nicht erfolgreich abschließen, ist signifikant gestiegen. Nicht nur das Lernhaus, auch die Lesepaten, die meist älter als 60 Jahre sind, sind weggefallen. Wir haben als Schule zwar versucht, gerade diesen Kindern ein tägliches Angebot zu machen – und die meisten haben es auch genutzt. Aber das hat eben nur aus je einer Stunde Deutsch und einer Stunde Mathematik bestanden. Das war natürlich viel zu wenig.

Was ist das Hauptproblem dabei?

Es wurde in diesen zwei Stunden zu wenig geredet. Wenn diese Buben und Mädchen zu Hause sind, sprechen sie meist nur in ihrer Muttersprache – die meisten Lernhaus-Kinder haben Migrationshintergrund. Im Normalfall ist das Lernhaus ein guter Ausgleich, weil die Kinder sich dort auf Deutsch unterhalten.

Lernen macht Kindern oft wenig Spaß. Gehen die Kinder trotzdem gerne hin?

Ich war vor einer Stunde wieder einmal in den Gruppen und muss sagen: Als Kind wäre ich da auch gerne hingegangen. Hausübungen in kleinen Gruppen zu machen, ist lustvoller als zu Hause zu sitzen und die Mutter kontrolliert. Das Schöne: Sie lernen nicht nur gemeinsam, sondern spielen nachher auch noch miteinander oder gehen raus. So erleben sie Gemeinschaft.

Bringt das Lernhaus allen Kindern etwas?

Wunder kann es natürlich nicht vollbringen, doch es hilft, Defizite zu reduzieren. Und die sind groß, wie die heurige Schuleinschreibung wieder gezeigt hat: Die Bandbreite bei der Entwicklung beträgt bis zu vier Jahre. Da braucht es einiges, um diese Defizite abzubauen – neben dem Vorschuljahr ist das Lernhaus ein ganz wichtiger Faktor.

Was bedeutet die Coronakrise für Kinder mit Defiziten?

Viele dieser Schüler müssen das Jahr wiederholen.

Und das war früher, als viele noch ins Lernhaus gingen, nicht so?

Soweit ich mich entsinnen kann, haben alle Kinder, die langfristig das Lernhaus besucht haben, die Volksschule erfolgreich absolviert. Ich erinnere mich da auch an einen Buben, bei dem kaum eine Lehrkraft das für möglich gehalten hätte. Aber mit Hilfe der Unterstützung am Nachmittag hat er die vierte Klasse geschafft.

Wie wichtig ist ein erfolgreicher Volksschulabschluss für die spätere Schul- und Berufskarriere eines Kindes?

Immens. Es geht ja nicht nur darum, dass der Stoff verfestigt ist und die Kinder die Grundrechnungsarten beherrschen sowie gut Lesen und Schreiben können. Die Schülerinnen und Schüler müssen in dieser Zeit auch eine Arbeitshaltung und Leistungsbereitschaft entwickeln sowie lernen, Verantwortung für ihr Tun und ihr eigenes Leben zu übernehmen. Das sind Eigenschaften, die sie nach meiner Erfahrung auch im Lernhaus trainieren.

Was ist Ihrer Meinung nach das Erfolgsgeheimnis des Lernhauses?

Die Atmosphäre, die dort herrscht, ist entscheidend. Die Kinder haben das Gefühl, dass sie wichtig sind und dass man sie nicht fallen lässt. In der Praxis heißt das: Wir schauen, dass sie in Kleingruppen oder gar im Einzelunterricht lernen. So fühlen sie sich angenommen und wertgeschätzt. Dort, wo Kinder das Gefühl haben, dass man sie fallen lässt, kommen dann die Verhaltensauffälligkeiten dazu.

200 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 15 Jahren werden jedes Jahr in KURIER-Lernhäusern betreut

Neun Standorte
Mittlerweile bietet das Bildungsprojekt bereits an neun Standorten in Wien, Niederösterreich und Tirol kostenlose Lernhilfe und Nachmittagsbetreuung an. Betrieben werden die KURIER-Lernhäuser vom Projektpartner, dem
Österreichischen Rotes Kreuz.  Während der Lockdowns arbeiteten die Lernhäuser vor allem über digitale Kanäle mit den Kindern. Derzeit stellen sie Schritt für Schritt wieder auf Präsenzbetrieb um – mit wenig anwesenden Personen in den Räumlichkeiten, ausreichend Abstand und den nötigen Hygienemaßnahmen

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