Familie: Die Oma muss nicht immer auf Abruf bereit sein
Die Oma – das war einmal die alte Dame mit grauen Haaren und Dutt, die gerne Kuchen bäckt. Dieses Bild hat mit der Realität allerdings nur noch in Ausnahmefällen etwas zu tun.
Es wird Zeit, sich mit der neuen Rolle der Großmütter zu beschäftigen, dachten sich Gundi Mayer-Rönne, selbst Oma und Psychotherapeutin, und Carina Manutscheri, eine junge Mutter, die sich nach der Karenz als Biografin selbstständig gemacht hat. Gemeinsam haben sie ein Buch geschrieben – „Oma werden, Oma sein“.
Ihr Anliegen: Spätestens wenn das erste Enkerl da ist, ist es an der Zeit, dass Frauen über die Rolle, die sie jetzt spielen wollen, nachdenken. Wie wichtig das ist, weiß die Psychotherapeutin Mayer-Rönne aus der Praxis, wo sie oft entsprechende Fragen bespricht – zum Beispiel: „Wie habe ich mich als Kind erlebt, wie als Mutter? Was würde ich heute anders machen?“ Anstatt ein schlechtes Gewissen zu haben, sei es jetzt wichtig, Frieden mit seinen Entscheidungen zu schließen.
„Gerade Frauen haben oft einen inneren Richter, der hart mit ihnen ins Gericht geht, weil sie in jeder Situation alles richtig machen wollen. Der Schritt in die zweite Reihe gibt Gelegenheit, alte Muster zu überdenken“, sagt Manutscheri. Mütter stecken z. B. oft ihre eigenen Bedürfnisse zurück – auch später als Oma: „Haben Sie Mut. Fragen Sie, wer Sie jetzt sein wollen und was Sie darin hindert, so zu sein, wie Sie wollen? Oder auch: Welche Beziehung will ich zum Enkelkind?“, so Mayer-Rönne.
Ein Recht auf den Friseurbesuch
Großmütter sollten sich die Frage beantworten, ob sie immer auf Abruf sein wollen, wenn Tochter oder Schwiegertochter sie brauchen. „Omas haben auf jeden Fall das Recht, Zeit für sich selbst zu beanspruchen – und sei es nur der Friseurbesuch“, meint Manutscheri.
Und sie sollten mit den jungen Müttern besprechen, was von ihnen erwartet wird, und gemeinsam einen Weg finden, der alle zufriedenstellt. Mayer-Rönne hat etwa mit ihren Kindern ausgemacht, dass Montag der Oma-Tag ist: „Da stehe ich für die Enkel immer zur Verfügung.“ Von so klaren Regeln hätten alle etwas, auch die Oma: „Sie kann der Mensch im Leben des Enkerls sein, zu dem es immer kommen kann, der immer ein offenes Ohr hat, ohne dass er gleich die große Lösung weiß“, sagt die Therapeutin. Das sei nochmals eine Chance, eine Generation ein Stück des Wegs zu begleiten und ihnen mitzugeben: „Du bist wertvoll und hast einen Platz in dieser Welt. Das prägt ein ganzes Leben.“
Großväter einbeziehen
Das schafft eine enge Beziehung zum Enkelkind: „Ich kann darin Erfüllung finden, wenn ich mit ihnen etwas unternehme“, sagt Mayer-Rönne. Das gelte auch für Großväter. „Es liegt auch an uns Frauen, sie mehr in die Care-Arbeit miteinzubeziehen.“ Eine Hilfe, die auch junge Mütter glücklich macht, wie Manutscheri weiß: „Ich habe mich kurz nach der Geburt meiner Kinder selbstständig gemacht – ohne die Großeltern wäre das nicht möglich gewesen.“
Die drei Schätzkästchen der Großeltern
Humor, Wertschätzung und Gelassenheit – für Gundi Mayer-Rönne sind sie der Schlüssel zum Glück. „Das lässt sich trainieren. Echter Humor hat zum Beispiel damit zu tun, dass ich über meine eigenen Hoppalas lachen kann und auch großzügig mit mir und meinen Glaubenssätzen umgehe, was auch wieder mit Gelassenheit zusammenhängt.“
Ein Glaubenssatz kann etwa sein, dass die Wohnung immer perfekt sein muss. Gemeinsam lachen und aus dem Aufräumen ein Spiel zu machen, ist doch viel schöner. „Da muss man auch seine eigenen Werte reflektieren, was wir viel zu selten tun“, sagt die Psychologin. Das habe Folgen. „Wenn wir erleben, dass jemand andere Lösungen parat hat als wir, sind wir schnell dabei, den anderen abzuwerten. Wer anderes anerkennt und wertschätzt, entschärft Konfliktsituationen.“
Ihr Rat an Großeltern: „Seien Sie empathisch und reflektieren Sie die Traditionen ihrer Schwiegerkinder, die Ihnen vielleicht fremd sind. Diese kann man akzeptieren, ohne sie sich selbst eigen machen zu müssen.
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