Designerin Marina Hoermanseder: "Ich bin gerne Hausweibchen"
Hier irrt der Feminismus! Die Designerin Marina Hoermanseder über frauenrechtliche Trugschlüsse, ihr bald geborenes erstes Baby - und Maßkleidung für den Hund von Lady Gaga.
Extrawurstsemmeln! Eigentlich Veganerin, wurde Marina Hoermanseder im achten Monat der Schwangerschaft von völlig neuen kulinarischen Gelüsten überwältigt, erzählt uns die Wahlberlinerin lachend. Mit ihrem ersten Baby geht ein Traum für die Wienerin in Erfüllung. Einen anderen hat sie sich längst verwirklicht: Von Berlin bis New York, ihre Outfits sind äußerst begehrt, Stars von Jennifer Lopez bis Taylor Swift lieben die Mode der 34-Jährigen. Inspiriert von der Orthopädie, sind Schnallen-Looks und Korsetts ihr Markenzeichen geworden.
freizeit: Marina, Ihre visuelle DNA ist unverkennbar. Meist kristallisiert die sich früh heraus. Was haben Sie denn als Teenager getragen?
Marina Hoermanseder: Fest steht auf jeden Fall eines: Meine Eltern sind damals an mir verzweifelt.
Wieso das denn?
Wie ich ausgesehen habe! Ich habe wirklich jeden Trend mitgemacht. Skaterhosen waren groß in Mode, für meine Eltern ein Albtraum. Deshalb durfte ich auch keine tragen. Doch ich bin das erfolgreich umgangen: Nachdem mein Vater mich in der Früh in die Schule gebracht hat, war mein erster Weg aufs Klo. Dort habe ich meine brave Hose aus- und meine Skaterhose, die ich im Rucksack hatte, angezogen. Und war dann die Coolste am Gang.
Kleider haben Sie nie getragen?
Kleider habe ich immer nur äußerst widerspenstig angezogen. Im Grunde nur zu Weihnachten und zu Ostern. Ich wollte immer nur Hosen tragen. Und T-Shirt. Alles sehr knabenhaft und sportiv.
Heute ist das Markenzeichen Ihrer Mode die Schnalle. Ein Schleifchen war Ihnen offenbar zu lieblich?
Irgendwie schon. Obwohl ich mittlerweile auch mit romantischen Elementen wie Schleifchen und Rüschen arbeite. Die Schnalle hat sich anfangs von selbst ergeben. Sie war plötzlich DA. Ich hatte mich nicht hingesetzt und mir den Kopf zerbrochen, was mein Wiedererkennungsmerkmal sein könnte. Nach meinen Recherchen zur Orthopädie lag sie als Verschlusselement klar auf der Hand.
Die Orthopädie als Inspiration, wie kam das?
Nach meinem Praktikum bei Alexander McQueen war ich fasziniert von Schnürkorsagen. Im Internet bin ich dann auf ein orthopädisches Korsett gestoßen, das fand ich wahnsinnig geil. Und wollte es nachbauen. Ich habe mich richtig verbissen in die Sache und schließlich Metallprothesen in Leder nachgebaut. Heute noch entstehen meine geformten Lederteile im Orthopädie-Handwerk.
Und Stars wie Taylor Swift oder Katy Perry reißen sich um sie. Haben Sie tatsächlich einmal etwas für den Hund von Lady Gaga entworfen?
Für Asia, ihre französische Bulldogge, haben wir einmal ein maßgefertigtes Ledergeschirr gemacht. Das war witzig: Der Hund wurde exakt vermessen und uns seine komplette Maßtabelle in einem Excel-Sheet übermittelt. Daran haben wir uns gehalten.
Ein Gedankenspiel: Sie werden von Lady Gaga eingeladen, mit ihr einen Abend zu verbringen und zum Dinner zu treffen. Was würden Sie sie fragen?
Ich würde sie fragen, ob es wirklich so cool ist, so berühmt zu sein, wie sie es ist.
Und was würden Sie tragen?
Hoermanseder, von Kopf bis Fuß. Definitiv.
Gibt es eine Berühmtheit, die Sie gerne einkleiden würden?
Ich bin ein riesiges Fangirl von Meghan Markle. Auch wenn ihr persönlicher Stil weit von meinem entfernt ist, wäre das ein Traum von mir und ein Ritterschlag für mich, etwas Schickes für sie anzufertigen.
Warum hat es Ihnen Meghan so angetan?
Ich finde sie wunderschön; ihr Stil ist wunderbar weiblich, zeitlos und klassisch, und dennoch strahlt sie etwas Mädchenhaftes, Nahbares und Süßes aus. Was ich an ihr am tollsten finde: Ihre immens herzliche Ausstrahlung – obwohl sie das Leben lebt, das sie nun mal lebt.
Ist es völlig normal für Sie geworden, so berühmte Kunden zu haben?
Es gehört mittlerweile zum Beruf. Gleichzeitig bin ich jedes Mal geflasht. Früher war diese Welt so weit weg. Heute sieht man, wie klein sie ist und nahe, wenn plötzlich das Telefon klingelt und es heißt, Jennifer Lopez möchte dein Kleid in dieser oder jener Farbe. Gewöhnen werde ich mich daran nie. Dazu bin ich zu sehr Fan und einfach nicht cool genug. Möchten Sie wissen, bei wem ich aber wirklich enorm aufgeregt bin?
Verraten Sie es uns!
Bei Blümchen alias Jasmin Wagner. Als Lady Gaga berühmt wurde, war ich schon ein bisschen älter. Aber von Blümchen hatte ich mit 13 Jahren ein Poster an der Wand hängen. Wenn sie zu einer meiner Shows kommt, bin ich immer noch total geplättet.
Jüngst haben Sie eine Kollektion mitentworfen, deren Erlöse der Seenotrettung von Flüchtlingen zugutekommt. Versagt die Politik, muss die Mode einspringen?
Es ist immer leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Ich reibe keinem unter die Nase, nichts zu machen – sondern mache selbst. Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen. Niemand soll als Flüchtling stigmatisiert werden. Das sind Menschen, die nicht so viel Glück hatten wie ich, die von Anfang an auf der Sonnenseite des Lebens gelandet ist. Wir arbeiten mit diesen Menschen zusammen. Mein designter Pullover wird von einem Flüchtlingscamp mitproduziert.
Muss Mode heute gesellschaftlich Flagge zeigen, um relevant zu sein?
Sie sollte es! Kleidung ist so viel mehr: Kommunikationsmittel und Ventil. Ich habe eine Reichweite und eine Stimme. Und die möchte ich nützen.
Auch Klimawandel und Umwelt sind in der Mode aktuell ein Thema. Fast Fashion, also die Massenproduktion von Wegwerfkleidung und Konsumwahn stehen in der Kritik. Wie oft tragen Sie ein T-Shirt, bevor Sie es wegwerfen?
Da sind Sie bei mir falsch. Ich bin ein Keeper! Alte Lieblingsteile schmeiße ich nicht weg. Ich probiere es zwar, aber zwei Tage später hole ich sie wieder aus dem Karton zurück. Es findet generell ein Umdenken statt. Viele Modehäuser machen nur noch eine Kollektion im Jahr. Auch das Konsumverhalten ändert sich: Klumpert kaufen fällt weg, dafür ist Multifunktionalität gefragt – Hosen, die ich zu Hause tragen kann, aber auch mit High Heels auf der Straße.
Eben haben Sie die Grid Girl-Outfits der Rennserie DTM entworfen. Das richtige Umfeld für Ihre Mode?
Ich habe mitgemacht, weil ich das Image der Grid Girls aufbrechen wollte – die Mädels sollen sich in den hautengen Outfits nicht degradiert fühlen. Das ist mir gelungen. Die Models haben sich auf positive Weise sexy gefühlt – es war ihnen nicht unangenehm. Es ist ja ein Trugschluss des Feminismus, wenn es heißt, wir Frauen dürfen nicht sexy sein, weil wir sonst darauf reduziert werden. Der echte Feminismus ist: Wir sind sexy, stehen dazu und machen es uns sogar zunutze.
Es ist zwiespältig, wenn im Feminismus noch über Rocklängen diskutiert wird.
Eine echte Feministin ist für mich eine Frau, die den Rock anzieht, auf den sie Lust hat – egal wie kurz oder lang er ist. Ich stehe für Frauen in Führungspositionen, die keine Stutenbissigkeit kennen. Gleichzeitig bin ich gerne Hausweibchen. Ich werde mich nicht verstecken, weil ich es liebe zu kochen – nur um als Geschäftsfrau ernst genommen zu werden. Das war auch nie notwendig. Charmant, eine Frau und Österreicherin – mit dieser Kombi habe ich immer nur gepunktet.
Sie sind im achten Monat schwanger. Wie werden Sie Ihre Arbeit fortsetzen?
Mein Anspruch ist: Alles soll funktionieren wie jetzt. Nur wahrscheinlich mit weniger Schlaf. Ich bin keine, die ihr Leben komplett nach dem Baby ausrichtet. Das ginge auch nicht. Ein Kind kommt in mein Leben. Es wird sich daran gewöhnen, mit allem, was dazugehört: Trubel, Chaos, immer unterwegs und unter Hochspannung.
Wie möchten Sie Ihre Tochter erziehen?
Halb österreichisch, halb berlinerisch: Das erste meint, einen Hofknicks zur Begrüßung zu machen, wenn Besuch da ist. Das habe ich als Kind auch gemacht. Zweiteres meint, dass meine Tochter offen jeder Kultur und jedem Glauben gegenüber steht. Das Wichtigste ist, dass sie anständig wird und ehrlich.
Ist auch Heiraten ein Thema?
Ich wollte nicht, dass es heißt, wir heiraten nur, weil ein Baby kommt. Sobald ich wieder in Shape bin, steht einer Hochzeit aber nichts im Wege. Am liebsten im Stephansdom – das war immer mein großer Traum.
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