Wie Küsse in der Beziehung das Sexleben beeinflussen
Megan Fox und ihr neuer Lover züngeln ungehemmt auf dem roten Teppich, Jennifer Lopez und Ben Affleck küssen sich vor den Linsen der Paparazzi innig auf den Straßen New Yorks. Öffentliches Knutschen scheint das neue Lieblingshobby der Stars zu sein, seit die Pandemie in den USA einigermaßen im Griff ist – aber was sagt die Frequenz der Lippenbekenntnisse über die Qualität der Beziehung und des Sexlebens von (Ehe-)Paaren aus?
Dieser noch erstaunlich wenig erforschten Frage gingen nun Forscher der US-Universität Brigham Young nach und schrieben ihre Ergebnisse im Journal of Sex & Marital Therapy nieder.
Für ihre Studie stellten sie 878 Teilnehmern, die zumindest zwei Jahre lang in einer Beziehung lebten, zwei Fragen zum Thema Küssen: Wie oft küssen Sie Ihren Partner durchschnittlich auf die Lippen – jeden Tag, ein paar Mal pro Woche, fast nie? Wie häufig und innig wurde während des letzten Geschlechtsverkehrs geknutscht?
Zudem wollten sie wissen, wie es um die Häufigkeit von Orgasmen und Sex im Allgemeinen bestellt war und wie (un-)zufrieden die Partner mit der Beziehung und ihrem Intimleben waren. Vor allem bei den Frauen zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen häufigem Küssen während des Liebesspiels und höherer sexueller Zufriedenheit bzw. konstanteren Orgasmen. Noch stärker war der Effekt in die andere, negative Richtung: Wer weniger knutschte, war in seiner Partnerschaft eher unglücklich.
Küssend in Dialog treten
Den deutschen Psychotherapeuten und Philematologen (also Kussforscher) Wolfgang Krüger überrascht das wenig. „Küssen ist ein Rausch der Sinne, weil alle fünf Sinne – Riechen, Schmecken, Hören, Fühlen, Sehen – beteiligt sind. All das findet im Gesicht statt, es ist eine intensive Begegnung, wo wir uns näher kommen als beim klassischen Sex. Und dies ist vor allem für Frauen wichtig, die den Begegnungssex lieben“, erklärt der Berliner Buchautor (Nähe und Autonomie in der Liebe).
Männer würden sich mitunter eher mit reinem „Körper-Sex“ zufriedengeben: „Da Küssen vor allem eine Form des körperlichen Dialogs ist, wird er von Frauen bevorzugt. Männer weichen diesem Dialog oftmals ein wenig aus.“
Bereits vor Jahren kam der New Yorker Verhaltenspsychologe Gordon Gallup zu dem Schluss, dass Küssen für Frauen in Langzeitbeziehungen einen höheren Stellenwert einnimmt als für Männer. Diese küssen demnach eher, um die Wahrscheinlichkeit für Sex zu steigern; 80 Prozent der Frauen gaben in der Umfrage an, dass Küssen für sie eine Voraussetzung für Sex sei, jedoch nur die Hälfte der Männer.
Frühwarnsystem für die Ehe
Für Frauen, die in ihren langjährigen Partnerschaften unzufrieden sind und selten zum Höhepunkt kommen, könnte häufigeres, intensiveres Küssen eine mögliche Lösung sein, schlussfolgern die Autoren der aktuellen Umfrage.
Doch mit fortlaufender Dauer einer Beziehung wird gerade diese Praktik am ehesten vernachlässigt, sagt der Therapeut. „Küsse verflachen in den meisten Fällen, weil die Nähe nicht mehr gesucht wird. Konflikte und Enttäuschungen führen dazu, dass wir uns aus dem Weg gehen. Und was am ehesten auf der Strecke bleibt, ist das Küssen, während die Sexualität noch praktiziert wird. Insofern ist das Küssen immer ein Frühwarnsystem für die Qualität der Ehe.“
Durch die erzwungene Zweisamkeit der vergangenen eineinhalb Jahre wurde in den guten Beziehungen eher mehr, in den labileren eher weniger geschmust, beobachtete Krüger. Für Hollywoods frisch verliebte Neo-Paare und ihr Teenager-Verhalten hat der Psychologe auch eine Erklärung parat. Die Freude am öffentlichen Geturtel begründet er nicht nur damit, dass dabei 30 Gesichtsmuskeln trainiert, ein Hormonmix ausgeschüttet und das Immunsystem gestärkt wird. „Nach der langen Pandemie sind wir regelrecht ausgehungert“, sagt der Experte. „Wir sehnen uns nach intensiven Küssen, weil dies für uns auch ein Zeichen der Normalität ist.“
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