„Wir wollen innerhalb von zehn Jahren 85 Prozent aller heimischen Arten erfassen“, sagt Nikolaus Szucsich. Der ABOL-Manager, der vom Naturhistorischen Museum Wien NHM aus mehr als 40 Partnerorganisationen koordiniert, weiß, dass manch weißer Fleck bestehen bleiben wird. Die Chance, einen seltenen Winzling ein zweites Mal in die Petrischale zu bekommen, tendiert gegen Null.
Libellen gut erfasst, Lücken bei Milben
Die Datenbank wächst trotzdem laufend. Die Erfassung der Libellen etwa, von der Blaugrünen Mosaikjungfer bis zur Blutroten Heidelibelle, ist bereits weit gediehen. Bei den Pilzen ist Österreich gar federführend. Die Milben dagegen nehmen derzeit nur ein kurzes Kapitel im digitalen Bestimmungsbuch ein. Ihre Vielfalt wurde massiv unterschätzt, die Sichtung der 0,1 mm bis 3 cm großen Tierchen, lediglich in kleinsten Details unterschiedlich, braucht Zeit. Auch bei Insekten mit all ihren Entwicklungsstadien gibt es viel zu sequenzieren.
Natur bietet Überraschungen
Nicht zuletzt kommt es bei der Inventur der Natur immer wieder zu Überraschungen; selbst bei Arten, die man zu kennen glaubte. So wurde bei der 5.300 Jahr alten Gletschermumie Ötzi ein Zunderschwamm gefunden. Erst seit dem Vorjahr ist klar, dass hierzulande zwei Arten wachsen – eine auf Eichen, eine auf Buchen. Hier und da entpuppen sich optische Doppelgänger als ferne Verwandte bzw. Fremde; samt unterschiedlicher Aufgaben im Ökosystem.
DNA-Sequenz für den Vergleich
„Mit der Genetik ist vieles bestimmbar. Bei den meisten Tieren reicht ein kleiner Abschnitt in der DNA, nämlich aus dem CO1-Gen, um ein Individuum verlässlich zu identifizieren“, erklärt Szucsich. Ob Tier, Pflanze oder Pilz – zunächst werden in ABOL Sequenzen von eindeutig bestimmbaren Organismen erstellt. Diese DNA-Barcodes kommen in eine frei zugängliche Datenbank, die Objekte ins Archiv. Gen-Abschnitte unbekannter Natur können dann über den Vergleich mit den Referenzsequenzen Arten zugeordnet werden.
„Internationale Kooperation ist dabei sinnvoll. Mit BOLD gibt es eine Datenbank für die ganze Welt“, sagt der Zoologe. Das globale Abgleich zeigte zum Beispiel, wie sich alpine Schmetterlinge von skandinavischen unterscheiden. Darüber hinaus können DNA-Barcodes Bio-Invasoren entlarven, die Verbreitungswege der Aliens nachvollziehbar machen und Abwehrmaßnahmen ermöglichen.
Artenverlust dokumentiert
„Jeden Tag verschwinden Arten. Der Verlust passierte bisher oft im Stillen, weil viele Organismen nur von wenigen Experten bestimmt werden konnten“, sagt Szucsich. ABOL hilft nun, Datenlücken sicher und schnell zu schließen. Der Smaragdgressling aus der Oberen Mur übrigens profitiert von seiner Erfassung. Er soll noch diesen Sommer unter Naturschutz gestellt werden. Für den Schlammpeitzger dagegen dürfte es zumindest in der Lobau kaum Rettung geben.
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