Auch im Lockdown soll man feiern - nur eben anders
„Schaffen Sie sich schöne und sinnliche Erlebnisse“, ermunterte der Psychiater Michael Musalek die Österreicher, als er diese Woche eine Studie über die Corona-Krise und ihre Folgen für die Psyche veröffentlichte. „Das bringt nicht nur Freude, sondern fördert auch die Gesundheit.“
Für viele sind gemeinsame Feiern ein Erlebnis, das sie mit positiven Emotionen verbinden – nicht umsonst gibt es in jeder Kultur Feste und Rituale, wie die Psychologin Elena Jäger erläutert: „Es geht dabei ums Loslassen, um Lustgewinn. Wir wollen einmal aus dem Alltag ausbrechen und positive Emotionen erzeugen.“
Besondere Anlässe wie Geburtstag oder Hochzeitstag sind hierfür der ideale Zeitpunkt – selbst dann, wenn die Feier heuer zum zweiten Mal unter Corona-Bedingungen stattfindet.
Auch Feste wie Taufen oder Maturafeiern müssen nicht komplett ausfallen – man muss sie nur anders gestalten. „Viele tun das auch“, stellt die klinische Psychologin Maria-Luise Schöne vom Institut Manage Health fest. Mit Ratschlägen ist sie allerdings vorsichtig, weil sie weiß, „dass insbesondere Menschen, bei denen der Frust besonders tief sitzt, allergisch auf Tipps reagieren“.
Es geht ums Loslassen und um Lustgewinn. Wir wollen aus dem Alltag ausbrechen und positive Emotionen erzeugen.
Elena Jäger, Psychologin
Das Beste machen
Doch sie will allen Mut zusprechen: „Man muss sich auf die Umstände einlassen und aus dem Jetzt das Beste machen. Durchbrechen Sie die Gedankenspirale, die sich nur auf das fokussiert, was nicht möglich ist und konzentrieren Sie sich auf das, was geht: Sie haben mehr Handlungsspielraum als Sie glauben.“
In der Zeit, in der man viel zu Hause war, hat man sich vielleicht besser kennengelernt und jetzt die Chance, besondere Tage auch besonders zu gestalten, wie Psychologin Jäger meint: „Überlegen Sie sich, wer der Mensch ist, mit dem Sie diesen Tag am liebsten verbringen, und feiern Sie mit ihm.“ Manchmal hat es sogar etwas Gutes, wenn man nicht in Konventionen gefangen ist und nur mit jenem Mensch feiert, der einem besonders viel bedeutet. „Manche laden Gäste nur ein, weil es so Konvention ist“, gibt Jäger zu bedenken. Das muss man jetzt nicht.
Wenn mir die Heirat jetzt wichtig ist, sollte ich jetzt heiraten, und das mit einem schönen Kleid und einer Zeremonie.
Maria-Luise Schöne, Psychologin
Möglicherweise fehlt einem manches auch nur, weil man es gerade nicht haben kann. Hand aufs Herz: „Wie oft haben Sie Gasthäuser, Kinos und Theater besucht, die Sie jetzt so schmerzlich vermissen?“, fragt die Psychologin.
Dinge anders angehen
Das Schöne: Jetzt ist die beste Gelegenheit, an Dinge anders heranzugehen als gewöhnlich – und sie so zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen. „Packen Sie Ihren Rucksack, machen Sie ein schönes Picknick und fahren dorthin, wo Sie noch nie waren“, schlägt Schöne vor.
So wird der Tag nicht nur für einen selbst, sondern auch für den Partner oder die beste Freundin zu etwas Außergewöhnlichem, meint Jäger. „Fragen Sie sich: Was macht die Person gerne, für die Sie einen Festtag gestalten wollen? Sind Sie früher gerne gemeinsam Essen gegangen, dann geht es jetzt auch: Werfen Sie sich in Schale und bestellen ein Gourmet-Menü, das Sie sich sonst nicht leisten würden. Oder kochen Sie etwas gemeinsam, an das Sie sich bisher nie gewagt haben. Geht der Liebste gerne ins Kino? Dann besorgen Sie sich einen schönen Film und verwandeln das Wohnzimmer in ein Kino.“
Unter Leuten
Doch kuschelige Zweisamkeit will nicht jeder an seinem Festtag. Das weiß auch Schöne: „Besonders Menschen, die nach außen fokussiert sind und den Trubel brauchen, tun sich da natürlich schwerer. Für die kann die Party übers Internet auch heuer die Möglichkeit sein, alle auf einmal zu sehen und sich zumindest kurzweilig feiern zu lassen.“
Neben Jahrestagen gibt es Feste, die nur einmal im Leben kommen: Maturafeier, Hochzeit oder Taufe. Die verlangen geradezu nach einer Zeremonie. „Das sind kulturell geprägte Rituale, die von Menschen geschaffen wurden und ihnen Orientierung geben. Ein Bedürfnis, das viele Menschen haben – doch das ist im Moment sehr eingeschränkt möglich“, so Jäger.
Schauen, was geht
Dann müsse man sich auf das beschränken, was geht: „Die Matura an sich bleibt ein kollektives Ereignis, weil man gleichzeitig über den Prüfungen sitzt, auch wenn man zuvor nur via Internet miteinander gelernt hat.“ Und manches Fest könne man auch nachholen: „Den 50er kann man auch noch mit 52 groß feiern.“ Immerhin: „Eine Feier im kleinen Kreis ist immer noch besser, als ein Fest ganz abzusagen. Eine kleine Feier im Park ist vielleicht möglich“, meint Schöne.
Und was ist mit der Hochzeit, die jetzt schon zum zweiten Mal verschoben werden muss? „Wenn mir die Heirat jetzt wichtig ist, sollte ich auch jetzt heiraten, und das mit einem schönen Kleid, einer Zeremonie und schönen Fotos zelebrieren. Das große Fest kann man auch in einem Jahr noch machen. Warum sollte ich aufschieben, wenn beide das Bündnis jetzt beschließen wollen?“
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