Vieles hat sich getan in der Gastronomie der vergangenen 30 Jahre. Kulinarik hat gesellschaftlichen Stellenwert bekommen, der Besuch eines Restaurants ist kein Privileg von Börsenmaklern und Seidenfabrikanten mehr, sondern zum Teil des modernen und alltäglichen Freizeit-Verhaltens geworden. Wie in allen anderen Bereichen wurde auch die Gastronomie zur Bühne von Moden und Trends, die mittlerweile ganz schön schnell wechseln können – die früher durchschnittliche Lebensdauer eines Lokals von etwa zwanzig Jahren reduziert sich aktuell gerade dramatisch.
Wir erlebten die „neue Bodenständigkeit“, wir erlebten die mediterrane Welle, wir kosteten zuerst die Fusions-, dann die Molekular-Küche, wir lernten am Teller ferne Länder wie Vietnam und Thailand kennen und plötzlich aßen wir Sachen wie Moos und Rinde, Hauptsache von so nahe wie möglich.
Die fünf Restaurants, die wir Ihnen hier vorstellen, haben auch sehr interessante Entwicklungen gemacht. Manche von ihnen gab es schon lange zuvor, andere entstanden just vor dreißig Jahren, alle fünf aber erweisen sich heute als absolutes Erfolgsmodell.
Und nicht nur heute, wie wir glauben. Diese fünf Restaurants sind nämlich so etwas wie gastronomische Institutionen und absolut dafür gewappnet, uns auch in Zukunft noch Spaß machen zu können. Nicht nur, weil sie großartig kochen, sondern vor allem, weil sie mit der Zeit gegangen sind, ohne ihre Identität und Eigenständigkeit zu verlieren. Wenn das kein gutes Konzept ist, was sonst?
Landhaus Bacher: Zwei Generationen, eine Idee
1989, da war es sechs Jahre her, dass Lisl Wagner-Bacher zur ersten „Köchin des Jahres“ gekürt wurde. Zehn Jahre zuvor hatte die Wirtstochter die familiäre Backhendlstation in der Wachau übernommen und zu einem Inbegriff der österreichischen Version der Nouvelle Cuisine gemacht, die Bodenhaftung der gutbürgerlichen Küche aber nie verlierend – gebackenes Ei mit Kaviar einerseits, Kalbsbutterschnitzerl und gebackenes Bries andererseits.
Gemeinsam mit Reinhard Gerer und Werner Matt zählte sie zu den wenigen Top-Chefs, die man in Österreich damals kannte. 2010 übernahm Thomas Dorfer – Schwiegersohn und Co-Küchenchef – die Leitung des Landhauses, lenkte die Küche in eine moderne, aromatisch-brillante Linie, in der Regionalität auf die Aromen der weiten Welt treffen – also genauso, wie es schon Lisl WagnerBacher machte.
Steirereck: Immer eine Nuance voraus
Das Steirereck gilt heute als das beste RestaurantÖsterreichs. Bei allen heimischen Restaurant-Guides hält es die Höchst-Noten, im Ranking der „Top 50 Restaurants“ (weltweit, wohlgemerkt) liegt es aktuell auf Platz 17. Das war vor 30 Jahren ähnlich. Und doch war alles ganz anders – das Steirereck befand sich noch in der Rasumofskygasse, schwülstig-barocker Landhausstil prägte das Lokal und Heinz Reitbauer Senior hatte gerade als einer der ersten einer „neuen Regionalität“ den Weg geebnet.
Heinz Junior war zu diesem Zeitpunkt 19, begann seinen Weg durch die besten Küchen der Welt. Heute gilt die Linie des Steirereck als Inbegriff der puristischen Saisonalität und Kreativität, Reitbauer und sein Team erforschen neue Aromen, entdecken alte neu, interpretieren und kombinieren. Eine Küche nicht nur für den Bauch, sondern auch für den Kopf. Und für die Zukunft.
Zum schwarzen Kameel: Durchstarten mit 380 Jahren
Die Zahlen sind beeindruckend: Gründungsjahr 1618. Zu dieser Zeit war das Schwarze Kameel eine Gewürz- und Weinhandlung, Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt das Geschäft sein unvergleichliches Jugendstil-Design, dunkles Holz, Pastell-grüne Fliesen, prachtvolle Luster. Legendär waren die Brötchen aus der Vitrine und in der kleinen, edlen Gaststube gab’s zu Mittag brave Wiener Küche. Das blieb lange so.
Bis Peter Friese 1999 beschloss, aus dem Kameel ein Zukunftsprojekt zu machen: Er engagierte eine Spitzen-Köchin, ließ eine Restaurant-Küche bauen, später kam noch eine Patisserie und ein Feinkostladen dazu, der endgültige Modernisierungsschritt erfolgte dann zum 400. Jahrestag: Vergrößerung, Renovierung, Zusammenlegung und Gestaltung aller Bereiche im ursprünglichen Jugendstil-Design, ein gigantische Aufgabe. Die perfekt gelang.
Plachutta: das Tafelspitz-Prinzip
Ewald Plachutta war im Jahr 1989 einer der besten Köche des Landes, sein Restaurant „Drei Husaren“ eine der elegantesten und auch teuersten Möglichkeiten, um in Wien essen zu gehen. Und Plachutta verstand schon in den 80er-Jahren etwas von Diversifikation – er war an der „Gratta Azzurra“, Wiens damals einzigem Edel-Italiener, ebenso beteiligt wie am gutbürgerlichen „Hietzinger Bräu“. Das übernahm er 1987 gänzlich, machte das Plachutta-Stammhaus daraus, wo die bis heute so erfolgreiche Renaissance des gekochten Rindfleisches nach alt-wiener Tradition eingeläutet wurde.
In den folgenden Jahren eröffnete Ewald Plachuttas Sohn Mario zwei Filialen des Erfolgskonzeptes in der Innenstadt und in Nussdorf, später noch das riesige Bier-Lokal „Grünspan“, die mediterrane Grill-Bar „Mario“ und das auf Schnitzel spezialisierte Edel-Gasthaus „Plachutta bei der Oper“
DO & CO: Verlässlich von allem das Beste
Vor 30 Jahren begann der Stern Attila Dogudans erst aufzugehen: Der in der Türkei geborene Gastronomen-Sohn hatte seinen Edel-Imbiss „Do & Co“ in der Akademiestraße kurz zuvor zugesperrt, das Catering lief aber super an, Lauda Air war erster Großkunde. 1990 dann das Restaurant im Haas-Haus, ein bis dahin in Österreich unbekanntes Fusions-System, bei dem es Schnitzel ebenso gab wie Thai-Küche, Hummer und vor allem – damals noch der Inbegriff exklusiver Exotik – Sushi. Eine neue Kategorie von Szene-Restaurant war geboren.
Es folgten das Catering der Formel 1, Niederlassungen in aller Welt, die Übernahme von Demel, der Börsengang. Vor 14 Jahren wurde das Haas-Haus schließlich zum Hotel. Erstaunlich: Das kulinarische Konzept von einst hat sich über die Jahrzehnte kaum verändert – nach dem Motto: Never change a winning Team.
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