Warum gratulieren wir immer öfter via SMS anstatt anzurufen?
Schon aufgefallen? Das Telefon klingelt privat immer seltener. Was weniger damit zu tun hat, dass wir das Handy auf Vibration eingestellt haben. Oder man unbeliebt, untendurch oder sonst wie ungut wäre. Klingelt es dennoch, ist man erstaunt: Dass einer anruft anstatt zu schreiben. Der Kommunikation mögen theoretisch keine Grenzen gesetzt sein – und doch kommt sie verdächtig oft in Form einer SMS oder WhatsApp-Nachricht daher. Letztens, zum Beispiel: J. hat Geburtstag. Ich ruf sie an, gratuliere überschwänglich – und ernte Dank, aber auch großes Erstaunen. Außer ihrer Oma wäre ich der Einzige gewesen, der seine Liebesbekundungen heute telefonisch ausgesprochen hätte. Persönlich! Am Hörer! Live!
Alte Schule eben. Und tatsächlich: Während wir unsere Glückwünsche einst auf Briefen aus Büttenpapier darbrachten, beschrieben mit in Tinte getauchtem Gänsekiel, ausgeliefert mit Ross und Reiter, macht’s heute kurz Plong! in der Hosentasche: nämlich wenn die Handy-Gratulation zum Geburtstag eintrudelt. Was ist aus uns geworden?
Effizienz ist alles
Ein Zug der Zeit, bestätigt uns die Psychologin Petra Erasin. „Wir sind grundsätzlich effizienzorientierter geworden“, erklärt sie. Eine SMS erfüllt diese Eigenschaft: Sie ist schnell getippt, noch dazu problemlos von unterwegs abzuschicken – während die Kulisse für ein privates Telefonat nicht immer gegeben ist. Noch dazu kann eine Textnachricht jederzeit versendet werden. Selbst zu nachtschlafender Stunde, wenn ein Anruf nur stören würde – wir unsere Glückwünsche aber noch unbedingt anbringen wollen.
Auch mit einem Telefonat in eine familiäre Feierlichkeit zu platzen würde viele abschrecken. Weiters kann ein Klingeln auch beim Angerufenen Stress auslösen. „Anrufe sind oft negativ konnotiert“, so Erasin. „Sie versetzen uns in Alarmzustand, weil wir denken, es ist etwas Schlimmes passiert.“ Sie stellt fest: Viele von uns hätten das Telefonieren schlicht verlernt. Ob Pizza bestellen oder zum Jubeltag gratulieren: wir tippen lieber. Negativ bewertet die Expertin das übrigens nicht. „Auch eine Nachricht kann sehr persönlich ausfallen. Und das Schöne ist: Man kann sie immer wieder lesen.“
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