Warum gibt es eine „gefühlte Temperatur“ – und wer bestimmt sie?
Bei Minus-Graden fällt es nicht gar so arg auf. Niemand käme auf die Idee, dass ich leicht friere, nur weil ich eine Daunenjacke trage. Schlimm wird's, wenn die Temperatur auf 10 Grad steigt, dann läuft plötzlich die Hälfte der Wiener in T-Shirts herum, während die andere sich zumindest in Übergangsmäntel und Parkas hüllt. Ich bleibe mit ein paar wenigen Gesinnungsgenossen bei der Daunenjacke, öffne aber die obersten zehn Zentimeter des Reißverschlusses, weil ein bisschen wilder Hund ist man ja doch auch.
Allein, woran liegen diese gravierenden Unterschiede in der Temperaturwahrnehmung? Die Sache mit der „gefühlten“ Temperatur wird ja mittlerweile auf jeder Wetterseite im Internet angegeben und unterscheidet sich oft drastisch von der objektiv gemessenen. Ein wichtiger Faktor dabei ist der Wind, klärt die meteorologische Zentralanstalt in Wien (ZAMG) auf. Bei 10 Grad und Wind friert man also, bei 10 Grad und Windstille kann es in der Sonne durchaus angenehm sein. Der berühmte „Wind-Chill-Faktor“, klar.
Aber auch andere Einflüsse sorgen für Unterschiede, führt die ZAMG weiter aus, unter anderem Luftfeuchtigkeit und Sonneneinstrahlung. Das ist ein wissenschaftlich akzeptiertes Phänomen, es werden sogar eigene Karten für gemessene und gefühlte Temperaturen veröffentlicht. Das Problem: Es wird natürlich ein idealer Durchschnittsmensch zur Berechnung angenommen. Größe, Gewicht, Hautoberfläche, Stoffwechsel, Blutdruck, Transpiration – in Deutschland hat der Kerl sogar einen Namen, „Michel“, und die Berechnung der gefühlten Temperatur folgt dem „Klima-Michel-Modell“. Nun, ich heiß nicht Michel. Und ich friere leicht.
Klaus-Michael Braumann, Präsident der Gesellschaft für Sportmedizin, meint, dass diese subjektiven Unterschiede auch eine Frage der Gewöhnung seien. Klingt allzu einfach, hat aber was. Deshalb laufen dann die Mädels in England auch bei Minusgraden im Minirock ohne Strumpfhose rum. Weil sie durch ihre Schuluniform an Socken und Rock im Winter gewöhnt sind. Ich hingegen durfte, wenn’s ein bissl zugig war, nie ohne Schal, Mütze und Daunenjacke aus dem Haus. Danke Oma!
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