Eigentlich kann man nicht viel unterschiedlicher sein als die beiden, sowohl was den Background als auch das Aussehen anbelangt. Da ist der hünenhafte Fotograf aus Deutschland und der zarte, gerade mal 1,58 Meter große Couturier aus Nordafrika. Duisburg und Tunis, da liegen nicht nur Tausende Kilometer, sondern Welten dazwischen. Dennoch, sie haben einander 1979 in Paris zum ersten Mal getroffen und auf Anhieb verstanden.
Was die beiden verbindet? Mehr, als man auf den ersten Blick glauben möchte. Die bescheidenen Verhältnisse, in denen sie aufgewachsen sind. Der Wille, über die kleine Welt, in die sie hineingeboren wurden, hinauszuschauen. Eine gewisse Sanftheit, die man bei Menschen, die eine derart schillernde Weltkarriere machen, nicht unbedingt vermutet. Die Liebe zur Kunst. So hat Alaïa ursprünglich Bildhauerei studiert, Lindbergh wollte Maler werden.
Frei sollen sie sein
Vor allem aber verbindet sie ein Blick auf die Frauen, wie es ihn leider allzu selten gibt: „Es sollte die Aufgabe eines jeden Fotografen sein, Frauen vom Terror der Jugend und der Perfektion zu befreien“, sagte Lindbergh, der Photoshop und Retuschen hasste. „Ich wollte immer, dass Frauen frei sind. Ich hoffe, dass meine Kleider ihnen diese Leichtigkeit verleihen. Das schönste Kompliment, das ich jemals erhalten habe, war, als sie mich anblickten und sagten: ,Ich fühle mich frei’“, sagte sein Freund Azzedine Alaïa, einer der letzten großen Couturiers, und vielleicht der tatsächlich letzte, der noch das Handwerk der Schneiderei gelernt hat, worauf er Zeit seines Lebens stolz war.
In den 80ern stellte Alaïa jungen, unbekannten Models, die er besonders gerne für seine Kreationen buchte, weil er ihren frischen, noch unangepassten Spirit liebte, sein Pariser Apartment als Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung. Darunter Stephanie Seymour, Naomi Campbell, Christy Turlington, Linda Evangelista. 1988 fotografierte Peter Lindbergh etliche von ihnen gemeinsam für ein Cover der US Vogue – und schuf damit unser Verständnis von „Supermodels“.
Beide trugen auf ihre Art zur Emanzipation der Models in der Modewelt bei, zur Entwicklung vom „Mannequin“, also der Anziehpuppe zur selbstbewussten Frau, die bewundert und verehrt wird.
Im Abstand von nicht einmal zwei Jahren sind die Freunde zwischen 2017 und 2019 gestorben. Nun widmet sich ein Fotoband ihrer langen Zusammenarbeit. Ein fotografisches Fest in Schwarz-Weiß – denn auch diese Liebe teilten sie: zu Schwarz, dem Spiel der Schatten – und zur weiblichen Form.
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