Alles war auf fast magische Weise perfekt, die Frisuren ebenso wie die Vorgärten, die Manschettenknöpfe und die gestärkten Röcke, die Cornflakes, der Frühstückstoast, die Haustiere, die Autos und die Kinder, die Bud oder Sandy hießen, aufgeweckt waren statt aufmüpfig und nichts sehnlicher wünschten, als eines Tages genau so zu werden wie ihre Väter.
Der „Code“ für eine heile Welt
Diese heile Welt hatte das Kino einem Mann zu verdanken: William Hays. Der ehemalige Wahlkampfleiter des konservativen US-Präsidenten Warren Harding war ein Mann mit strengen moralischen Grundsätzen. Die formulierte er im Verlauf der 1920er-Jahre zu einem detaillierten Verhaltenskodex. Er wurde Vorsitzender des Verbands der Filmschaffenden, weil in Hollywood nach etlichen Skandalen und skandalträchtigen Filmen die Angst vor stattlicher Zensur umging. Sich dem Hardliner zu unterwerfen schien noch immer besser, als sich staatliche Verbote einzuhandeln.
Im sogenannten „Hays-Code“ listete der neue starke Mann dann alles auf, was ihm „anstößig“, „unanständig“ oder „sittenwidrig“ erschien. Sein Ziel: eine Ära der „Unschuld“ einzuläuten und die Gesellschaft durch „gesunde moralische Standards“ positiv zu verändern. Und eher als natürlichen Sex oder auch nur Küsse, durften dann schon "erzieherische Maßnahmen" gezeigt werden, durch die die "natürliche Ordnung der Dinge" bekräftigt werden sollte.
Die Bösen durften also nicht nur nie gewinnen, es war auch verboten, sie „glorifizierend“ darzustellen. Coole, sexy Safeknacker? Nein, das könnte „einfache Menschen zur Nachahmung“ ermutigen. Küsse durften nicht „lustvoll“ wirken und nicht länger als drei Sekunden dauern. Nacktheit war natürlich verboten, sogar als Silhouette. Es durfte nicht einmal das Wort „schwanger“ erwähnt werden, man behalf sich mit Ausdrücken wie „in Erwartung“, „guter Hoffnung“.
Wie es zu Schwangerschaften kommen konnte, war ohnehin nicht ganz klar, denn auch Verheiratete durften nicht im selben Bett schlafen. Liegen durften Mann und Frau ohnehin nicht gleichzeitig irgendwo, was zur Folge hatte, dass die Schauspieler in „problematischen“ Szenen immer zumindest einen Fuß flach auf dem Boden hatten, also de facto „standen“.
Womit wir auch beim subversiven Kampf einiger Regisseure wären, die den Code als Herausforderung ansahen. Einige der rasantesten Screwball-Comedies entstanden genau in dieser Zeit, und wenn Cary Grants Freundin in „Leoparden küsst man nicht“ mutmaßt, wo der riesige Dionosaurier-Knochen ihres Paläontologen-Verlobten wohl hingehöre, klopfte sich das Publikum vor Lachen auf die Schenkel. Eine schäumende Champagnerflasche erkannte das Publikum ebenso wie ein zur richtigen Zeit entfachtes Feuerwerk als eben NICHT das, was zu sehen war.
Und wenn Alfred Hitchcock in „Der unsichtbare Dritte“ einen langen Zug in einen Tunnel einfahren ließ, während zuvor Cary Grant und Eva Marie Saint beim Küssen im Liegeabteil zu sehen waren, wussten die Menschen im Kino, was passierte, auch wenn Miss Saint sich noch so bemühte, einen Fuß flach auf dem Boden zu positionieren.
Während Regisseure wie Billy Wilder der Kommission mit frechem Witz auf der Nase herumtanzten und überdrehte Meisterwerke wie „Manche mögen’s heiß“ an allen Regeln vorbei in die Kinos brachten, ignorierte Otto Preminger in seinem Drogen-Drama „Der Mann mit dem goldenen Arm“ die meisten von ihnen ganz einfach. Auch deshalb verlor der „Code“ nach und nach seine Macht.
Erstaunlich eigentlich, dass es ausgerechnet die heute als Inbegriff des Biederen verkannte Doris Day war, die ihm mit ihren „Pyjama-Komödien“ den Rest gab. Gemeinsam mit Rock Hudson und James Garner bewegte sie sich in den 1960ern perfekt und brav innerhalb der Regeln, dehnte sie mit ihrem „Bettgeflüster“ allerdings dermaßen aus, dass die von Hays aufgestellten Punkte keinen Sinn mehr machten.
1966 kam dann sogar ein Skandalfilm wie „Wer hat Angst vor Virginia Wolf“ trotz Code praktisch unzensiert ins Kino, 1968 wurde er durch die noch heute gültige „Altersfreigabe“ ersetzt. Nur zwei Jahre später gewann der als „nur für Erwachsene“ eingestufte Kultfilm „Asphalt-Cowboy“ mit Dustin Hoffman drei Oscars.
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