Das beobachtet auch Psychoanalytiker Hans-Otto Thomashoff, dessen neues Buch den provokanten Titel "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" trägt. "Es zählt, was Eltern ihren Kindern vorleben. Sie prägen die Werte in der Familie", erklärt er im KURIER-Gespräch.
Bei dem heutigen Überfluss sieht er die Impulssteuerung der Kinder in Gefahr: "Es tut Kindern gut, wenn sie auf ein Geschenk warten müssen, das sie erst zu Weihnachten oder zum Geburtstag bekommen können, oder das sie sich ersparen müssen. So lernen sie, dass man nicht alles sofort bekommt. Das geht schon mit etwa vier Jahren. Wenn es keinerlei Einschränkungen gibt, ist das ein Problem", so Thomashoff.
Geschiedene Eltern tun sich dabei oft besonders schwer, stellt er fest: "In einer Elternkonkurrenz schaffen es Erwachsene nicht, vernünftige Entscheidungen zu treffen, sondern wollen sich bei den Geschenken übertreffen."
Doch das Gehirn reagiert nur mit einem kurzen Aufflackern auf die neuen Dinge: "Die Freude über Geschenke hält nicht an. Es hat sich gezeigt, dass nur Geschenke, die mit einem Erlebnis verbunden sind, länger wirken, etwa eine Reise oder ein Ausflug", so Thomashoff.
Dabei stehen die Kinder auch unter Druck, weiß Marianne Römer, Pädagogische Leiterin im SOS-Kinderdorf Wien: "Kaufempfehlung von Influencern auf Instagram, Produktplatzierung auf YouTube und Werbung zwischen Spotify-Songs verfolgen uns fast den ganzen Tag. Besonders in der Pubertät vergleichen sich Jugendliche untereinander und nutzen Konsumgüter, um sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen." Gespräche seien daher wichtig, nicht nur zu Weihnachten: "Setzen Sie sich mit den Wünschen Ihres Kindes auseinander und hinterfragen Sie genau, warum es sich etwas so sehr wünscht."
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Ron Lieber betont, dass man mit Kindern über Geld sprechen soll, damit sie dafür ein Gefühl bekommen, etwa wie viel Kleidung oder Spielsachen wirklich kosten. Taschengeld hält er für einen wichtigen Aspekt, um den Umgang mit Geld zu lernen. Das kann auch ruhig mal eine Bezahlung für eine Tätigkeit wie Autowaschen sein. "So überlegen sich Kinder, was sich in ihrem Budget ausgeht. Und dass man etwas dafür tun muss."
Eltern müssten mit gutem Vorbild vorangehen, meint Thomashoff: "Sie können den Kindern helfen, den Blick für Menschen zu schärfen, denen es nicht so gut geht." Das sei jedoch eine Gratwanderung: "Manchmal spenden Menschen vor allem deswegen, damit sie sich dann besser fühlen." Armen Kindern selbst Geschenke zu bringen, gibt einen Einblick in das Leben der anderen, dringt aber in deren Privatbereich ein.
Mama Gerrit macht sich viele Gedanken, nicht nur vor Weihnachten: "Man kann dem Kind ja nicht sagen: ,Sei bescheiden!’, das muss von innen kommen. Wir waren in der Ausstellung "arm sein in Österreich" in Graz und mein Sohn hat mit der Klasse den Kost-nix-Laden in unserer Gemeinde besucht, das hat Stoff für viele Gespräche gegeben."
Martina sieht das etwas anders: "Man muss nicht alles kaufen, aber wer es sich leisten kann, soll sich nicht extra in Lumpen hüllen müssen."
Susanne erzählt, dass sie einem Aufruf der Gruppe "Herz für Familien in Not" gefolgt ist: "Wir beschenken einen Jungen, der zwei Jahre jünger als mein Sohn ist, zu Weihnachten. Es gibt Kontakt vorab zur Mutter und so kann ich klären, was sie braucht und gerne annehmen möchte. Mein Einzelkind wird so Einblick gewinnen, was es heißt, in einer großen Familie aufzuwachsen, wo die finanziellen Mittel knapp sind."
Manche Aktionen vor Weihnachten sieht Thomashoff skeptisch, auch wenn sie gut gemeint sind: "Wenn Kinder etwas Altes herschenken sollen und dann etwas Neues dafür bekommen, wirkt es wie ein Tauschhandel. Das ist nicht ideal."
Hineinversetzen
Sich in die Situation eines anderen Kindes hineinzuversetzen, ist eine wichtige Eigenschaft – Empathie genannt. Da hilft es, wenn der andere Mensch spürbar wird, wie bei einer Patenschaft für ein Kind (siehe oben "Weihnachten: 10 Ideen für gute Menschen").
Für starke Emotionen sorgte daher eine Twitter-Nachricht, die zur selben Zeit veröffentlicht wurde wie die Luxus-Wunschliste. Ein britischer Sozialarbeiter postete den Brief einer Siebenjährigen an den Weihnachtsmann: "Können wir bitte ein Zuhause für Weihnachten haben? Mama möchte, dass wir zusammen sind. Kannst du uns Essen bringen und für mich nur eine Puppe? Danke."
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