Jesper Juuls letztes Buch: Diese Tipps helfen in der Trotzphase
Die Situation ist typisch: Ein kleines Kind schreit und wütet, die Mutter oder der Vater versucht es zu besänftigen, ein paar Zuschauer beobachten sie neugierig. Eine Süßigkeit im Supermarkt, der Abschied vom Spielplatz, das Anziehen einer Haube – die Gründe sind austauschbar. Die Verhaltensweisen nicht, betonte der dänische Familientherapeut Jesper Juul, der im Vorjahr verstarb: „Wir wollen so sehr, dass unsere Kinder glücklich sind, dass sie niemals unglücklich sein dürfen, und so versuchen wir alles, um ihnen jede Frustration zu ersparen. Aber Frustrationen gehören zu allen Lernprozessen dazu“, schrieb er seinem letzten Buch „Dein selbstbestimmtes Kind“, das heute, Montag, herauskommt.
Eltern-Coach Linda Syllaba beobachtet, dass es häufiger solche Kinder mit Problemen bei der Frustrationstoleranz gibt: „Die Trotzphase gab es immer. Aber jetzt erlebt man mehr orientierungslose Eltern."
Mama-Bloggerin Daniela Gaigg („Die kleine Botin“) musste erst lernen, in Konfliktsituationen richtig zu reagieren, gibt sie zu: „Ich habe mir Hilfe geholt. Denn ich wollte es anders machen als es in meiner Kindheit war.“ Gemeinsam mit Syllaba hat sie das Buch „Die Schimpf-Diät“ geschrieben, mit denen sie Eltern helfen wollen, die Nerven zu bewahren.
Sehen Sie die beiden im KURIER-Family-Talk über die Trotzphase.
Diese Tipps helfen Eltern, die Trotzphase zu bewältigen:
Beim Nein bleiben
Gelernt hat Syllaba bei Jesper Juul persönlich. Seine wichtigste Aussage: „Es hilft nicht, wenn Sie in so einer Situation nachgeben. Das Kind lernt nur, dass es mit Aufregen sein Ziel erreicht. Es braucht ein liebevolles Nein.“ Wie das geht? Ruhig aber bestimmt bei seiner Meinung bleiben, freundlich im Ton, aber unbestechlich in der Aussage – und nicht laut oder beleidigend.
Er betont, dass die Eltern die Rahmenbedingungen definieren müssen: „Das Kind will, dass Sie entscheiden und auch aushalten können, wenn er mit Ihrer Entscheidung nicht einverstanden und frustriert ist.“ Das testen Kinder aus. Immer wieder.
Nicht überfordern
Dabei unterscheidet Syllaba zwischen einem grundsätzlichen Bedürfnis des Kindes wie Ruhe und einem momentanen Wunsch wie Süßigkeiten oder Handyspielen. In manche Situationen sollte man sein Kind lieber gar nicht bringen. Wenn etwa beim Einkaufen die Interessen immer aufeinanderprallen, ist der Machtkampf vorprogrammiert.
Ein Supermarkt sei oft eine Überforderung für Kinder, vor allem wenn sie schon einen 8-Stunden-Tag im Kindergarten hinter sich haben, Oft müssen sie funktionieren – auch gegen ihren eigenen Willen.
Gaigg hat solche Situationen selbst erlebt: „Ich bin dann auf Augenhöhe mit dem Kind gegangen und habe klare Ansagen gemacht. Und bin schnell hinausgegangen.“
Regeln vorbesprechen
Besser ist, wenn die Spielregeln in Ruhe vorbesprochen werden. Gaigg: „Ich habe mit meinen Kindern vorher geklärt, dass sie sich im Supermarkt eine Sache aussuchen dürfen. Damit war alles klar.“
Grenzen zeigen
Ganz vermeiden sollten Eltern Konflikte jedoch nicht: „Kleine Kinder kennen die Grenzen ihrer Eltern – und ihrer Geschwister – noch nicht. Sie lernen deren Grenzen erst kennen, indem sie über viele Jahre hinweg mit jenen der anderen kollidieren.“ Und es wird immer Situationen geben, in denen ein Kind mit Frustration umgehen muss.
Verhaltensmuster erkennen
Wenn es eskaliert, brauchen kleine Kinder die Erwachsenen, um ihre Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen, zumindest deren Verständnis, betont Syllaba. Manche brauchen die Berührung der Eltern, um ihre Emotionen zu regulieren, andere Abstand und andere sind logischen Argumenten zugänglich. Jedenfalls ist es wichtig, seine Befindlichkeit auszusprechen statt einfach nur mit dem Kind zu schimpfen.
Kommunikation üben
Eine besonders harte Lektion ist es für Eltern, wenn Kinder ständig Grenzen verletzen, bei kleinen Kindern kann das etwa Beißen oder Schlagen sein. Das muss gar keine absichtliche Grenzverletzung sein. Juul: „Ein Kind kann auch aggressiv sein, weil er so viel ausdrücken will, es aber nicht mit Worten sagen kann.“
Syllaba: "Man muss dem Kind immer wieder helfen, seine Gedanken auszudrücken. ,Du ärgerst dich jetzt, dass wir schon gehen, aber ...'
Strenger oder verständnisvoller
Schwierig ist für Eltern oft die Entscheidung zwischen mehr Grenzen oder mehr Verständnis für das Kind. Juuls Antwort an eine verzweifelte Mutter: „Ich glaube, dass Ihr Sohn eine andere Art von Führung braucht, vor allem mehr Dialog, womit ich weder Verhandlungen noch Diskussionen meine. Sie sollten darüber sprechen, was er will und was Sie wollen, und dann können Sie eine Entscheidung treffen, wie Sie sich verhalten.“
Größere Kinder entwickeln die Methoden weiter, um Grenzen auszutesten. Daher wird die Vorschultrotzphase manchmal als „kleine Pubertät“ bezeichnet“. Wenn die kleine stark ausgeprägt ist, werde die echte nicht so schlimm, bestärken Eltern einander. Damit sie trotzdem die Nerven bewahren.
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