Jesper Juul: Tipps für verzweifelte Pubertäts-Eltern

Die Eltern brauchen in der Pubertät nicht auf Kuschelkurs gehen – sie sollten ruhig Stärke zeigen.
In seinem neuen Buch zeigt Jesper Juul, wie Eltern die Beziehung zu ihren Teenager-Kindern retten.

Die 14-jährige Tochter hält sich nicht an die Ausgeh-Zeiten. Der 16-jährige Sohn will nicht lernen und riskiert sein Zeugnis. Die 13-Jährige findet sich zu dick. Der 17-jährige sieht sich am Computer Pornoseiten an. Horrorszenarien für Eltern.

Jesper Juul: Tipps für verzweifelte Pubertäts-Eltern
Jesper Juul
Mit diesen Situationen beschäftigt sich Familientherapeut Jesper Juul in seinem neuen Buch "4 Werte, mit denen Eltern und Kinder durch die Pubertät kommen". Der dänische Berater begleitet seit 30 Jahren Eltern, die nicht mehr weiter wissen, und hat Millionen Bücher verkauft, wie sich mit dem positiven Umgang zwischen Eltern und Kindern beschäftigen. In der Pubertät werden die Beziehungen besonders auf die Probe gestellt, weiß er: „In diesem Alter brauchen Jugendliche den Widerstand der Eltern.“ Viele Konflikte haben mit mangelnder Kommunikation zu tun, zeigt Juul in seinem Buch: „Oft haben Eltern keine klaren Regeln oder Verbote formuliert, aber so strikte Meinungen zum Beispiel zu Alkohol, Sex, Discobesuchen oder Musikgruppen, dass ihre Kinder ihnen darin nicht folgen möchten.“ Wichtig sei immer, im Gespräch mit dem eigenen Kind nicht nur eine Eltern-Rolle zu spielen, sondern ein Mensch mit Wünschen und Gefühlen zu sein: „Wenn man Einfluss auf einen 17-Jährigen ausüben will, muss man Eindruck auf ihn machen“, so Juul. Da kann eine Geschichte aus der eigenen Jugend mehr wert sein das zehn Moralpredigten.

Selbstverantwortung

Jesper Juul: Tipps für verzweifelte Pubertäts-Eltern
Jesper Juul
Viele Erwachsene nehmen das Verhalten der Kinder persönlich, so Juul: „Eltern können sicher sein, dass ihre Teenager das, was sie unternehmen, für sich selbst und nicht gegen ihre Eltern tun.“ In Konflikten würden beide Generationen versuchen, ihre Grenzen zu schützen: Wer sich vom anderen zu viel gefallen lässt, wird unglücklich. Juul beobachtet zwei Reaktionen der Eltern auf das Erwachsenwerden. Eltern verlangen von ihren Kindern, dass sie selbst für sich verantwortlich sind. „Doch selbst bedeutet nicht alleine. Jugendliche brauchen noch die Unterstützung ihrer Eltern“, so Juul. „Andere erhalten einen sehr hohen Service-Level und schaffen dadurch eine Abhängigkeit.“ Für Jesper Juul ist das Zelebrieren des Erwachsenwerdens, etwa bei der Firmung, ein wichtiger Meilenstein. Es ist ein Signal an alle Familienmitglieder, dass sich ihre Beziehung und ihre Verantwortungen verändern. Die Reden der Eltern und des Kindes bei einer Feier sind eine gute Gelegenheit, einander zu würdigen und die Bedeutung, sie für einander haben.

Vertrauen üben

Die Pubertät ist eine Gratwanderung: Das Kind entfernt sich von den Eltern – und das ist gut so. Die Kontrolle aus Kindertagen sollte sich in eine vertrauensvolle Beziehung umwandeln.
„Beim Vertrauen geht es ja gerade nicht darum, dass unsere Kinder all das tun, was wir Eltern für richtig halten, und das unterlassen, was wir falsch finden. Sie brauchen unser Vertrauen, dass sie ihr Bestes geben, um der Mensch zu werden, der sie sein wollen“, schreibt Juul. Die Essenz aus 170 Seiten Jesper Juul? „Ihr Kind muss sein eigenes Leben führen, wie es sich eben entwickelt, und zugleich wissen, dass seine Eltern für ihn oder sie da sind, was auch immer passieren mag.“

Gleichwürdigkeit

„Meine Tochter hat mir gesagt, dass ich sie dauernd belehre. Da ist es mir erst aufgefallen.“ Jeder sollte die anderen so behandeln, wie er es selbst erleben möchte. Es hilft, die Kommunikation zum Kind und zum Partner zu vergleichen.

Integrität

Ein Vater stürmt ins Zimmer seiner Tochter, die gerade Kopfhörer auf hat, und will reden. Sie hört ihn erst, als er sie anfaucht, und erschrickt. Ein Sohn beschimpft seine Mutter. Klar: Jedes Familienmitglied darf seine Grenzen wahren.

Authentizität

Ihr Kind hält sich nicht an die Regeln und die Eltern sind überfordert von einer Situation? Hier hilft, offen über Ärger und Ängste zu reden. Und die Frage: Was ist mir wichtig?

Verantwortung

Eltern sollen Sparring-Partner für ihre Kinder sein. Klare Regeln, die besprochen wurden, vereinfachen das Zusammenleben.

Ihr Kind ist nicht bereit, Aufgaben in der Familie zu übernehmen?

Jesper Juul sieht klare Verantwortungsbereiche für einen Teenager:
• für seine Kleidung – Ordnung halten, waschen, eventuell bügeln und die Kleidung in den Schrank räumen
• für sein Essen – was die Fähigkeiten einschließt, selbstständig einzukaufen und sich bei Bedarf eine eigene Mahlzeit zuzubereiten
• für seine Arbeit – also Schule und Freizeitjobs
• für seinen Transport
• für seine Freizeit
Dass ein junger Mensch in diesen Bereichen für sich selbst verantwortlich ist, bedeutet nicht, dass er diese Tätigkeiten von nun an völlig allein erledigen muss. Es bedeutet nur, dass er für sie zuständig ist, andere Familienmitglieder aber jederzeit um Hilfe bitten kann. Jedenfalls sollte er es zu schätzen wissen, wenn jemand diese Aufgaben für ihn übernimmt.

Sie sind ständig genervt von Ihrem Kind?

Ändern Sie probeweise Ihre Einstellung: Genießen Sie Ihr Kind! Dafür ist es nie zu spät, zeigt die dankbare Reaktion einer Mutter von 14- und 17-jährigen Söhnen: „Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, für all meinen Einsatz als Mutter belohnt zu werden, und im Laufe weniger Tage hat sich meine Beziehung zu meinen Söhnen komplett verändert. Ich hatte ihnen nichts davon gesagt, doch endlich schienen auch sie sich wirklich entspannen zu können. Nun tragen wir keine Kämpfe mehr aus und reden viel mehr miteinander.“

Ihr Kind behandelt Sie ständig respektlos und Sie wollen sich das nicht mehr gefallen lassen?

Greifen Sie zu Papier und Stift und notieren Sie Ihre fünf wichtigsten
Forderungen, die Sie an Ihr Kind bezüglich seines Verhaltens haben. Jeder Punkt beginnt mit: „Ich will, dass du …“ Schreiben Sie nur auf, wie Sie es haben wollen. Nicht, was es unterlassen soll.

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