So geht es Köchinnen und Köchen nach dem Krisenjahr wirklich

So geht es Köchinnen und Köchen nach dem Krisenjahr wirklich
Seit Monaten sind die Restaurants geschlossen – vier Porträts zwischen Verzweiflung und Zukunftshoffnung.

Die Gefühle kommen in Wellen: An manchen Tagen siegt die Resignation, aber viel schlimmer ist die Verzweiflung, die kurz darauf einsetzt. Dann verliert die junge Köchin den Glauben daran, dass wir alle jemals wieder eine Normalität erleben werden.

An anderen Tagen siegt die Hoffnung, dann will die Vorarlbergerin Milena Broger daran glauben, dass diese Krise eine Chance auf eine bessere Zukunft für uns alle birgt. Ihr Restaurant Weiss in Bregenz sieht sie jeden Tag: Verstecken will sie sich nicht, es würde ihr aber auch kaum gelingen, denn sie und Erik Pedersen – ihr Lebens- und Küchenpartner – wohnen über dem Lokal im selben Haus.

Mit Ende Februar wird Österreichs Gastronomie sechs von zwölf Monate behördlich geschlossen sein. Schon die Eröffnung des Weiss fiel dem ersten Lockdown zum Opfer, dann aber erlebte das Team einen super Sommer und im Winter folgte die Auszeichnung mit drei Hauben. "Im Sommer fehlte mir die Energie, an die frische Luft oder auf den Berg zu gehen, weil wir so viel zu tun hatten. Das ist jetzt anders."

Anfangs tat dem Team die Pause im November gut, aber je länger die Pause dauert, desto mehr greift die Fadesse um sich: "Ich frage mich, wofür ich eigentlich da bin." Seit dem Schließen der Gastro am 2. November geht sie früher schlafen und steht früher auf – manchmal später, auch das verschiebt sich. In der Krise hat sich das Paar einen Traum erfüllt: Er hat vier Beine und hört auf den Namen Harley.

"Nach dem Sommer habe ich bemerkt, wie extrem ich für die Arbeit lebe. Die Strategie muss sein, dass wir unser Leben so aufbauen, dass wir möglichst lange fit bleiben.“ Der Hund soll dabei helfen.

So geht es Köchinnen und Köchen nach dem Krisenjahr wirklich

Aber jetzt wird alles wieder anders: ein bisschen zumindest. Broger und ihr Team machen jeden Samstag auf und verkaufen Selbstgemachtes. Der Künstler Alexander Stark gestaltete die Lokal-Fenster zum Start: Seine Arbeit soll Interaktion, Farbe, Freude und einen Perspektivenwechsel bringen – nicht nur für die Kunden.

"Es gibt keine Regeln – alles ist erlaubt, was uns in Schwung bringt: Ich mache gefüllte Knödel und wir bieten unsere beliebte Bergkäse-Sauce an. Das Planen hat uns gezeigt, dass alles wieder Sinn hat. Wir können die Menschen glücklich machen."

Sport tut der Seele gut

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Auch Fabian Günzel will mit "seiner" Kunst wieder glücklich machen, aber so wie vor dem Lockdown. Ohne Take-away, das ist nicht sein Stil – zumindest noch nicht. Alle zehn Tage sperrt der Vier-Haubenkoch sein Aend in Wien-Mariahilf auf und sieht nach dem Rechten, auch wenn es ihm im Herzen wehtut.

Günzel versucht, positiv zu bleiben, auch wenn es ihm schwerfällt. "Ich bin seit vier Monaten am Stück zu Hause – ich fühle mich wie ein Pferd in der Box. Ich will mich nicht beklagen, will nicht sudern, aber ich habe Angst vor einer sozialen Schere in der Gesellschaft."

Wenn er an sein Schicksal und das seiner Branchenkollegen denkt, dann kommen Sorgen – und auch Wut auf die Politik hoch: "Wir sind die Ersten, die zusperren und die letzten, die aufsperren."

Der Sportbegeisterte darf trotz Fitnesscenter-Sperren weiterhin trainieren: Da seine Frau Trainerin im "The COI Vienna" ist, produziert das Paar professionelle Crossfit-Videos für die Mitglieder. "Ich bin jeden Tag dort und sehr froh darüber. Ich wäre sonst nur zu Hause."

Was andere normal ab 16 Uhr finden, fühlt sich für den Deutschen noch neu, aber nicht schlecht an: Videotelefonieren mit Freunden und Familie.

Aufgaben abarbeiten und mehr Zeit für Lehrlinge

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Neuerdings spielt die Niederösterreicherin öfters Karten mit ihren Nichten, früher waren ihre Abende und Wochenenden ausgelastet. Zeit für Familie, darauf musste die Drei-Haubenköchin Theresia Palmetzhofer lange Zeit verzichten: "Die Gefühlslage ist nicht jede Woche gleich. Es ist ungewohnt, plötzlich am Abend Zeit zu haben. Es ist ein Auf und ein Ab, weil man die Öffnungsschritte nicht kennt und nicht weiß, wann es für uns losgeht."

Ihre To-Do-Liste ist lang, Schritt für Schritt, Woche für Woche erledigt sie kleine Arbeiten im Restaurant. Begonnen hat sie mit dem Einlassen des Natursteinbodens, demnächst ist das Sortieren des Weinlagers dran: "Es sind Arbeiten, für die ich sonst keine Ressourcen habe."

Im Gasthaus zur Palme steht sie fast täglich mit ihren Lehrlingen, sie haben sich für Take-away entschieden: „Ich sehe das positiv, jetzt bin ich vermehrt Lehrerin. Ich gebe ihnen spezielle Aufgaben, für die im Normalfall die Zeit fehlt.“

Ein neues Hauben-Restaurant für den Wörthersee

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Der beste Koch Kärntens hat sein Restaurant geschlossen – nein, nicht Corona-bedingt. Vorausgegangen war ein langer Pachtstreit, jetzt im Lockdown beendeten Hubert und Kerstin Wallner schließlich ihr Take-away im See Restaurant Saag am Wörthersee.

"Ich verbringe viel Zeit mit der Familie – auch Homeschooling ist bei uns Thema. Unsere Kinder sind 9 und 12 Jahre alt." Die Familie hat sich für einen Hundewelpen entschieden, geht viel spazieren und hat einen neuen Fitnessraum eingerichtet – dort trainieren alle gemeinsam Kickboxen.

Der Vier-Haubenkoch arbeitet an den Plänen für sein neues Restaurant auf der anderen Seite, der Südseite des Wörthersees. "Es tut mir für die Branche leid. Aber ich muss sagen, es geht mir gut. Diese Zeit ist ideal zum Planen von etwas Neuem – die Kinder reden eifrig mit. Wir hoffen auf einen normalen Sommer."

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