Haya Molcho eröffnet Nenis in Wiener Innenstadt und im Prater
Die wirtschaftlich herausfordernden Zeiten können die Wiener Gastronomen-Familie Molcho nicht stoppen: 2021 wird kräftig expandiert, wie Matriarchin Haya Molcho im Interview ankündigt.
KURIER: Warum ein neues Kochbuch?
Haya Molcho: Das ist eine gute Frage. Jedes Kochbuch ist mit viel Arbeit verbunden, aber weil das Tel-Aviv-Kochbuch so gut funktioniert hat, haben wir gesagt: In Tel Aviv bin ich geboren, in Wien lebe ich, deswegen müssen wir Wien porträtieren. Wir kennen so viele Gastronomen – wir sind nicht alleine gut: Es geht darum, anderen etwas zu gönnen.
Warum eigentlich, Haya Molcho
Der große Unterschied zu den bisherigen Kochbüchern ist, dass Sie für dieses Wiener Gastronomen porträtiert haben. Auch jene, bei denen Sie Stammgast waren.
Schon vor den Kindern war das Café Korb unser Stamm-Kaffeehaus und meistens haben wir wo geparkt, wo wir nicht hätten parken dürfen. Wir haben sehr viele Strafzettel bezahlt – und damit die Stadt Wien unterstützt. Es war unser Kaffeehaus, weil Susanne Widl eine Lebensfrau ist, eine tolle Wirtin. Ich habe alle meine Kinder dort gestillt.
Haben Sie im Lockdown für das Buch selbst gekocht?
Das Buch wäre nicht fertig, wenn wir die Corona-Krise nicht hätten. Wegen des Lockdowns sind alle Kinder zu uns gekommen und wir haben mit den Kindern und ihren Frauen gemeinsam in Weidling gelebt. Dort haben wir auch die Zeit gehabt: Ich habe täglich gekocht, wir haben fotografiert, Nadiv hat auch gefilmt.
Sie haben es genossen, dass alle Söhne zu Hause waren?
Ich genieße es immer, wenn das Haus voll ist. Die Familie ist so wichtig und war mir immer schon wichtig. Auch ich komme aus einer Großfamilie und es war toll, dass alle bei uns waren.
Gibt es etwas, dass Sie gehamstert haben?
Wenn man zu uns kommt, glaubt man, man hat einen Weltkrieg überlebt. Wir haben einen Keller: Im Sommer koche ich alles für den Winter ein. Verhungern werden wir nie. Wir waren gut vorbereitet, weil wir wussten, dass wir zusammenziehen werden und alles besorgen müssen.
Sprechen wir über das Familienunternehmen: Alle Söhne arbeiten mit?
Nein, nicht alle, Nadiv pendelt zwischen Berlin, LA, Wien und New York. Meine Aufgabe, das Kochen und der kreative Part, war genau definiert. Die anderen Aufgaben waren anfangs nicht genau aufgeteilt: Anfangs haben wir alle alles gemacht, dann haben sie je nach Begabungen die Aufgaben herauskristallisiert. Nuriel macht Social Media, Marketing, Branding; Elior konnte von klein auf gut zuhören - er ist für die Mitarbeiter und Restaurants zuständig, Ilan ist der Löwe und ist eigentlich der CEO der Firma – er hat die Kontrolle über die Produktion für Spar und Rewe Deutschland.
Streitereien gibt es im Familienunternehmen nicht?
Jeden Tag! Wir sind eine mediterrane Familie: Wir sind alle gleichberechtigt. Bis wir eine Lösung finden, wird heftig diskutiert. Ich bin neugierig, ich liebe die Einflüsse, die von den Jungs kommen. Das macht mich jünger. Wenn ich mit meinen Söhnen arbeite, ist das ein positives Durcheinander. Wir sind Balgan: Wir sind so lebendig wie unsere Locken, wir sind nicht perfekt. Wir korrigieren uns dauernd.
Haben Sie Ihre Mitarbeiter gekündigt oder in Kurzarbeit geschickt? Haben Sie Tipps?
Jemandem Tipp zu geben, der keine Ersparnisse hat, ist ganz schwierig. Ich kann nicht für andere sprechen: Es ist wirklich schlimm, dass so viele schließen müssen. Wir hatten Glück, dass wir die Produktion für die Supermärkte hatten. Die Produktion ist sehr gut gelaufen und wir mussten niemanden kündigen. In den Restaurants hatten wir teilweise Kurzarbeit, da wir Take-away gemacht haben. Mein Rat ist: Nicht so schnell aufgeben, um zu überleben. Wir waren wirklich privilegiert. Auch durch die Hilfe meiner drei Söhne war es leichter.
Wünsche an die Politik?
Wir brauchen Wintergärten wie in Paris, Barcelona und Tel Aviv. Dabei handelt es sich nicht um eine Überdachung, sondern um eine Art Plastikplanen, die man herunterziehen kann. Unsere Behörden haben hier feuerschutzpolizeiliche Bedenken, obwohl es internationale Beispiele gibt. Ich appelliere an die Politiker, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen: Einerseits können so alle Mitarbeiter im Winter beschäftigt werden, andererseits wird der Gastronomie in dieser harten Zeit geholfen.
Sie wollen expandieren?
Im Prater wird das Boutique-Hostel Superbude aus Hamburg Anfang März eröffnen: Das "Neni" befindet sich im 7. Stock über der Achterbahn, eine fantastische Location. Es wird ein Neni, aber ein bisschen anders: Wir werden mit viel Sauerteig arbeiten. Andreas Barotayni wird dort Chefkoch, wir arbeiten bereits an den Rezepten. Es wird zum Beispiel Sauerteig-Pancakes und Sauerteig-Waffeln geben. Die Hotelgäste werden ebenso im Hotel frühstücken. Wir sind zu 60 Prozent an der Gastronomie beteiligt – nicht am Hotel, wir sind keine Hoteliers.
Sie backen gerne?
Ja, ich habe unlängst Strudelteig wie meine Großmutter gezogen. Ich liebe es, mit meinen Händen zu arbeiten. Sauerteig verlangt Geduld.
Das zweite Projekt?
Das zweite Projekt ist speziell: Wir werden das erste Mal ein Neni mit einem Partner eröffnen – mit Elijah Berliner, einem israelischen Koch aus Paris, den wir vor fünf Jahren nach Wien geholt haben. "C.O.P" steht für Corporation of Products: Es wird einen riesigen Holzofen und jeden Tag eine andere Karte geben. Die Produkte wird man vor Ort kaufen können und wir werden auch die Produzenten einladen. Zuerst haben wir gedacht, dass Neni nicht in die Innenstadt passt, aber Neni passt überall hin. Jeder will gesund essen.
Sie eröffnen 2021 eine größere Produktionsstätte?
Um unsere Neni-Produkte erweitern zu können, brauchen wir mehr Platz. Wir haben ein Grundstück in Gumpoldskirchen gekauft und investieren acht Millionen Euro. Das Land Niederösterreich hat uns sehr unterstützt und wir bekommen gute Kredite. Es ist immer ein Risiko, aber wir glauben fest daran. Es wird warme Gerichte wie levantinische Eintöpfe geben, Suppen sowie Salate. Die Idee: Mit einem warmen Gericht und unserem Hummus kann man eine komplette Mahlzeit kombinieren. Bernhard Balzer und ich setzen bereits die Rezepte um, die es dann ab März geben sollen. Ein gelernter Koch, wie wir ein Quereinsteiger – wir hatten keine Ahnung von Maschinen und haben anfangs unglaublich viel Lehrgeld bezahlt.
Sie sind 65 – steht das Thema Pension demnächst an?
Ich glaube nicht. Ich koche, das ist keine schwere körperliche Arbeit. Eine Arbeit, die einem Spaß macht, kann man bis zum Tod ausführen.
Tipp: Wien, Food. People. Stories, Haya Molcho, Brandstätter Verlag, 35 Euro
Zutaten für 4-6 Personen:
20 g Knoblauch
20 g grüne Chilischote
2 Melanzani
1,3 kg Paradeiser
2 EL Öl
2 TL Salz
6 Eier
4 EL fein geschnittene Petersilie, Dillspitzen und/oder fein geschnittenen Koriander
5 EL Tahina
- Knoblauch schälen, fein würfeln. Chili entkernen, fein schälen. Melanzani und Paradeiser grob würfeln.
- Öl in einer Pfanne erhitzen: Knoblauch, Chili und Melanzani anbraten, bis die Melanzaniwürfel goldbraun sind. Paradeiser hinzufügen und 15 Minuten kochen, bis die Masse dickflüssig ist.
- Salzen, mit Löffel Mulden formen: In jede Mulde ein Ei schlagen. Eier salzen und abgedeckt 5 Minuten garen, bis das Eigelb fest ist.
- Mit Kräutern bestreuen und Tahina darüber verteilen. Dazu passt Sauerteigbrot
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